Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückabwicklung rechtsgrundlos erbrachter Leistungen des Arbeitgebers
Leitsatz (amtlich)
Setzt der Arbeitnehmer trotz der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 59 Abs. 1 BAT seine bisherige Tätigkeit fort, ohne den Arbeitgeber von der Zustellung des Rentenbescheids zu unterrichten, erfolgt die Rückabwicklung der rechtsgrundlos erbrachten Arbeitgeberleistungen nach Bereicherungsrecht. Die Grundsätze des faktischen Arbeitsverhältnisses finden keine Anwendung.
Normenkette
BGB § 812 Abs. 1-2; BAT § 59 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
- Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 20. Dezember 1995 – 2 Sa 628/95 – teilweise aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 9. August 1995 – 4a Ca 341/95 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 23.474,25 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 6. Dezember 1994 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Im übrigen werden die Berufung und die Revision zurückgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rückzahlung der über das Tarifgehalt hinaus gewährten Leistungen des Arbeitgebers.
Der Beklagte war bei der Bundeswehr als Güteprüfer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) Anwendung. Ab dem 1. Februar 1993 bewilligte ihm die Seekasse mit einem am 1. März 1993 zugestellten Bescheid eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Dennoch setzte der Beklagte seine bisherige Tätigkeit fort. Seinen Dienststellenleiter informierte er erst am 12. April 1994 schriftlich über den Rentenbezug. Nach diesem Zeitpunkt wurde er nicht mehr weiterbeschäftigt, erhielt aber eine Vergütung bis Ende des Monats.
Mit Schreiben vom 30. September 1994 verlangte die Klägerin die Rückzahlung des nach dem 31. März 1993 gezahlten Urlaubsgelds und der Urlaubsvergütung in Höhe von zusammen 4.706,25 DM, von Urlaubsvergütung für 1994 von 6.038,76 DM, von den ab November 1993 geleisteten Krankenbezügen in Höhe von 3.864,64 DM, ferner die von ihr für die Jahre 1993 und 1994 geleisteten Zuschüsse zur Krankenversicherung in Höhe von insgesamt 403,34 DM sowie die von März 1993 bis April 1994 gezahlten Arbeitgeberanteile zu den vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von 169,-- DM. Außerdem verlangte sie am 11. Mai 1994 die Rückzahlung der für die Zeit vom 13. bis 30. April 1994 gezahlten Vergütung in Höhe von 3.837,60 DM. Mit einem am 18. November 1994 zugegangenen Schreiben forderte die Klägerin den Beklagten letztmals auf, den Gesamtbetrag von 23.643,25 DM innerhalb der nächsten 10 Tage zu zahlen.
Die Klägerin hat gemeint, das Arbeitsverhältnis der Parteien habe gem. § 59 Abs. 1 BAT wegen der Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit mit Ablauf des 31. März 1993 geendet. Die anschließende Tätigkeit des Beklagten sei rechtsgrundlos erfolgt. Ihm stehe Wertersatz nur für seine tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung zu.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 23.643,25 DM nebst 7 % Zinsen seit dem 6. Dezember 1994 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht gewesen, die vom Arbeitgeber erbrachten Leistungen stünden ihm nach den Grundsätzen des faktischen Arbeitsverhältnisses zu. Jedenfalls sei er entreichert. Im übrigen habe die Klägerin die Ausschlußfrist des § 70 BAT versäumt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter, während der Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist überwiegend begründet. Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten ein Zahlungsanspruch von 23.474,25 DM zu. Die Rückzahlung der ab April 1993 gewährten vermögenswirksamen Leistungen sowie die Begleichung einer 4 % übersteigenden Zinsforderung kann sie nicht verlangen.
I. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, das Arbeitsverhältnis der Parteien habe nicht nach § 59 Abs. 1 BAT mit Ablauf des 31. März 1993 geendet. Der Beklagte sei nicht erwerbsunfähig gewesen, weil er ungeachtet der Rentenbewilligung seine berufliche Tätigkeit uneingeschränkt fortgesetzt habe. Im übrigen stünden der Klägerin auch bei einer früheren Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach den Grundsätzen des faktischen Arbeitsverhältnisses keine Rückzahlungsansprüche zu.
1. Zwischen den Parteien bestand seit dem 1. April 1993 kein Arbeitsverhältnis mehr. Seitdem fehlt es an der Rechtsgrundlage für die Beschäftigung des Beklagten.
a. Nach § 59 Abs. 1 BAT endet das Arbeitsverhältnis eines Angestellten, dessen Erwerbsunfähigkeit durch Bescheid eines Rentenversicherungsträgers festgestellt wird, mit Ablauf des Monats, in dem die Zustellung des Rentenbescheides erfolgt, sofern der Angestellte eine Zusatzversorgung im Sinne der Tarifnorm erhält. Aufgrund dieser auflösenden Bedingung (ständige Rechtsprechung des Senats, Urteil vom 24. Januar 1996 – 7 AZR 602/95 – AP Nr. 7 zu § 59 BAT; Urteil vom 28. Juni 1995 – 7 AZR 555/94 – AP Nr. 6 zu § 59 BAT) hat das Arbeitsverhältnis der Parteien am 31. März 1993 geendet, weil dem Beklagten mit dem am 1. März 1993 zugestellten Bescheid ab dem 1. Februar 1993 eine Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer gewährt worden ist.
b. Für den Eintritt der das Arbeitsverhältnis auflösenden Bedingung ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Tarifnorm u.a. die Feststellung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung über die rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit maßgebend und nicht das subjektive Leistungsempfinden des betroffenen Arbeitnehmers. Auch die weitere Tätigkeit des Angestellten, die der Arbeitgeber in Unkenntnis der Rentengewährung entgegennimmt, hindert den Eintritt der Bedingung nicht. An den Verwaltungsakt des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, mit dem eine Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit bewilligt wird, sind nicht nur die Parteien, sondern auch die Gerichte für Arbeitssachen gebunden, die den Rentenbescheid nur auf seine Nichtigkeit hin überprüfen können, wofür vorliegend keine Anhaltspunkte bestehen. Eine eigenständige Bewertung des Leistungsvermögens des Arbeitnehmers wegen der Fortsetzung seiner Tätigkeit ist ihnen verwehrt.
2. Hat das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft normativer Wirkung am 31. März 1993 geendet, fehlt es für den nachfolgenden Zeitraum an einer Rechtsgrundlage für die Beschäftigung des Beklagten. Die außerhalb eines Arbeitsverhältnisses ausgetauschten Leistungen sind nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereichung abzuwickeln. Die Rechtsprechungsgrundsätze zum faktischen Arbeitsverhältnis finden keine Anwendung.
a. Die Grundsätze über das faktische Arbeitsverhältnis dienen der Bewältigung der Rechtsfolgen eines übereinstimmend in Vollzug gesetzten Arbeitsvertrages, der sich zu einem späteren Zeitpunkt als nichtig oder anfechtbar erweist. Kennzeichnend dafür ist eine zunächst von beiden Parteien gewollte Beschäftigung des Arbeitnehmers. Das rechtfertigt es, ein bereits vollzogenes Arbeitsverhältnis für die Vergangenheit wie ein fehlerfrei zustandegekommenes Arbeitsverhältnis zu behandeln. Damit ist die Rückabwicklung der wechselseitig erbrachten Leistungen ausgeschlossen (ständige Rechtsprechung des BAG, Urteil vom 15. Januar 1986 – 5 AZR 237/84 – BAGE 50, 370, 374 = AP Nr. 66 zu § 1 LohnFG, zu III 2 der Gründe, m.w.N.).
Diese Grundsätze können vorliegend schon deswegen nicht zur Anwendung gelangen, weil die Erbringung der Arbeitsleistung des Beklagten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht vom Willen beider Parteien getragen und die Arbeitsleistung des Klägers von der Beklagten nur in Unkenntnis der fehlenden Rechtsgrundlage hingenommen wurde. Denn der Beklagte hat entgegen einer nach § 59 Abs. 1 Satz 2 BAT bestehenden Mitteilungspflicht die Arbeitgeberin von der Rentengewährung nicht unverzüglich unterrichtet.
b. Statt dessen hat der Beklagte die rechtsgrundlos erhaltenen Leistungen nach den Bestimmungen über die ungerechtfertigte Bereichung herauszugeben (§ 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB). Allerdings schuldet der bereicherte Arbeitnehmer nicht die Rückzahlung des Gesamtbetrages. Es ist zu berücksichtigen, daß der Arbeitgeber seinerseits für die erhaltene Arbeitsleistung Wertersatz nach § 812 Abs. 2 BGB schuldet. Aus Rückforderung und Wertersatz ist ein Saldo zu bilden, der die Bereicherungsforderung ausmacht (ständige Rechtsprechung, BAGE 54, 232, 239 f.). Für die Ermittlung des Wertersatzes ist bedeutsam, inwieweit es sich bei den Zahlungen des Arbeitgebers um den Gegenwert für die Arbeit während des Weiterbeschäftigungszeitraums handelt. Hierfür ist entscheidend, ob die Leistung des Arbeitgebers nur die tatsächliche Erbringung der Arbeitsleistung voraussetzt oder ob mit ihr weitere Zwecke als die Entlohnung tatsächlich erbrachter Arbeitsleistung verfolgt werden (BAG Urteil vom 10. März 1987 – 8 AZR 146/84 – BAGE 54, 232, 239 f. = AP Nr. 1 zu § 611 BGB Weiterbeschäftigung, zu I 6b der Gründe; BAG Urteil vom 12. Februar 1992 – 5 AZR 297/90 – BAGE 69, 324, 329 f. = AP Nr. 9 zu § 611 BGB Weiterbeschäftigung, zu II 2 der Gründe).
c. Danach hat die Klägerin nach § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz für die tatsächliche Arbeit des Beklagten zu leisten. Dieser entspricht der monatlichen Vergütung nach der VergGr. III BAT, von deren Rückforderung sie allerdings von vornherein abgesehen hat.
aa) Dagegen ist der Beklagte zur Rückzahlung des Urlaubsentgelts sowie des Urlaubsgeldes für den im Weiterbeschäftigungszeitraum gewährten Erholungsurlaub verpflichtet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Urlaub keine Gegenleistung des Arbeitgebers für erbrachte oder noch zu erbringende Arbeitsleistungen, sondern eine gesetzlich oder tarifvertraglich bedingte Verpflichtung, den Arbeitnehmer von dessen Pflichten zur Arbeitsleistung für die Dauer des Urlaubs freizustellen. Der Entgeltanspruch des Arbeitnehmers nach § 611 BGB bleibt unberührt. Bereicherungsrechtlich steht der Leistung des Arbeitgebers keine wertersetzende Tätigkeit gegenüber; eine Saldierung entfällt.
bb) Die Klägerin hat auch einen Rückzahlungsanspruch in Höhe der geleisteten Krankenbezüge und der Zuschüsse zur Krankenversicherung, weil sie während der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Beklagten keine wertersetzende Gegenleistung erhalten hat.
cc) Der Beklagte ist weiter verpflichtet, 9/12 der Sonderzuwendung für das Jahr 1993 zurückzuzahlen. Die Zuwendung nach dem Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte des öffentlichen Dienstes ist nicht reines Arbeitsentgelt für die erbrachte Arbeitsleistung, sondern dient auch der Belohnung vergangener und künftiger Treue zum öffentlichen Dienst (BAG Urteil vom 29. August 1991 – 6 AZR 384/89 – AP Nr. 2 zu §§ 22, 23 BAT Zuwendungs-TV, zu II 2c der Gründe).
dd) Dagegen kann die Klägerin nicht die Rückzahlung der ab April 1993 erbrachten vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von insgesamt 169,00 DM verlangen. Denn diejenigen Mittel, die der Arbeitgeber zur Vermögensbildung des Arbeitnehmers beisteuert, sind Bestandteil der Vergütung für geleistete Arbeit (BAG Urteil vom 30. April 1975 – 5 AZR 187/74 – AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Vermögenswirksame Leistungen).
II. Unzutreffend ist auch die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, der Vergütungsanspruch des Beklagten für die Zeit vom 13. bis 30. April 1994 sei nicht entfallen. Da das Arbeitsverhältnis der Parteien bereits am 31. März 1993 beendet war und es damit an einer Rechtsgrundlage für die Beschäftigung fehlte, konnte sich die Klägerin jederzeit ohne Einhaltung einer Frist durch einseitige Erklärung vom Beklagten trennen bzw. die Annahme der Arbeitsleistung verweigern. Die Klägerin hat deshalb nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB einen Anspruch auf Rückzahlung der dennoch gezahlten Vergütung für diese Zeit in voller Höhe von 3.837,60 DM. Der Beklagte hat während dieser Zeit keine wertersetzende Arbeitsleistung erbracht.
III. Der Rückzahlungsverpflichtung des Beklagten steht § 818 Abs. 3 BGB nicht entgegen. Danach ist der Bereicherungsanspruch ausgeschlossen, wenn der Empfänger nicht mehr bereichert ist. Beruft sich der rechtsgrundlos überzahlte Arbeitnehmer darauf, hat er im einzelnen Tatsachen darzulegen, aus denen sich ergibt, daß die Bereicherung weggefallen ist und er überdies keine Aufwendung erspart hat, die er ohnehin gemacht hätte (BAG Urteil vom 12. Januar 1994 – 5 AZR 597/92 – AP Nr. 3 zu § 818 BGB, zu B III 2 der Gründe). Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des Beklagten nicht, weil er sich ohne Benennung konkreter Tatsachen auf die pauschale Behauptung einer Entreicherung beschränkt hat.
IV. Der Anspruch auf Rückzahlung ist nicht nach § 70 Satz 1 BAT verfallen. Der Anspruch für die Zeit bis zum 12. April 1994 wurde frühestens mit der Unterrichtung des Dienststellenleiters im April 1994 fällig. Erst ab diesem Zeitpunkt konnte die Klägerin ihre Rückforderung dem Grunde und der Höhe nach erkennen und gegenüber dem Beklagten geltend machen. Das ist am 30. September 1994 rechtzeitig geschehen. Der Rückforderungsanspruch für die Überzahlung in der zweiten Hälfte April 1994 ist bereits mit Schreiben vom 11. Mai 1994 geltend gemacht worden.
V. Der Zinsanspruch der Klägerin beruht auf § 288 Abs. 1, § 284 Abs. 1 BGB. Der Beklagte ist aufgrund der am 18. November 1994 zugegangenen Mahnung mit Fristsetzung seit dem 6. Dezember 1994 mit der Rückzahlung in Verzug. Zinsen kann die Klägerin jedoch nur in Höhe von 4 % verlangen. Die Voraussetzungen einer weitergehenden Zinsforderung (§ 288 Abs. 2, § 286 Abs. 1 BGB) hat sie nicht dargelegt.
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.
Unterschriften
Dörner, Steckhan, Schmidt, Haeusgen, Jubelgas
Fundstellen
Haufe-Index 884917 |
NJW 1998, 557 |
JR 1998, 176 |
NZA 1998, 199 |
SAE 1998, 191 |
PersR 1998, 1 |