Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachversicherung in einer Zusatzversorgungseinrichtung
Leitsatz (amtlich)
- Wechselt ein Beamter aus dem staatlichen Schuldienst eines Landes in den privaten Ersatzschuldienst, so braucht der Träger der Ersatzschule bei der Berechnung der Frist, von der die Unverfallbarkeit einer Versorgungsanwartschaft abhängt, die im Beamtenverhältnis zurückgelegte Vordienstzeit nicht nach § 1 Abs 1 Satz 1 BetrAVG zu berücksichtigen.
- § 18 Abs 6 Satz 1 BetrAVG, der die Verpflichtung des Arbeitgebers zu einer weiteren Nachversicherung in einer Zusatzversorgungseinrichtung vom Bestehen einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft abhängig macht, ist mit Art 7 Abs 4 GG (Garantie des Ersatzschulwesens und Sicherstellung der Lehrkräfte) vereinbar.
Normenkette
BetrAVG § 18 Abs. 6, § 1; GG Art. 7; Erstes Gesetz zur Ordnung des Schulwesens im Lande Nordrhein-Westfalen (SchOG- NRW) vom 8. April 1952 (GS.NW., 430) § 37 Abs. 3 lit, d; Dritte VO zur Ausführung des Ersten Gesetzes zur Ordnung des Schulwesens im Lande Nordrhein-Westfalen vom 8. April 1952 – 3. AVOzSchOG – betreffend die Ersatzschulen vom 10. Juli 1959 (GV.NW., 125) § 8
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 26.06.1987; Aktenzeichen 10 Sa 409/87) |
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 06.02.1987; Aktenzeichen 8 Ca 6073/86) |
Tenor
- Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. Juni 1987 – 10 Sa 409/87 – wird zurückgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger verlangt wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Eintritt eines Versorgungsfalles Nachversicherung in der Zusatzversorgung.
Der im Jahre 1925 geborene Kläger stand von 1954 bis 31. Januar 1975 als beamteter Lehrer in den Diensten des Landes Nordrhein-Westfalen. Ab 1. August 1974 wurde er beurlaubt, um in den Ersatzschuldienst zu wechseln. Aufgrund eines Vertrages vom 5. Februar 1974 wurde er von dem Beklagten als Lehrer im Ersatzschuldienst zunächst vorläufig für die Dauer seiner Beurlaubung aus den Diensten des Landes Nordrhein-Westfalen eingestellt. Nach seinem endgültigen Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis wurde der Kläger ab dem 1. Februar 1975 auf Lebenszeit zum hauptamtlichen Schulleiter ernannt.
Der Kläger arbeitete an der Höheren Handelsschule Dr. K… in H…. Nach dem schulaufsichtlich genehmigten Arbeitsvertrag erhielt der Kläger Besoldung nach der Besoldungsgruppe A 15. Ferner galten sinngemäß die Grundsätze, die allgemein für entsprechende hauptamtliche Lehrer an vergleichbaren öffentlichen Schulen maßgebend sind, soweit diese Grundsätze nicht auf der Eigenart des öffentlichen Dienstes beruhen. Nach § 5 des Arbeitsvertrages hatte der Kläger eine Anwartschaft auf beamtenmäßige Versorgung. Bei der Berechnung der Versorgungsbezüge wurden die für vergleichbare Landesbeamte geltenden Bestimmungen entsprechend angewandt. In § 8 des Arbeitsvertrages war vorgesehen, daß der Kläger von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist. Bei Kündigung des Vertrages war, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, die Nachversicherung kraft Gesetzes durchzuführen.
Das Arbeitsverhältnis endete durch eine Kündigung des Beklagten am 1. Oktober 1981. Dieser versicherte den Kläger in der gesetzlichen Rentenversicherung nach, dagegen weigerte er sich, auch eine Nachversicherung in der für den öffentlichen Dienst vorgesehenen zusätzlichen Altersversorgung durchzuführen.
Der Kläger verlangt von dem Beklagten neben der Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung eine Nachversicherung bei dem Versorgungsverband bundes- und landesgeförderter Unternehmen e.V. (VBLU). Er hat die Auffassung vertreten, daß nach dem Arbeitsvertrag seine Beamtendienstzeit auf die Frist anzurechnen sei, nach der eine Versorgungsanwartschaft unverfallbar wird. Zumindest sei dies aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Ersatzschullehrern müsse die gleiche Rechtsstellung eingeräumt werden wie Lehrern an öffentlichen Schulen.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihn für die Zeit vom 1. Februar 1975 bis zum 1. Januar 1981 bei der VBLU nachzuversichern.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, daß die Versorgungsanwartschaft des Klägers mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erloschen sei. Der Kläger habe nur sieben Jahre in ihren Diensten gestanden. Eine Anrechnung der Vordienstzeit auf die Unverfallbarkeitsfrist sei nicht vereinbart worden. Nach seinem Arbeitsvertrag sei der Kläger einem Beamten auf Lebenszeit gleichgestellt; aber auch Beamte würden nicht in einer Zusatzversorgungseinrichtung nachversichert, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt eines Versorgungsfalles ende. Die VBLU sei schließlich keine Einrichtung, bei der eine Nachversicherung vorgenommen werden könne.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich seine Revision, mit der er sein Klagebegehren weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger kann von dem Beklagten keine zusätzliche Nachversicherung bei der VBLU verlangen. Seine Anwartschaft auf Altersversorgung war bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht unverfallbar.
1. Der Anspruch auf zusätzliche Nachversicherung ergibt sich nicht aus dem Arbeitsvertrag. Im Arbeitsvertrag ist im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Eintritt eines Versorgungsfalles keine Nachversicherung in einer Zusatzversorgungseinrichtung vorgesehen. Nach § 8 Abs. 2 des Anstellungsvertrages vom 12. August 1974 ist der Kläger bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur in der gesetzlichen Rentenversicherung nachzuversichern. Diese Nachversicherung ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts erfolgt.
2. Dem Kläger steht auch kein aus dem Gesetz folgender weitergehender Nachversicherungsanspruch zu. Dies hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen.
Nach § 18 Abs. 6 Satz 1 BetrAVG sind Arbeitnehmer, die in der gesetzlichen Sozialversicherung versicherungsfrei sind und vor Eintritt eines Versorgungsfalles nach Eintritt der Unverfallbarkeitsvoraussetzungen ausscheiden, bei einer Zusatzversorgungseinrichtung, bei der der Arbeitgeber Beteiligter ist oder, wenn eine solche Beteiligung nicht besteht, bei der er Beteiligter sein könnte, nachzuversichern. Es mag schon zweifelhaft sein, ob der von der VBLU abgeschlossene Gruppenversicherungsvertrag mit einem Konsortium von Lebensversicherungsunternehmen eine Versorgungseinrichtung im Sinne von § 18 Abs. 6 Satz 1 BetrAVG darstellt. Dies kann der Senat unentschieden lassen. In jedem Falle besaß der Kläger bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine unverfallbare Versorgungsanwartschaft.
a) Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG wird eine Versorgungsanwartschaft für einen Arbeitnehmer, der das 35. Lebensjahr vollendet hat unverfallbar, wenn entweder eine Versorgungszusage mindestens zehn Jahre bestanden hat oder der Beginn der Betriebszugehörigkeit mindestens zwölf Jahre zurückliegt und die Versorgungszusage für ihn mindestens drei Jahre bestanden hat. Diese Voraussetzungen erfüllte der Kläger nicht. Der Beklagte hat erstmals Ruhegeldverpflichtungen mit dem Arbeitsvertrag vom 12. August 1974 übernommen. Die Versorgungszusage hat damit nur rd. 6 1/2 Jahre bestanden. Die Betriebszugehörigkeit des Klägers erreicht nur etwa sieben Jahre.
b) Die Unverfallbarkeitsfristen sind nicht nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG erfüllt. Nach dieser Bestimmung unterbricht eine Änderung der Versorgungszusage oder ihre Übernahme durch eine andere Person nicht den Ablauf der Unverfallbarkeitsfristen. Der Beklagte hat im Arbeitsvertrag vom 12. August 1974 nicht die bis dahin dem Lande Nordrhein-Westfalen obliegenden Versorgungsverpflichtungen übernommen, sondern eine eigene Versorgungszusage nach beamtenrechtlichen Grundsätzen erteilt. Es hat nicht nur ein Schuldnerwechsel im Hinblick auf die Versorgungsverpflichtungen stattgefunden, sondern das Beamtenverhältnis ist beendet und ein Arbeitsverhältnis neu begründet worden.
c) Der Beklagte hat sich nicht verpflichtet, Vordienstzeiten des Klägers auf die Unverfallbarkeitsfrist anzurechnen. Allerdings hat er nach § 3 des vorläufigen Arbeitsvertrages das Besoldungsdienstalter des Klägers übernommen und diese Übernahme im Arbeitsvertrag vom 12. August 1974 wiederholt. Dies bedeutete aber keine Anrechnung der Vordienstzeit auf die Unverfallbarkeitsfrist. Wird einem Arbeitnehmer eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versprochen, so hat die Festsetzung des Besoldungsdienstalters oder des Versorgungsdienstalters regelmäßig nur Bedeutung für die Wartezeit und die Steigerungssätze nach Dienstaltersstufen. Das Beamtenrecht kennt keine Unverfallbarkeit der Versorgungsanwartschaft. Vielmehr erlöschen die Ansprüche auf Beamtenversorgung mit der Beendigung des Dienstverhältnisses (BAG Urteil vom 23. April 1985 – 3 AZR 234/83 – AP Nr. 7 zu § 1 BetrAVG Vordienstzeiten, zu B II 1, 3 der Gründe). Verweisen Parteien wegen der Versorgung auf die Grundsätze des Beamtenrechts, so kann eine Berücksichtigung der Vordienstzeiten im Rahmen der Unverfallbarkeitsfrist nur angenommen werden, wenn hierfür besondere Anhaltspunkte bestehen. An diesen fehlt es.
d) Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Recht wegen der Berücksichtigung der Vordienstzeiten im Rahmen der Unverfallbarkeitsfrist keine Vertragslücke angenommen, die im Wege ergänzender Vertragsauslegung geschlossen werden könnte. Bei Begründung des Arbeitsvertrages im Jahre 1974 war zwar das BetrAVG noch nicht in Kraft. Deshalb ist im Einzelfall zu prüfen, ob Vordienstzeiten auf die Unverfallbarkeitsfrist angerechnet werden sollen. Dazu hat der Senat eine Auslegungsregel entwickelt, nach der die Vordienstzeiten auf die Unverfallbarkeitsfrist angerechnet werden müssen, wenn die Vordienstzeiten bereits durch eine betriebliche Altersversorgung begleitet waren (BAG Urteil vom 25. Januar 1979 – 3 AZR 1096/77 – AP Nr. 2 zu § 1 BetrAVG, zu II der Gründe). Diese Auslegungsregel gilt aber nicht für die Übernahme eines Beamten in ein Arbeitsverhältnis, in dem ihm eine beamtenähnliche Versorgung zugesagt wird. In diesen Fällen liegt keine Vertragslücke vor. Vielmehr soll die Rechtslage derjenigen eines Beamten angenähert bleiben.
3. Die Vereinbarungen und gesetzlichen Regelungen über die Versorgung des Klägers verstoßen nicht gegen die Institutsgarantie des Ersatzschulwesens (Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG).
a) Nach Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG wird das Recht zur Errichtung von Privatschulen gewährleistet. Das Grundrecht enthält eine Institutsgarantie zugunsten der Privatschulen. Durch Art. 7 Abs. 4 Satz 4 werden auch die an Privatschulen tätigen Lehrer geschützt. Nach dieser Vorschrift ist die Genehmigung der Ersatzschule zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist. Dem entspricht § 37 Abs. 3 lit. d SchOG- NRW. Die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte muß der Stellung der Lehrer an den vergleichbaren öffentlichen Schulen entsprechen. In Ausfüllung dieser Vorschrift bestimmt § 8 der dritten Verordnung zur Ausführung des Ersten Gesetzes zur Ordnung des Schulwesens im Lande Nordrhein-Westfalen von 8. April 1952 – 3 AVOzSchOG – betreffend die Ersatzschulen vom 10. Juli 1959 (GV.NW., 125), daß in den Arbeitsverträgen die Alters- und Hinterbliebenenversorgung geregelt werden muß.
b) Rechtlich und wirtschaftlich war der Kläger im Sinne dieses Grundrechts ausreichend gesichert.
Im Arbeitsvertrag war dem Kläger eine beamtenähnliche Versorgung eingeräumt worden. Der Beklagte hatte im Rahmen des Dienstalters und der Steigerungsstufen die Dienstzeit im Lande NRW berücksichtigt. Für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis war eine Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung vorgesehen. Insoweit steht der Kläger nicht schlechter als ein Beamter. Auch ein Beamter, der vor Eintritt eines Versorgungsfalles aus dem Dienst entfernt wird, erlangt nur Ansprüche auf Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung ohne eine zusätzliche Nachversicherung in einer Zusatzversorgungseinrichtung. Allerdings war vorübergehend im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens auch eine Regelung für Beamte vorgesehen (§§ 14 bis 16 der BT-Drucks. 7/1281). Diese ist aber bei der Ausschußberatung des Gesetzentwurfs ausgeklammert worden und sollte in einen das Dienstrecht des öffentlichen Dienstes übernommenen Gesetzentwurf übernommen werden (BT-Drucks. 7/2843 Teil A I.2 a.E.). Der Gesetzgeber hat von einer Anpassung abgesehen. Diese kann im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung durch das Bundesarbeitsgericht nicht nachgeholt werden.
Unterschriften
Dr. Heither, Schaub, Griebeling, Dr. Bächle, Oberhofer
Fundstellen
Haufe-Index 872069 |
RdA 1989, 384 |