Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Berufungsbegründung
Normenkette
ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2, § 519b Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 7. November 2000 – 6 Sa 695/99 – aufgehoben.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 5. Juli 1999 – 2 Ca 2154/99 – wird als unzulässig verworfen.
3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über das Bestehen eines Anspruchs des Klägers auf den tariflichen Mehrarbeitszuschlag für sog. Plusstunden, die das wegen ungleicher Verteilung der Arbeitszeit auf mehrere Wochen geführte Zeitkonto des Klägers bei Ende des vereinbarten Ausgleichszeitraums aufweist.
Der Kläger ist seit 1979 bei der Beklagten als technischer Angestellter in der Service-Niederlassung N. im Bereich Instandsetzung Bundeswehr – Betriebsbereich F.straße – mit einem durchschnittlichen monatlichen Bruttoarbeitsentgelt (im Jahre 1999) von 4.791,00 DM beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis gelten kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die Tarifverträge für die Angestellten der bayerischen Metallindustrie, insbesondere der Manteltarifvertrag vom 31. Oktober/2. November 1970 in der Fassung vom 1. November 1997 – nachfolgend: MTV –.
Zur „Umsetzung der tariflichen Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden/Woche” ab 1. Oktober 1995 schlossen die Beklagte und der Betriebsrat der Service-Niederlassung N. am 28. September 1995 eine Betriebsvereinbarung, nach der die tatsächliche Arbeitszeit ab 1. Januar 1996 im Betriebsbereich F.straße 36,5 Stunden pro Woche beträgt. Die „Differenz zwischen wöchentlicher Arbeitszeit und individueller regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit” wird danach durch Führung eines Zeitkontos erfaßt.
Da im Bereich der Bundeswehrinstandsetzung die Auftrags- und Arbeitslage starken Schwankungen unterworfen ist, schlossen die Beklagte und der Betriebsrat der Service-Niederlassung N. für die in diesem Bereich beschäftigten Mitarbeiter am 20. August 1997 „in Abänderung der Betriebsvereinbarung Arbeitszeit vom 28. September 1995” die Betriebsvereinbarung „ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit”. Diese lautet, soweit hier von Interesse:
…
2.Ausgleichszeitraum
Der Ausgleichszeitraum wird vom 25.8.97 bis spätestens 25.8.98 festgelegt.
3.Arbeitszeit
a) vom 25.8.97 bis 05.12.97
Montag bis Donnerstag |
6.15 Uhr bis 16.45 Uhr |
Freitag |
6.15 Uhr bis 14.30 Uhr |
Pausen: Montag |
8.45 Uhr bis 9.00 Uhr |
bis Freitag |
12.15 Uhr bis 12.45 Uhr |
b) Die anfallende Arbeitszeit über 36,5 Wochenstunden wird dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben. Die Arbeitszeit bis 41,5 Wochenstunden ist zuschlagsfrei, über 41,5 Wochenstunden werden die Zuschläge vergütet.
Von 41,5 Wochenstunden bis 46,5 Wochenstunden mit 25 % Zuschlag
über 46,5 Wochenstunden mit 50 % Zuschlag
c) ab 8.12.97 gilt die Arbeitszeit gemäß Betriebsvereinbarung vom 28.9.95
d) vom 5.1.98 bis 25.8.98
Die an den einzelnen Arbeitstagen zu erbringende Arbeitsleistung, um die Differenz zwischen IRWAZ und Tarif-AZ auszugleichen, wird von SNL und BR, unter Berücksichtigung der ab 5.1.98 sich abzeichnenden Beschäftigungssituation, konkretisiert und vereinbart. Betriebsrat und Serviceniederlassungsleitung sind sich einig, daß das Arbeitszeitkonto bis 25.8.98 abzubauen ist.
…
4. Die Betriebsvereinbarung endet mit Abbau des in der Zeit vom 25.8.1997 bis 5.12.1997 angesammelten Zeitguthabens, spätestens jedoch am 25.8.1998.
…
8.Inkrafttreten
Diese Betriebsvereinbarung tritt am 25.8.97 in Kraft und endet spätestens am 25.8.98. Die Vereinbarung zur Arbeitszeit Punkt 3.a) kann im Zeitraum vom 25.8.97 bis 5.12.97 mit einer Frist von 10 Arbeitstagen zum Ende einer Arbeitswoche gekündigt werden.
Die Zuschläge nach Ziff. 3 Buchst. b der Betriebsvereinbarung hat der Kläger erhalten.
Wegen der guten Auftragslage in der Niederlassung war es nicht möglich, die während der Laufzeit der Betriebsvereinbarung angefallenen Plusstunden auf dem Zeitkonto des Klägers („Anhäufungsstunden”) bis zum 25. August 1998 abzubauen. Zu diesem Zeitpunkt wies das Zeitkonto des Klägers ein Guthaben von 112,5 Stunden auf. Dieses Guthaben wurde nach Ablauf des Ausgleichszeitraums durch mit der Grundvergütung bezahlte Freistellung des Klägers ausgeglichen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Betriebsvereinbarung vom 20. August 1997 sei unwirksam, weil nur die Stunden dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben worden seien, die über 36,5 Wochenstunden hinausgingen. Auch die Regelung der Überstundenvergütung mit Anspruch auf Mehrarbeitszuschlag für oberhalb von 41,5 Wochenstunden liegende Arbeitszeiten sei tarifwidrig. Mangels einer zweimonatigen vorherigen Festlegung der regelmäßigen Arbeitszeit in der Zeit vom 5. Januar 1998 bis 25. August 1998 seien die über 35 Wochenstunden hinausgehenden Plusstunden als zuschlagspflichtige Mehrarbeit einzustufen. Jedenfalls sei das am 25. August 1998 bestehende Zeitguthaben als zuschlagspflichtige Mehrarbeit zu behandeln, so daß er Anspruch auf den tariflichen Mehrarbeitszuschlag von 25 % für die 112,5 Stunden habe. Dies seien – rechnerisch unstreitig – 885,04 DM.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 885,04 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit 1. September 1998 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, eine zuschlagspflichtige Mehrarbeit nach dem Manteltarifvertrag für die Angestellten liege immer nur dann vor, als die wöchentliche Arbeitszeit bei Vollzeitbeschäftigten die festgelegte regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit übersteige. Die festgelegte regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ergebe sich aus den jeweils mit dem Betriebsrat getroffenen Arbeitszeitregelungen. Erst wenn diese festgelegte wöchentliche Arbeitszeit überschritten werde, könne es sich nach dem Tarifvertrag überhaupt um zuschlagspflichtige Mehrarbeit handeln. Das Zeitkonto erfasse die Differenzen zwischen Sollzeit (= festgelegte regelmäßige Arbeitszeit) und individueller regelmäßiger Wochenarbeitszeit – IRWAZ (= tarifliche Arbeitszeit). Ein darin aufgelaufenes Guthaben weise keine Mehrarbeit im Tarifsinne aus.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils der Klage stattgegeben und die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Denn die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts ist unzulässig. Sie war daher nach § 519 b Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen.
I. Der Kläger hat zwar gegen das Urteil des Arbeitsgerichts form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese fristgerecht begründet. Die Berufungsbegründung entspricht jedoch, wie die Beklagte zutreffend geltend macht, nicht den gesetzlichen Anforderungen, so daß die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts als unzulässig zu verwerfen ist.
1. Die Zulässigkeit der Berufung gehört zu den in der Revision von Amts wegen zu prüfenden Prozeßfortsetzungsvoraussetzungen. Es kommt nicht darauf an, daß das Landesarbeitsgericht die Berufung als zulässig angesehen hat(BAG 20. Februar 2001 – 9 AZR 44/00 – AP BGB § 630 Nr. 26 = EzA BGB § 630 Nr. 23, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen mwN).
2. Nach § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO muß die Berufungsbegründung die bestimmte Bezeichnung der im einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) sowie der neuen Tatsachen, Beweismittel und Beweiseinreden enthalten, die die Partei zur Rechtfertigung ihrer Berufung vorzubringen hat. Zweck der gesetzlichen Regelung ist es, formale und nicht auf den konkreten Streitfall bezogene Berufungsbegründungen auszuschließen, um dadurch eine Konzentration und Beschleunigung des Verfahrens im zweiten Rechtszug zu bewirken. Aus der Berufungsbegründung müssen Gericht und Gegner erkennen können, welche Gesichtspunkte der Berufungskläger seiner Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zugrunde legen, insbesondere welche tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen des erstinstanzlichen Urteils er bekämpfen und auf welche Gründe er sich hierfür stützen will. Dabei muß die Rechtsmittelbegründung geeignet sein, das gesamte Urteil in Frage zu stellen. Wenn das Gericht seine Entscheidung auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen stützt, muß die Berufungsbegründung für jede dieser Erwägungen darlegen, warum sie unzutreffend sein soll; anderenfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig(BAG 11. März 1998 – 2 AZR 497/97 – BAGE 88, 171, 175 mwN). Eine schlüssige, rechtlich haltbare Berufungsbegründung setzt § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO dabei nicht voraus. Es kommt nicht darauf an, ob die rechtliche Beurteilung des Berufungsführers richtig ist oder nicht(BAG 24. Januar 2001 – 5 AZR 132/00 – nv. mwN).
3. Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung des Klägers nicht gerecht. Dies hat das Landesarbeitsgericht nicht gesehen.
a) Der Kläger nimmt in seiner Berufungsbegründung nur einmal ausdrücklich auf das Urteil des Arbeitsgerichts Bezug, indem er im Anschluß an den von ihm dargelegten angeblichen Verstoß der Regelung der Ziff. 3 b der Betriebsvereinbarung vom 20. August 1997 – Zeitgutschriften für die Arbeitszeit über 36,5 Wochenstunden statt über 35 Wochenstunden – gegen den MTV ausführt: „Insoweit hat das Erstgericht § 4, Ziffer 1, V.d und e nicht widerspruchsfrei berücksichtigt oder ausgelegt.” Dies enthält keine Auseinandersetzung mit tatsächlichen oder rechtlichen Erwägungen des Urteils des Arbeitsgerichts. Mit den vom Kläger in Bezug genommenen Regelungen können nur die des MTV gemeint sein. Diese befassen sich mit der Vergütung (§ 4 Ziff. 1 (V) d MTV) und dem Freizeitausgleich (§ 4 Ziff. 1 (V) e MTV) für Mehrarbeit. Damit hat sich das Arbeitsgericht von seinem Standpunkt aus zutreffend nicht befaßt, weil es angenommen hat, zuschlagspflichtige Mehrarbeit liege bei der in dem Plusstundensaldo erfaßten Arbeitszeit des Klägers nicht vor. Die übrigen Ausführungen des Klägers zu Fragen der Mehrarbeit nach Regelungen des MTV (sog. 13 % Quote, zweimonatige Voraussehbarkeit der individuellen Arbeitszeit) nehmen weder ausdrücklich auf eine Erwägung des Arbeitsgerichts für seine Entscheidung Bezug noch lassen sie einen solchen Bezug erkennen.
b) Jedenfalls aber wird mit der Berufungsbegründung nicht das gesamte Urteil des Arbeitsgerichts in Frage gestellt. Denn das Arbeitsgericht hat die Abweisung der Klage nicht nur damit begründet, bei der in dem Plusstundensaldo des Klägers erfaßten Arbeitszeit handele es sich nicht um zuschlagspflichtige Mehrarbeit, sondern dafür eine weitere, die Klageabweisung allein tragende Begründung gegeben. Es hat dem Kläger insoweit entgegengehalten: „Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, ob nicht in den im Arbeitszeitkonto enthaltenen Stunden auch Stunden sind, für die Zuschläge nach Ziff. 3 b der Betriebsvereinbarung bezahlt wurden. Der Kläger kann aber keine doppelte Zahlung von Zuschlägen beanspruchen, einmal bei Anfall der Arbeitsstunden nach der Betriebsvereinbarung und einmal bei Ablauf des Ausgleichszeitraums nach dem Manteltarifvertrag.” Dabei unterstellt das Arbeitsgericht zugunsten des Klägers, daß es sich bei der in dem Plusstundensaldo erfaßten Arbeitszeit des Klägers um zuschlagspflichtige Mehrarbeit handele, gelangt aber zur Abweisung der Klage, weil es den Vortrag des Klägers zur Begründung seines Anspruchs der Sache nach nicht für hinreichend substantiiert hält. Einen Angriff auf diese Begründung läßt die Berufungsbegründung des Klägers nicht erkennen. Einen solchen vermag auch der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung in seinen Ausführungen zur Zulässigkeit der Berufung nicht aufzuzeigen.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schliemann, Bott, Wolter, Kiefer, Görgens
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 29.11.2001 durch Freitag, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen