Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung nach Einigungsvertrag. mangelnde Eignung
Normenkette
Einigungsvertrag Anl. I Kap. XIX Sachgeb. A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 17.08.1993; Aktenzeichen 1 Sa 32/93) |
ArbG Chemnitz (Urteil vom 08.10.1992; Aktenzeichen 8 Ca 7800/91) |
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 17. August 1993 – 1 Sa 32/93 – aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin (geboren am 22. November 1952) war seit dem 1. August 1975 als ausgebildete Dipl.-Lehrerin für Deutsch und Musik an der A.-Schule in G. eingesetzt. Von Herbst 1979 bis Herbst 1980 und wieder von Herbst 1981 bis Herbst 1 1985 sowie von Herbst 1986 bis Herbst 1989 war sie ehrenamtliche Parteisekretärin an dieser Schule, an der 15 bis 17 Lehrer tätig waren, davon 6 bis 9 SED-Mitglieder. Im Jahre 1985/86 besuchte die Klägerin die Bezirksparteischule.
Mit Schreiben vom 28. Oktober 1991 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1991 wegen mangelnder persönlicher Eignung unter Hinweis darauf, die Klägerin sei von 1979 bis 1989 als Parteisekretärin der SED tätig gewesen. Gegen die Kündigung hat der vom Beklagten angehörte Kreispersonalrat mit Schreiben vom 24. Oktober 1991 Einwände erhoben; beim Oberschulamt bestand seinerzeit noch kein Bezirkspersonalrat.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, ihre angebliche Nichteignung könne nicht allein aus der Funktion eines Parteisekretärs, die der Beklagte im übrigen falsch dargestellt habe, hergeleitet werden; es komme vielmehr auf die Ausübung dieses Amtes an. Sie habe sich als Parteisekretärin um kritische Diskussionen bemüht, u.a. auch bei Parteiversammlungen, was ihr mehrfach das Unverständnis durch Vorgesetzte eingebracht habe (Beweis: H.). Bei der politisch-ideologischen Arbeit habe sie stets eine kritische Haltung gezeigt, u.a. Kritik an der wirtschaftlichen Entwicklung der DDR geübt und auch Fragen der Teilnehmer des Parteilehrjahres an die Kreisleitung weitergegeben (Beweis: S.). Bei Eltern und Schülern sei sie aufgrund ihrer kritischen Einstellung anerkannt gewesen (Beweis: R., K.). Mitte der achtziger Jahre habe sie sich mehrmals darum bemüht, das Amt der Parteisekretärin abzugeben, und zwar wegen Auseinandersetzungen mit übergeordneten Parteiorganen (Beweis: M.). Mit dieser Begründung habe auch der Kreispersonalrat der beabsichtigten Kündigung widersprochen und im übrigen auf ihr starkes außerschulisches Engagement im musikalischen Bereich hingewiesen. Schließlich sei sie nach der Wende durch Wahl der Schulkonferenz im Juni 1990 am 28. August 1990 zur stellvertretenden Direktorin ernannt worden, welches Amt sie bis zum Ausscheiden aus dem Schuldienst Ende 1991 innegehabt habe. Schon vorher sei sie zur stellvertretenden Direktorin für außerunterrichtliche Tätigkeiten berufen worden, weil ihre Vorgängerin, Frau K., an eine andere Schule wechselte. Nachdem sie ihr drittes Kind bekommen habe, habe sie bis 1983 nur als Lehrerin weitergearbeitet und später wegen der Krankheit von Frau H. wiederum vertretungsweise das Amt der stellvertretenden Direktorin ausgeübt. Auch nach dem Besuch der Bezirksparteischule 1986 sei sie zwei Jahre nur als Lehrerin eingesetzt worden und 1988 infolge Ausscheidens der Direktorin als stellvertretende Direktorin nachgerückt.
Schließlich habe der Beklagte nicht dargelegt, daß der Personalrat ordnungsgemäß angehört worden sei; dieser sei nicht ausreichend unterrichtet worden; der Beklagte sei selbst von einer Zuständigkeit des Kreispersonalrates ausgegangen. Außerdem habe der Beklagte die Kündigungsfrist des § 9 der Arbeitsanordnung für pädagogische Lehrkräfte nicht beachtet.
Die Klägerin hat – soweit in der Revisionsinstanz anhängig – beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 28. Oktober 1991 zum 31. Dezember 1991 nicht aufgelöst wurde.
Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag vorgetragen, die Tätigkeit der Klägerin als Parteisekretärin führe zu berechtigten Zweifeln an ihrer Eignung zur glaubwürdigen Vermittlung der Grundwerte der Verfassung. Innerhalb der von der SED beeinflußten Schulorganisation habe der Schulparteisekretär eine herausgehobene Lenkungs- und Kontrollfunktion gehabt. Er sei immer Mitglied der Schulleitung gewesen, habe Mitspracherecht bei jeder politischen Entscheidung des Direktors und bei Auszeichnungen und Beförderungen gehabt; er habe den Direktor hinsichtlich der Durchsetzung der vorgegebenen politischen Ziele kontrolliert und überwacht, was auch hinsichtlich der Pionierleiter gelte. Er habe über das politische Klima der Schule an die SED-Kreisleitung zu berichten gehabt, und zwar unter Nennung der Namen bei nichtlinientreuen Äußerungen. Der Parteisekretär sei für politische Inhalte der Pionierversammlungen, FDJ-Nachmittage, für Wehrunterricht usw. mitverantwortlich gewesen, ebenso wie für die Werbung für militärischen Berufsnachwuchs. Aufgrund dieser vielfältigen Aufgaben und Einflußnahmen im Sinne der SED-Bildungspolitik habe auch zur Berufung in diese Funktion eine Identifiktation mit den Zielen der SED gehört, die in der Ausübung der Funktion durchgesetzt worden sei. Im übrigen sei die Klägerin nicht nur von 1986 bis 1989 Schulparteisekretärin gewesen, sondern Parteileitungsmitglied in der A.-Schule seit 1978 bis zur Wende und zuvor schon 1974 bis 1975 im Studium. Die Klägerin sei schon im Alter von 27 Jahren nach vierjähriger Tätigkeit im Schuldienst stellvertretende Direktorin geworden. Dies sei als Indiz für eine parteigestützte Karriere zu werten.
Demgegenüber sei das Entlastungsvorbringen der Klägerin unsubstantiiert; dies gelte für ihre Behauptungen, Kritik geübt und sich um eine offene, kritische Diskussion bemüht zu haben, bei Eltern und Schülern geschätzt zu sein, und vorgehabt zu haben, die Funktion einer Parteisekretärin abzugeben. Aus der Bestätigung der Schulkonferenz als stellvertretende Direktorin lasse sich ebenfalls nichts herleiten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen; die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtsstreits (§ 565 ZPO), um dem Berufungsgericht Gelegenheit zu geben, auf das Entlastungsvorbringen der Klägerin näher einzugehen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die Kündigung sei nach den Vorschriften des Einigungsvertrages wegen mangelnder persönlicher Eignung begründet. Die Klägerin habe sich von 1979 bis 1980, dann wiederum von Herbst 1981 bis Herbst 1985 und nochmals von Herbst 1986 bis Herbst 1989 als Parteisekretärin wählen lassen und sich demnach in diesem Amt über eine Vielzahl von Jahren in besonderer Weise mit den Zielsetzungen des SED-Staates identifiziert. Wer über einen so langen Zeitraum den SED-Staat unterstützt habe, könne heute nicht glaubwürdig den gegenteiligen Standpunkt vertreten. Auch wenn ein Parteisekretär nur auf der untersten Ebene für den SED-Staat tätig gewesen sei, habe er damit doch im besonderen Maße an dessen Zielen mitgewirkt; er habe damit insbesondere die freiheitlich-demokratische Grundordnung der BRD bekämpft, denn der Parteisekretär sei Vorsitzender der Schulparteileitung gewesen, habe der Kreisleitung der SED monatlich über das politische Klima an der Schule zu berichten und Parteiversammlungen seiner Betriebsparteiorganisation zu leiten gehabt. Wenn die Klägerin diese Funktion schon wenige Jahre nach ihrer Einstellung in den Schuldienst übernommen und diese nach Unterbrechung durch das sog. Babyjahr fortgesetzt habe, und dann nochmals das Amt 1986 bis 1989 angestrebt und ausgeübt habe, so mache dies in krasser Weise deutlich, daß sie für ihre jetzige Tätigkeit persönlich ungeeignet sei. Demgegenüber sei das Entlastungsvorbringen der Klägerin pauschal und floskelhaft. Schon als Vorsitzende der Schulparteileitung habe sie eine hervorgehobene Position gehabt und demgemäß besondere Kriterien aufzeigen müssen, daß sie nunmehr auf dem Boden des Grundgesetzes stehe. Wenn sie bei Schülern und Eltern allgemein anerkannt gewesen sei, betreffe dies nur ihre fachliche Qualifikation als Lehrerin; der Versuch, das ehrenamtliche Parteiamt abzugeben, könne auf vielerlei Umständen beruhen und besage deshalb nichts über eine Abkehr von den Zielen der SED.
II. Dem folgt der Senat nur teilweise. Die Revision rügt zu Recht, das Landesarbeitsgericht habe keine ausreichenden Feststellungen zu dem Entlastungsvorbringen der Klägerin getroffen.
1. Nach Art. 20 Abs. 1 EV gelten für die Rechtsverhältnisse der Angehörigen des öffentlichen Dienstes zum Zeitpunkt des Beitritts der Neuen Länder die in der Anl. I zum Einigungsvertrag vereinbarten Regelungen. Die Klägerin unterrichtete damals an einer öffentlichen Schule und gehörte deshalb dem öffentlichen Dienst an.
2. Nach Abs. 4 Ziff. 1 EV ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspricht. Wie bei der Frage der Sozialwidrigkeit einer Kündigung gemäß § 1 KSchG handelt es sich bei der entsprechenden Eignungsfeststellung, die nach einer auf den Kündigungszeitpunkt bezogenen Einzelfallprüfung zu treffen ist (vgl. BAG Urteile vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 248/93 – n.v.; vom 17. Februar 1994 – 8 AZR 68 und 128/93 – n.v.), um die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, die vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht die Rechtsbegriffe selbst verkannt, ob es bei der Subsumtion Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (vgl. BAGE 48, 314, 319 = AP Nr. 7 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, zu B I 1 der Gründe; Senatsurteil vom 29. März 1990 – 2 AZR 369/89 – BAGE 65, 61 = AP Nr. 50 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Auch dieser eingeschränkten Überprüfung hält das angefochtene Urteil nicht stand.
3. Der früher für Kündigungen nach der genannten Vorschrift des Einigungsvertrages allein zuständige Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat für die gebotene Einzelfallprüfung folgende Grundsätze entwickelt (vgl. die zuletzt genannten Urteile des Achten Senats m.w.N.):
Die mangelnde persönliche Eignung i. S. von Abs. 4 Ziff. 1 EV ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die sich auch aus der bisherigen Lebensführung herausgebildet haben kann. Die persönliche Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes erfordert, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen muß. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: Die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.
Die hiernach zu stellenden Anforderungen haben sich an den Aufgaben des Angestellten auszurichten. Ein Lehrer muß den ihm anvertrauten Schülern glaubwürdig die Grundwerte des Grundgesetzes vermitteln. Er muß insbesondere die Gewähr dafür bieten, daß er in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen zu den Grundwerten der Verfassung steht.
Abs. 4 Ziff. 1 EV zwingt den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber nicht, gleichsam die rechtsstaatliche Einstellung eines Arbeitnehmers zunächst zu erproben. Ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen des Abs. 4 EV ist damit nicht verbunden. Es gelten nicht die Grundsätze für Einstellungen in den öffentlichen Dienst, sondern die für Kündigungen; denn durch eine auf Abs. 4 Ziff. 1 EV gestützte Kündigung wird in besonderer Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit des einzelnen Beschäftigten eingegriffen. Ein Beurteilungsspielraum kann sich nur im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallprüfung auf eine Abwägung besonders belastender Umstände bei der Identifikation mit den Staats- und Parteizielen in der ehemaligen DDR gegenüber spezifisch entlastenden Tatsachen zur persönliche Eignung des Arbeitnehmers beziehen.
Ein Lehrer ist nicht schon deshalb ungeeignet, weil er nach den früheren gesetzlichen Bestimmungen bei der Verwirklichung der Staatsziele der DDR mitzuwirken hatte. Eine mangelnde persönliche Eignung ist aber indiziert, wenn er sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer nicht nur kurzfristig Funktionen wahrgenommen hat, aufgrund derer er in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken hatte. Der kündigende Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat die vom Arbeitnehmer wahrgenommene Funktion einschließlich ihrer Grundlagen und ihrer Bedeutung in der Verfassungswirklichkeit der DDR darzulegen und ggf. zu beweisen. Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, die Annahme der besonderen Identifikation durch substantiierten Sachvortrag zu erschüttern. Dabei können neben den Umständen der früheren Tätigkeit auch sonstige die Eignung des Arbeitnehmers begründende Tatsachen berücksichtigt werden. Liegt ein dahingehender schlüssiger und nachprüfbarer substantiierter Vortrag vor, hat der Arbeitgeber darzutun, daß die behaupteten erheblichen nachprüfbaren Tatsachen nicht vorliegen oder daß trotz dieser Umstände aus weiteren Tatsachen auf eine Ungeeignetheit zu schließen ist. Eine Umkehr der im Kündigungsschutzprozeß allgemein bestehenden Beweislast findet nicht statt.
4. Dieser Rechtsprechung des Achten Senats hat sich der erkennende Senat in den Urteilen vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 201/93 – und – 2 AZR 261/93 – beide zur Veröffentlichung vorgesehen) angeschlossen, zumal sie, den Besonderheiten des Einigungsvertrages Rechnung tragend, in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des Zweiten Senats zur Kündigung von Lehrern im öffentlichen Dienst wegen Nichteignung aufgrund Zugehörigkeit zu einer als verfassungsfeindlich einzustufenden Partei steht (vgl. Senatsurteil vom 28. September 1989 – 2 AZR 317/86 – BAGE 63, 72 = AP Nr. 24 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, m.w.N.).
In der Sache ist danach von einer abgestuften Darlegungslast auszugehen: Legt der Arbeitgeber substantiiert dar, der Arbeitnehmer habe für längere Zeit eine Funktion wahrgenommen, die unbestritten in der gesellschaftlichen Realität des SED-Staates aufgrund ihrer Exponiertheit oder konkreten Aufgabenzuweisung regelmäßig eine Mitwirkung an der ideologischen Umsetzung der die freiheitlich-demokratische Grundordnung bekämpfenden Ziele der SED bedingte, so ist weiteres Vorbringen des Arbeitgebers zum konkreten Verhalten des Arbeitnehmers zunächst entbehrlich; eine solche Funktionsausübung ist an sich geeignet, den Schluß auf eine besondere Identifikation des Arbeitnehmers mit dem SED-Staat, auf eine sich hieraus ergebende mangelnde Glaubwürdigkeit bei der geschuldeten Vermittlung der Grundwerte unserer Verfassung und deshalb auf mangelnde persönliche Eignung für die Aufgabe eines Lehrers im öffentlichen Dienst zuzulassen. Es ist sodann Sache des Arbeitnehmers, sich durch substantiiertes und damit einer Beweisaufnahme zugängliches Tatsachenvorbringen zu entlasten.
Trotz eindeutiger gesetzlicher Zuweisung der Darlegungs- und Beweislast an eine Partei wird eine vergleichbare Abstufung der Darlegungslast in der Rechtsprechung auch sonst vorgenommen, wenn die beweisbelastete Partei nicht oder nur unter erheblich größeren Schwierigkeiten zu einer weitergehenden Substantiierung ihres Vorbringens in der Lage ist als die nichtbeweisbelastete bestreitende Partei. Dies rechtfertigt sich aus der prozessualen Mitwirkungspflicht gemäß § 138 Abs. 2 ZPO. Als Beispiel sei nur die Verteilung der Darlegungslast bei der sozialen Auswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG (vgl. insbesondere BAGE 62, 116, 125 f. = AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, zu B II 3 b aa der Gründe, m.w.N.) oder bei der Arbeitgeberkündigung wegen unentschuldigten Fehlens bzw. wegen der Vortäuschung von Arbeitsunfähigkeit (vgl. Senatsurteil vom 26. August 1993 – 2 AZR 154/93 – AP Nr. 112 zu § 626 BGB, zu B I 1 c cc der Gründe) genannt. Auch in Fällen wie dem vorliegenden ist diese Abstufung der Darlegungslast gerechtfertigt. Angesichts einer allenfalls partiellen Verwaltungskontinuität nach der Wiedervereinigung und angesichts des Umstandes, daß unter der Regierung Modrow zahlreiche Personalakten „gesäubert” wurden, würden die Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers überspannt, wenn man von ihm ohne konkretes Gegenvorbringen die detaillierte Darlegung verlangen würde, der mit der Umsetzung der grundgesetzfeindlichen SED-Ideologie beauftragte Funktionsträger habe im konkreten Fall die Funktion der Aufgabenstellung gemäß ausgeübt. Wie er im Einzelfall die Funktion tatsächlich ausübte, weiß der belastete Arbeitnehmer in aller Regel weitaus besser. Daher ist es ihm zumutbar, sich durch eigenen Tatsachenvortrag zu entlasten. Das Maß der gebotenen Substantiierung des Entlastungsvorbringens hängt dabei davon ab, ob der Beklagte dieses Vorbringen bestreitet. Wird es bestritten, so bedarf es des Vortrags konkreter, einer Beweisaufnahme zugänglicher Entlastungstatsachen. Der Arbeitgeber kann dann seine Ermittlungen auf die vorprozessual oder im Prozeß konkretisierten Tatsachen konzentrieren. Die Beweislast bleibt aber auch in diesen Fällen bei ihm.
5. Nach diesen Grundsätzen sieht der Senat die Kündigung der Klägerin wegen mangelnder persönlicher Eignung nach Abs. 4 Ziff. 1 EV wegen deren Parteisekretärtätigkeit aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch nicht als gerechtfertigt an.
a) Die Bedeutung der Funktion des ehrenamtlichen Parteisekretärs für die Durchsetzung der SED-Ideologie an den Schulen hat der Beklagte nur allgemein dargelegt. Traf dieser Sachvortrag zu, so hätten die Parteisekretäre als Repräsentanten der staatstragenden Partei in den Schulen der DDR in einer herausgehobenen Funktion an der ideologischen Umsetzung der grundgesetzfeindlichen Ziele der SED mitzuwirken gehabt; wer wiederholt in ein solches wichtiges Parteiamt gewählt wurde, bei dem kann auch davon ausgegangen werden, daß er sich mit den Zielen des SED-Staates besonders identifiziert hat, was ihn für die Tätigkeit als Lehrer ungeeignet macht (vgl. BAG Urteile vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 248/93 – n.v.; vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – NJ 1994, 483, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, m.w.N.; Senatsurteil vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 201/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Insofern hat das Landesarbeitsgericht aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen zur ausgeübten Funktion des Parteisekretärs zu Recht eine solche besondere Identifizierung mit den Zielen des SED-Staates angenommen. Es hat allerdings aus der allgemeinen Funktionsbeschreibung des Beklagten nur übernommen, der Parteisekretär sei Vorsitzender der Schulparteileitung gewesen, habe der Kreisleitung der SED monatlich über das politische Klima an der Schule zu berichten und die Parteiversammlungen seiner Betriebsparteiorganisation zu leiten gehabt. Die weitere, vom Beklagten behauptete Funktionsbeschreibung, nämlich der Schulparteisekretär habe ein Mitspracherecht bei politischen Entscheidungen der Schule, bei Beförderungen und Auszeichnungen gehabt, habe den Direktor kontrolliert und überwacht, habe die Verantwortung für die politische Bildung – auch gegenüber den Freundschaftspionierleitern – gehabt, sei für die Einleitung von Disziplinarverfahren zuständig gewesen, habe Einfluß auf die Elternbeiräte ausgeübt und sei verantwortlich für den militärischen Nachwuchs gewesen usw., hat das Landesarbeitsgericht seiner Entscheidung nicht ausdrücklich zugrundegelegt.
Die Klägerin hat aber ihrerseits in den Tatsacheninstanzen zu der allgemeinen Funktionsbeschreibung nichts erhebliches vorgetragen. In der Berufungsinstanz hat sie lediglich „hinsichtlich der richtigen Darstellung der Funktion” auf ihr erstinstanzliches Vorbringen verwiesen, ohne daß dort allerdings zum Inhalt der Funktion nähere Ausführungen gemacht werden. Der Satz, im übrigen sei die Parteisekretär-Funktion falsch dargestellt worden, enthält kein substantiiertes Bestreiten (§ 138 Abs. 3 ZPO). Das Landesarbeitsgericht hat im übrigen für den Senat nach § 561 ZPO verbindlich festgestellt, die Klägerin sei langjährig Vorsitzende der Schulparteileitung gewesen. Der Senat geht daher wie im Urteil vom 13. Oktober 1994 (– 2 AZR 201/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen) davon aus, die mehrmalige Tätigkeit der Klägerin als ehrenamtliche Parteisekretärin lasse an sich den Schluß zu, daß sie für eine weitere Verwendung im öffentlichen Dienst als nicht geeignet angesehen werden könne.
b) Soweit das Landesarbeitsgericht das Vorbringen der Klägerin zu ihrer individuellen Amtsführung weitgehend als unsubstantiiert und floskelhaft angesehen hat, ist ihm ebenfalls zuzustimmen. Wenn die Revision insoweit mangelnde Aufklärung streitigen Vorbringens rügt, kann ihr nicht gefolgt werden. Der Senat hat hierzu bereits entschieden (Urteil vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 201/93 –, a.a.O.), der Sachvortrag, der betreffende Lehrer habe das Amt des Parteisekretärs nur zurückhaltend ausgeübt und habe als kritischer Genosse gegolten, reiche als entlastender Umstand nicht aus. Das gleiche gilt für das Vorbringen der Klägerin, sie habe bei ihrer politisch-ideologischen Arbeit stets eine kritische Haltung eingenommen, habe Kritik an der wirtschaftlichen Entwicklung der DDR geübt und Fragen der Teilnehmer des Parteilehrjahres an die Kreisleitung weitergeleitet. Dieses Vorbringen ist inhaltlich und datenmäßig so allgemein, daß es nicht verwertbar erscheint und – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausführt – auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinauslaufen würde. Dasselbe gilt für den Vortrag, die Klägerin habe sich als Parteisekretärin um eine kritische Diskussion auch bei Parteiversammlungen bemüht, was ihr mehrfach das Unverständnis durch Vorgesetzte eingebracht habe. Das Landesarbeitsgericht hat es deshalb zu Recht abgelehnt, die hierfür benannten Zeugen zu vernehmen. Das gilt schließlich auch für den pauschalen Sachvortrag, die Klägerin sei bei Eltern und Schülern aufgrund ihrer kritischen Einstellung anerkannt gewesen.
c) Anders gewertet werden muß nach Meinung des Senats der Sachvortrag der Klägerin, sie habe sich mehrmals Mitte der achtziger Jahre darum bemüht, das Amt des Parteisekretärs wegen der Auseinandersetzungen mit übergeordneten Parteiorganen loszuwerden. Zwar wäre es wünschenswert gewesen, diesen Sachvortrag datenmäßig und bezüglich der Parteiorgane näher zu substantiieren. Insofern soll auf die Rüge mangelnder Sachaufklärung beiden Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag gegeben werden, wie es zu der mehrfachen Beendigung und Wiederaufnahme der Parteisekretär-Tätigkeit gekommen ist. Die bisherige Sachdarstellung beider Parteien läßt nicht erkennen, ob die Klägerin während der Unterbrechung aufgrund des Babyjahres und später des Besuchs der Bezirksparteischule nur vertreten worden oder ob jemand anders zum Parteisekretär gewählt worden ist. Die Umstände des jeweiligen „Aussetzers” sind nicht aufgeklärt und auch von den Parteien nicht näher erklärt worden. Sie lassen sich auch nicht ohne weiteres mit einem Babyjahr erklären, weil die Klägerin vorgetragen hatte, nach der Geburt ihres dritten Kindes habe sie bis 1983 zunächst nur als Lehrerin (nicht als stellvertretende Direktorin) weitergearbeitet. Insofern ist die Argumentation des Landesarbeitsgerichts, der Versuch, das ehrenamtliche Parteiamt abzugeben, könne auf vielerlei Umständen beruhen und besage deshalb nichts über eine Abkehr von den Zielen der SED, noch nicht tragfähig. Immerhin würde es nicht gerade für eine besondere Identifizierung der Klägerin mit den Zielen der SED sprechen, wenn sie – teilweise mit Erfolg – das Parteisekretäramt vorübergehend wegen der Schwierigkeiten mit der Parteiorganisation abgegeben hätte. In diesem Zusammenhang könnte auch von Bedeutung sein, daß die Klägerin unstreitig im Juni 1990 durch die Schulkonferenz in ihrem Amt als stellvertretende Schuldirektorin bestätigt worden und ihr am 28. August 1990 eine entsprechende Urkunde des Schulamts R. ausgehändigt worden ist. Diese Bestätigung in ihrem Amt nach der Wende könnte immerhin auch dahin auszulegen sein, die Klägerin habe sich vor der Wende gerade nicht in besonderer Weise für die SED-Ziele engagiert, anderenfalls hätte man sie immerhin ein Jahr nach der Wende nicht in ihrem Amt bestätigt (ebenso BAG Urteil vom 23. Juni 1994 – 8 AZR 320/93 – n.v., zu B 2 d der Gründe). Etwas anderes hätte allerdings dann zu gelten, wenn vor und nach der Wende im Grunde genommen die gleiche „Seilschaft” für die Wahl der Klägerin verantwortlich gewesen wäre. Insofern fällt aber auf, daß der Kreispersonalrat in seinem Widerspruch gegen die beabsichtigte Kündigung vom 24. Oktober 1991 der Klägerin bestätigt, man könne trotz der langjährigen Funktionsausübung keine politische Schuldzuweisung erkennen; dem Kreispersonalrat sei bekannt, daß die Klägerin die Funktion bereits mehrfach abgeben wollte, weil es zu Auseinandersetzungen mit übergeordneten Parteiorganen kam; u.a. deshalb sei es zur Wiederwahl als stellvertretende Direktorin für das Schuljahr 1990/91 gekommen, womit die Schulkonferenz bestätige, daß sie keine Zweifel an der Person der Klägerin hätte.
Würden sich diese Umstände tatsächlich als gegeben herausstellen, dürfte entgegen der Meinung des Landesarbeitsgerichts anzunehmen sein, daß diese Stellungnahmen nicht nur die fachliche Qualifikation der Klägerin als Lehrerin betrafen, sondern eben auch ihre Geeignetheit im Sinne des Absatz 4 Nr. 1 EV im Hinblick auf ihre politische Vergangenheit. Auch dem wird das Landesarbeitsgericht daher noch nachzugehen haben.
Unterschriften
Etzel, Bitter, Bröhl, Hayser, Beckerle
Fundstellen