Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer Betriebsvereinbarung. Lohnsteuerschuld für die dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer erstatteten Krankenversicherungsbeiträge. Betriebsverfassungsrecht
Orientierungssatz
Sieht eine Betriebsvereinbarung die Erstattung der dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer entstehenden Aufwendungen zur Krankenversicherung vor, ist Schuldner der auf Grund dieser Leistung anfallenden Steuern grundsätzlich der Arbeitnehmer. Für die Annahme, ausnahmsweise solle der Arbeitgeber wirtschaftlich mit diesen Steuern belastet sein, bedarf es besonderer Anhaltspunkte.
Normenkette
BetrVG § 77 Abs. 4, § 112 Abs. 1 S. 2; EStG § 38 Abs. 2, § 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LAG München (Urteil vom 09.10.2003; Aktenzeichen 4 Sa 443/03) |
ArbG München (Urteil vom 11.02.2003; Aktenzeichen 10b Ca 482/02 I) |
Tenor
- Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 9. Oktober 2003 – 4 Sa 443/03 – aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts München – Kammer Ingolstadt – vom 11. Februar 2003 – 10b Ca 482/02 I – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche aus einer Betriebsvereinbarung.
Der am 22. April 1944 geborene Kläger war bei der Beklagten vom 1. April 1979 bis zum 31. Dezember 1998 beschäftigt. Zuletzt war er Personalreferent. Das Arbeitsverhältnis endete auf Grund betriebsbedingter Kündigung. Zeitgleich mit dieser wurde dem Kläger in einem Schreiben vom 29. November 1996 bestätigt, dass ihm auf der Grundlage der Gesamtbetriebsvereinbarung über die Abkehr älterer Mitarbeiter vom 2. Dezember 1994 Leistungen zugesichert worden seien. Diese Gesamtbetriebsvereinbarung (GBV 1994) dient nach ihrer Präambel der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile der von betrieblichen Personalanpassungsmaßnahmen betroffenen Mitarbeiter. Sie enthält ua. folgende Regelungen:
“5. Leistungen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Während der Arbeitslosigkeit erhalten ausgeschiedene Mitarbeiter Ausgleichszahlungen (Zuschuß/Übergangsbeihilfe), die als nachrangige Leistungen zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit gewährt werden.
Der Zuschuß wird gezahlt, solange der Mitarbeiter Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, längstens bis zu dem Zeitpunkt, in dem ein Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung besteht.
Übergangsbeihilfe wird nach Beendigung der Gewährung von Arbeitslosengeld gezahlt, längstens bis zu dem Zeitpunkt, in dem ein Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung besteht.
Voraussetzung für die Zahlung von Zuschuß bzw. Übergangsbeihilfe ist die Beantragung von Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe durch den Mitarbeiter.
Wird der Antrag auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe vom Arbeitsamt abgelehnt, entrichtet der Arbeitgeber – unabhängig von der Höhe der zu zahlenden Übergangsbeihilfe – die Krankenversicherungsbeiträge zu 100 % brutto (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil).
6. Höhe der Leistungen
Die Ausgleichszahlungen und die Leistungen des Arbeitsamts sichern zusammen 90 % des letzten vor dem Ausscheiden durchschnittlich verdienten Monatsnettoeinkommens ab.
Der Zuschuß bzw. die Überbrückungsbeihilfe wird monatlich nachträglich auf ein vom Mitarbeiter zu benennendes Girokonto gezahlt.
7. Berechnungsgrundlage für die Ausgleichszahlungen Für die Berechnung des monatlichen Brutto-/Nettoeinkommens wird die Grundvergütung 2 zugrunde gelegt. Zuschläge zu Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit werden aus den jährlich feststehenden Zuschlagsstunden entsprechend dem Schichtplan ermittelt.
Die Steuerklasse, die zu Beginn des Ausscheidejahres eingetragen war, dient als Berechnungsgrundlage.
Steuerfreibeträge bleiben unberücksichtigt, hiervon ausgenommen sind Freibeträge wegen Schwerbehinderung.”
Am 10. März 1998 schlossen die Betriebsparteien eine weitere “Gesamtbetriebsvereinbarung zur Fortführung und Ergänzung der Vereinbarung (vom 2.12.1994) über die Abkehr älterer Mitarbeiter” (GBV 1998). In dieser heißt es ua.:
“8. Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge
Wird vom Arbeitsamt wegen Nichtbezuges von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe die Kranken- oder Pflegeversicherung nicht getragen, entrichtet der Arbeitgeber die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zu 100 % brutto (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil). Die hierauf anfallenden Steuern sind vom Mitarbeiter zu tragen.”
Die nach Nr. 7 Abs. 1 GBV 1994 für die Berechnung der Ausgleichszahlungen maßgebliche “Grundvergütung 2” des Klägers betrug im Dezember 1998 9.343,00 DM brutto. Abzüglich Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen ergab sich ein monatliches Nettoeinkommen von 4.770,66 DM.
Der Kläger erhielt vom 1. Januar 1999 bis zum 29. August 2001 Arbeitslosengeld. Während dieser Zeit zahlte ihm die Beklagte einen Zuschuss in Höhe der Differenz zwischen 4.293,59 DM (= 90 % des letzten maßgeblichen Nettoeinkommens) und dem Arbeitslosengeld. Nach dem 29. August 2001 erhielt der Kläger wegen der ihm nach der GBV 1994 nunmehr zustehenden Übergangsbeihilfe keine Arbeitslosenhilfe. Ab dem 1. September 2001 musste er selbst für seine Kranken- und Pflegeversicherung sorgen. Hierfür wandte er bis zum 31. Dezember 2001 monatlich 840,52 DM sowie ab dem 1. Januar 2002 je 447,42 Euro auf. Die Beklagte zahlte ihm vom 1. September 2001 bis zum 31. Dezember 2001 monatlich 4.785,38 DM netto. Dieser Betrag setzte sich aus der Übergangsbeihilfe (Nr. 5 Abs. 3 GBV 1994) in Höhe von 4.293,53 DM und der Erstattung der Krankenversicherungsbeiträge (Nr. 5 Abs. 5 GBV 1994) zusammen. Dabei zog die Beklagte von den erstatteten Krankenversicherungsbeiträgen die darauf entfallende Lohnsteuer ab. Ab dem 1. Januar 2002 zahlte sie dem Kläger monatlich 2.456,78 Euro. Die Übergangsbeihilfe und der Krankenversicherungsbeitrag hätten dagegen zusammen 2.642,70 Euro ausgemacht. Die Differenz von 185,92 Euro monatlich beruht ebenfalls darauf, dass die Beklagte die auf die Erstattung des Krankenversicherungsbeitrags entfallende Lohnsteuer absetzte.
Mit seiner Klage hat der Kläger die Differenzbeträge für die Zeit vom 1. September 2001 bis zum 28. Februar 2002 in rechnerisch unstreitiger Höhe von insgesamt 1.085,05 Euro geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, sein Anspruch folge aus Nr. 6 Abs. 1 GBV 1994. Die Beklagte habe auch die auf die Erstattung der Krankenversicherungsbeiträge entfallenden Steuern zu tragen. Die dies anders regelnde GBV 1998 könne schon deshalb keine Anwendung finden, weil ihm bereits am 26. November 1996 gekündigt worden sei. Ihm sei zugesichert worden, dass er 90 % seiner letzten Nettobezüge tatsächlich erhalte.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.085,05 Euro netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 7. Mai 2002 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Ansprüche des Klägers seien erfüllt, da er 90 % des letzten Nettoeinkommens erhalten habe und die Beiträge zur Krankenversicherung brutto erstattet worden seien.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Unrecht entsprochen. Die Ansprüche des Klägers für die Zeit vom 1. September 2001 bis zum 28. Februar 2002 sind erfüllt.
- Die Klage ist zulässig. Der Streitgegenstand ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Allerdings haben ersichtlich weder der Kläger noch die Vorinstanzen berücksichtigt, dass es sich bei dem Anspruch auf Übergangsbeihilfe nach Nr. 5 Abs. 3 GBV 1994 einerseits und dem Anspruch auf Erstattung der Krankenversicherungsbeiträge nach Nr. 5 Abs. 5 GBV 1994 andererseits nicht um einen, sondern um zwei Ansprüche handelt. Letzteres macht Nr. 5 Abs. 5 GBV 1994 deutlich. Dort heißt es ausdrücklich, der Arbeitgeber entrichte die Krankenversicherungsbeiträge “unabhängig von der Höhe der zu zahlenden Übergangsbeihilfe”. Der Kläger verhält sich nicht zu der Frage, ob er seine Klageansprüche aus Nr. 5 Abs. 3 oder aus Nr. 5 Abs. 5 GBV 1994 herleitet. Er verwischt den Unterschied vielmehr, indem er sich im Wesentlichen nur auf die – lediglich die Höhe der Ausgleichszahlungen regelnde – Nr. 6 Abs. 1 GBV 1994 beruft. Aus den Gesamtumständen ergibt sich jedoch, dass es um die nach Auffassung des Klägers nicht vollständig erfüllten Ansprüche auf Erstattung der Krankenversicherungsbeiträge nach Nr. 5 Abs. 5 GBV 1994 geht. Die monatlichen Zahlungen der Beklagten von 4.785,38 DM netto in der Zeit vom 1. September 2001 bis zum 31. Dezember 2001 sowie von 2.456,78 Euro netto ab dem 1. Januar 2002 überstiegen deutlich 4.239,59 DM (= 2.167,67 Euro) und damit 90 % des letzten vom Kläger vor seinem Ausscheiden monatlich durchschnittlich verdienten Nettoeinkommens. Dabei war den Parteien, wie sich aus ihrem gesamten Vorbringen ergibt, klar, dass die Beklagte mit ihren Zahlungen die Übergangsbeihilfe nach Nr. 5 Abs. 3 GBV 1994 in Höhe von 90 % des letzten Nettoeinkommens voll bezahlen, aber die nach Nr. 5 Abs. 5 GBV 1994 geschuldete Erstattung der Krankenversicherungsbeiträge um die darauf entfallenden (Lohn-) Steuern kürzen wollte.
Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte schuldete die Erstattung der Krankenversicherungsbeiträge nach Nr. 5 Abs. 5 GBV 1994 nicht “netto”. Vielmehr konnte sie die darauf entfallenden Steuern abziehen und mit befreiender Wirkung an das Finanzamt abführen. Dies folgt bereits aus Nr. 5 Abs. 5 GBV 1994. Auf die Anwendbarkeit der Nr. 8 GBV 1998 kommt es daher nicht an.
1. Nach Nr. 5 Abs. 5 GBV 1994 trifft die aus der Erstattung der Krankenversicherungsbeiträge folgende Steuerlast den Arbeitnehmer.
a) Betriebsvereinbarungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats wegen ihres normativen Charakters wie Gesetze auszulegen. Auszugehen ist zunächst vom Wortlaut und dem dadurch vermittelten Wortsinn. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den Vorschriften seinen Niederschlag gefunden hat. Dabei sind insbesondere der Gesamtzusammenhang sowie der Sinn und Zweck der Regelung zu beachten. Bleiben hiernach noch Zweifel, so können ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte oder auch eine tatsächliche Übung herangezogen werden. Im Zweifel gebührt der Auslegung der Vorzug, die zu einer gesetzeskonformen, sachgerechten und praktisch handhabbaren Regelung führt (vgl. etwa BAG 21. Januar 2003 – 1 ABR 5/02 – AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 117 = EzA BetrVG 2001 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 1, zu B II 1 der Gründe; 22. Juli 2003 – 1 AZR 496/02 –, zu II 1 der Gründe).
b) Diese im Wesentlichen auch vom Landesarbeitsgericht angeführten Grundsätze rechtfertigen nicht die von ihm vorgenommene Auslegung der GBV 1994.
aa) Bereits aus dem Wortlaut der Nr. 5 Abs. 5 GBV 1994 ergibt sich, dass der Mitarbeiter die durch die Erstattung seiner Krankenversicherungsbeiträge anfallenden Steuern zu tragen hat.
Nach der Bestimmung entrichtet der Arbeitgeber die Krankenversicherungsbeiträge “zu 100 % brutto”. Der Begriff “brutto” bedeutet regelmäßig, dass von dem bezeichneten Betrag noch die auf öffentlichem Recht beruhenden Abzüge vorzunehmen sind (vgl. etwa Schaub Arbeitsrechts-Handbuch § 71 Rn. 3). Soll dagegen der gesamte Betrag ohne Abzüge an den Arbeitnehmer ausgekehrt werden, wird regelmäßig von einer “Nettovergütung” gesprochen. Bei dieser muss der Arbeitgeber den versprochenen Betrag abzugsfrei an den Arbeitnehmer bezahlen, die auf diesen Betrag entfallenden Abzüge selbst tragen und den für die Berechnung der Abzüge maßgeblichen Bruttobetrag durch “Abtastung”, bzw. Iteration ermitteln (vgl. Schaub aaO). Entgegen der ersichtlich vom Landesarbeitsgericht vertretenen Auffassung gibt es im Streitfall keine Anhaltspunkte für die Annahme, die Betriebsparteien hätten bei der Verwendung des Begriffs “brutto” nicht die “naiv steuerrechtliche Bedeutung dieses Terminus” gemeint, sondern ihn “als vollständigen, belastungsfreien, Betrag, ohne Abzüge etc., verstanden”. Ein derartiges Verständnis gebietet auch nicht der Umstand, dass den Worten “zu 100 % brutto” in Nr. 5 Abs. 5 GBV 1994 unmittelbar der Klammerzusatz “(Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil)” folgt. Dieser Klammerzusatz erläutert nicht den Ausdruck “zu 100 % brutto”, sondern verdeutlicht, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Krankenversicherungsbeiträge nicht etwa nur zur Hälfte erstatten soll. Darüber, wer die aus dieser Leistung des Arbeitgebers folgende Steuerlast zu tragen hat, besagt der Klammerzusatz nichts.
Selbst ohne das Wort “brutto” ergäbe sich nichts Anderes. Sofern nichts Abweichendes vereinbart ist, schuldet der Arbeitgeber eine Bruttovergütung (vgl. etwa ErfK/Preis § 611 BGB Rn. 596; HWK/Thüsing § 611 BGB Rn. 96; Litzig in Kittner/Zwanziger Arbeitsrecht § 60 Rn. 1, 4; Schaub Arbeitsrechts-Handbuch § 71 Rn. 3). Die Steuerlast für Bezüge aus nichtselbständiger Tätigkeit trifft den Arbeitnehmer. Er ist gemäß § 38 Abs. 2 EStG Schuldner der Lohnsteuer. Zwar haftet der Arbeitgeber gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG für den von ihm vorzunehmenden Einbehalt und die Abführung. Auch ist er, soweit diese Haftung reicht, nach § 42d Abs. 3 Satz 1 EStG gemeinsam mit dem Arbeitnehmer Gesamtschuldner. Im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist aber grundsätzlich allein der Arbeitnehmer Schuldner der Steuerforderung (vgl. BAG 16. Juni 2004 – 5 AZR 521/03 – DB 2004, 2272, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 1 der Gründe; 20. März 1984 – 3 AZR 124/82 – BAGE 45, 222, 226 f. = AP BGB § 670 Nr. 22 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 60, zu I 2a der Gründe). Etwas Anderes gilt nur, wenn die Arbeitsvertragsparteien dies vereinbart haben. Dabei muss eine Vereinbarung, durch die es der Arbeitgeber übernimmt, die Steuerschuld wirtschaftlich zu tragen, den dahingehenden Willen klar erkennen lassen (vgl. BAG 19. Dezember 1963 – 5 AZR 174/63 – BAGE 15, 168 = AP BGB § 670 Nr. 15; 18. Januar 1974 – 3 AZR 183/73 – AP BGB § 670 Nr. 19 = EzA BGB § 611 Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 2; 16. Juni 2004 – 5 AZR 521/03 – aaO, zu II 1 der Gründe). Dies gilt auch für die Zusage der Erstattung der freiwilligen Aufwendungen des Arbeitnehmers für seine Krankheitsvorsorge. Ohne eine entsprechende Vereinbarung kann auch in diesem Fall nicht davon ausgegangen werden, dass der Arbeitgeber zusätzlich die sich aus seiner finanziellen Leistung ergebende Steuerlast des Arbeitnehmers tragen soll (vgl. auch LAG Hamm 1. März 2000 – 14 Sa 2144/99 – NZA-RR 2001, 46; HWK/Thüsing § 611 BGB Rn. 98). Dabei macht es keinen Unterschied, wenn der Anspruch, wie hier, aus einer nach § 77 Abs. 4 BetrVG normativ wirkenden Betriebsvereinbarung folgt.
bb) Dieser vom Wortlaut ausgehenden Auslegung entspricht die Systematik der GBV 1994. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts gebietet Nr. 6 Abs. 1 GBV 1994 keine andere Betrachtung. Das Landesarbeitsgericht berücksichtigt hier – wie bereits bei der Streitgegenstandsbestimmung – nicht hinreichend, dass es sich bei dem Anspruch auf Übergangsbeihilfe nach Nr. 5 Abs. 3 GBV 1994 einerseits sowie dem Anspruch auf Erstattung der Krankenversicherungsbeiträge nach Nr. 5 Abs. 5 GBV 1994 andererseits um zwei grundsätzlich voneinander unabhängige Ansprüche handelt. Die in Nr. 6 Abs. 1 GBV 1994 garantierte Absicherung von 90 % des letzten vor dem Ausscheiden durchschnittlich verdienten, nach Nr. 7 GBV 1994 zu ermittelnden Nettoeinkommens betrifft die Ausgleichszahlungen nach Nr. 5 Abs. 1 GBV 1994 sowie die Übergangsbeihilfe nach Nr. 5 Abs. 3 GBV 1994, nicht dagegen die Erstattung der Krankenversicherungsbeiträge nach Nr. 5 Abs. 5 GBV 1994. Letztere werden ja auch nicht etwa nur zu 90 %, sondern zu 100 % erstattet, allerdings eben “brutto”.
cc) Aus Sinn und Zweck der GBV 1994 folgt nichts Anderes. Deren Ziel ist es nach der Präambel, die wirtschaftlichen Nachteile der von den betrieblichen Personalanpassungsmaßnahmen betroffenen Mitarbeiter zu mildern. Dies entspricht der in § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG normierten Funktion eines Sozialplans, die durch die geplante Betriebsänderung den Arbeitnehmern entstehenden Nachteile auszugleichen oder zu mildern. Durch die GBV 1994 soll erkennbar zwar eine ganz substantielle Milderung der Nachteile, nicht jedoch ein restloser Ausgleich bewirkt werden. Die Arbeitnehmer sollen finanziell nicht völlig uneingeschränkt so gestellt werden, als ob das Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbestanden hätte. Dies wird ua. daran deutlich, dass in Nr. 6 Abs. 1 GBV 1994 nicht 100 %, sondern nur 90 % des Nettoeinkommens abgesichert werden und dass bei dessen Errechnung nach Nr. 7 Abs. 4 GBV 1994 Steuerfreibeträge grundsätzlich unberücksichtigt bleiben. Die in Nr. 7 Abs. 3 GBV 1994 geregelte Festschreibung der Steuerklasse zu Beginn des Ausscheidensjahrs und die Nichtberücksichtigung der Steuerfreibeträge zeigen, dass es den Betriebsparteien auch nicht darum ging, die Arbeitnehmer dauerhaft genau so zu stellen, wie sie stünden, wenn ihnen bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Monatsdurchschnitt 90 % des letzten Gehalts weitergezahlt worden wären. Die Betriebsparteien haben vielmehr eine differenzierte Regelung für die Zeit des Bezugs von Arbeitslosengeld und für die Zeit danach getroffen. Dabei haben sie berücksichtigt, dass mit dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld die ehemaligen Arbeitnehmer nicht mehr gegen Krankheit versichert sind. Sie haben diesen Nachteil durch den in Nr. 5 Abs. 5 GBV 1994 zugunsten des Mitarbeiters normierten Erstattungsanspruch ganz entscheidend abgemildert. Für die Annahme, die Betriebsparteien hätten den Mehraufwand ausschließlich der Beklagten auferlegen und diese auch mit der durch die zusätzliche Leistung entstehenden Steuerschuld belasten wollen, bietet die GBV 1994 dagegen keine zuverlässigen Anhaltspunkte.
dd) Sonstige Gesichtspunkte, die eine andere Auslegung der GBV 1994 gebieten würden, sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.
c) Da bereits die GBV 1994 den Anspruch des Klägers nicht zu rechtfertigen vermag, kann dahin stehen, ob durch die GBV 1998, die nun in Nr. 8 ausdrücklich bestimmt, dass die auf die Erstattung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge anfallenden Steuern vom Mitarbeiter zu tragen sind, eine für den Kläger etwa günstigere Regelung in der GBV 1994 zu seinem Nachteil hätte geändert werden können.
2. Eine individualvertragliche Vereinbarung der Parteien, auf Grund derer der Kläger weitergehende Ansprüche als nach den GBV 1994 und 1998 besäße, ist nicht dargetan. Sowohl im Schreiben der Beklagten vom 29. November 1996 als auch in der Mitteilung vom 29. Januar 1999 wurde ausdrücklich auf die GBV über die Abkehr älterer Mitarbeiter Bezug genommen. Eine darüber hinausgehende, günstigere individualvertragliche Position sollte dem Kläger erkennbar nicht eingeräumt werden.
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Unterschriften
Wißmann, Kreft, Linsenmaier, Giese, Büßenschütt
Fundstellen
Haufe-Index 1277003 |
FA 2005, 89 |
ZTR 2005, 221 |
EzA-SD 2004, 14 |
EzA |
BAGReport 2005, 61 |
SPA 2005, 7 |