Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung
Normenkette
ZPO § 554 Abs. 3 Nr. 3, § 554 a Abs. 1; ArbGG § 72 Abs. 5
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Inhalt der Arbeitsverhältnisse der drei Kläger und der Klägerin (nachfolgend: Kläger) zur Beklagten in verschiedener Hinsicht nach Maßgabe eines Haustarifvertrages zu Lasten der Kläger wirksam geändert worden ist.
Die nunmehr von der Beklagten als Bus-Einmannwagenfahrer beschäftigten Kläger stehen seit Anfang/Mitte der 70er Jahre in den Diensten der Beklagten. Diese nimmt als Gesellschaft des privaten Rechts die gesetzlichen Aufgaben der Freien und Hansestadt Hamburg wahr, Dienstleistungen im öffentlichen Personennahverkehr anzubieten. Nach dem von allen Klägern, von denen jedenfalls die Kläger zu 1), 2) und 4) nicht gewerkschaftlich organisiert sind, unterschriebenen Einstellungsbestätigungen sind “für das Arbeitsverhältnis … die Bestimmungen der jeweils gültigen Tarifverträge maßgebend”.
Alle Kläger erhielten für ihre Tätigkeit als Bus-Einmannwagenfahrer neben der tariflichen Vergütung nach der einschlägigen Gruppe des Vergütungstarifvertrags die “Funktionszulage gem. Anmerkung 2. [bzw. 3.]” nach diesem Tarifvertrag.
Im Jahre 1998 fanden Tarifvertragsverhandlungen zwischen der Beklagten einerseits und den Gewerkschaften ÖTV und DAG andererseits statt. Unter dem 24. November 1998 unterzeichneten die Tarifvertragsparteien ein “Ergebnisprotokoll der Tarifverhandlung bei der Hamburger Hochbahn”, das in der Präambel ausdrücklich als Tarifvertrag bezeichnet ist. Die darin enthaltenen tariflichen Regelungen, denen nach dem “Ergebnisprotokoll” Wirkung ab dem 1. Januar 1999 zukommt, sind in die Haustarifverträge der Beklagten eingearbeitet worden.
Diese Tarifregelungen bestimmen eine Reihe von Änderungen zu Lasten der unter ihren Geltungsbereich fallenden Arbeitnehmer, zB die Kürzung der Nacht- sowie der Sonn- und Feiertagszuschläge, den Wegfall der Einmannwagenfahrerzulage der Busfahrer in Höhe von 259,63 DM und die Absenkung der Höchsteingruppierung für Busfahrer von ehemals VergGr. 9 auf VergGr. 8. Zum Ausgleich für diese Einkommensverluste infolge der Tarifänderung sind in Ziff. 5 des Ergebnisprotokolls Abfindungszahlungen vereinbart worden. Danach erhalten Busfahrer 8.500,00 DM, Zugfahrer 3.500,00 DM, Haltestellenwärter, Haltestellenüberwacher/Mobiler Dienst und Weichensteller sowie Handwerker ebenfalls 3.500,00 DM, alle übrigen Mitarbeiter 2.000,00 DM. Nach Ziff. 10 des Ergebnisprotokolls sind für alle am 31. Dezember 1998 beschäftigten Mitarbeiter betriebsbedingte Kündigungen bis zum 31. März 2004 ausgeschlossen.
Gegen die Änderungen ihrer Arbeitsbedingungen sowie die dadurch eingetretenen Entgeltkürzungen wenden sich die Kläger, deren monatlicher Bruttoverdienst “zuletzt” – so ihr Vortrag in ihren Klageschriften vom 3. bzw. 4. März 1999 – ungefähr 4.800,00 DM im Monat betrug, mit ihren Klagen. Sie haben die Auffassung vertreten, in der Umsetzung der tariflichen Regelung ab dem 1. Januar 1999 liege eine Änderungskündigung, die nur unter dem Vorbehalt der Wirksamkeit angenommen werde. Mit den neuen Regelungen seien zahlreiche Verschlechterungen verbunden, allein der Wegfall der Einmannwagenfahrerzulage (Funktionszulage) und die Kürzung der Rüstzeitpauschale machten einen Betrag in Höhe von 319,90 DM brutto pro Monat aus, der für die Monate Januar 1999 bis Mai 1999 mit dem Klageantrag zu 1) verfolgt werde. Außerdem liege im Vergleich zu den U-Bahnfahrern und den übrigen Mitarbeitern ein Verstoß gegen höherrangiges Recht, nämlich Art. 3 Abs. 1 GG vor. Sie – die Kläger – würden, da nicht tarifgebunden, zudem in ihrer negativen Koalitionsfreiheit verletzt. Im übrigen verstießen die verschlechternden Regelungen gegen tragende Grundsätze des Arbeitsrechts.
Die Kläger haben zuletzt beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger/die Klägerin 1.599,50 DM brutto zu zahlen;
2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist,
a) die den Klägern/der Klägerin jeweils zustehende Funktionszulage zu gewähren,
b) die den Klägern/der Klägerin zustehende Rüstzeitpauschale in Höhe von jeweils 132,27 DM zu gewähren,
c) eine Nachtzulage in Höhe von 4,28 DM pro Stunde zu gewähren,
d) eine Sonn- und Feiertagszulage in Höhe von jeweils 4,51 DM zu gewähren,
e) Nachtstunden jeweils ab 20.00 Uhr abends zu berechnen,
g) den Zuschlag für Dienst an freien Tagen in der Woche von Montag bis Freitag in Höhe von jeweils 50 % zu gewähren,
h) den Zuschlag für den Dienst an Sonn- und Feiertagen in Höhe von 100 % zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, daß die Tarifänderung 1999 ab dem 1. Januar 1999 auch im Verhältnis zu den Klägern Wirksamkeit entfalte. Der als Ergebnisprotokoll bezeichnete Tarifvertrag vom 24. November 1998 habe die Rechtsnatur eines Tarifvertrages mit entsprechender Rechtsnormwirkung. Die vereinbarten Regelungen seien nur noch in das bestehende Regelwerk einzuarbeiten gewesen, was zwischenzeitlich geschehen sei. Die Tarifvertragsparteien seien berechtigt, verschlechternde Tarifbedingungen wirksam zu vereinbaren. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG liege nicht vor. Die teilweise frühere Umsetzung der Lohnkostenreduzierung für den Bereich der Busfahrer sei gerechtfertigt, da die Wettbewerbsbedingungen für die Sparte Bus schneller und direkter als für die Sparte U-Bahn wirksam würden.
Das Arbeitsgericht hat nach Verbindung der vormals selbständig geführten Verfahren die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision der Kläger ist gem. § 554a Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Die Revisionsbegründung entspricht nicht den Anforderungen des § 72 Abs. 5 ArbGG in Verb. mit § 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO. Denn sie greift das Berufungsurteil nur im Ergebnis an, wird aber den Anforderungen, die nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an den Inhalt der gesetzlich gebotenen Auseinandersetzung mit den Gründen den Berufungsurteils zu stellen sind, nicht hinreichend gerecht.
1. Zur ordnungsgemäßen Begründung der Revision gehört die Angabe der Revisionsgründe unter Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm. Dies erfordert grundsätzlich, daß sich die Revisionsbegründung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzt (BAG 29. Oktober 1997 – 5 AZR 624/96 – BAGE 87, 41 mwN). Zwar ist zur Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm im Sinne des § 554 Abs. 3 Nr. 3a ZPO die Angabe bestimmter Paragraphen nicht erforderlich; sogar eine falsche Bezeichnung kann unschädlich sein. Die Revisionsbegründung muß jedoch den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts aufzeigen. Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs müssen erkennbar sein. Die Revisionsbegründung muß zu den gem. § 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO gerügten Punkten eine Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert eine konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (BAG aaO mwN; BAG 1. Dezember 1999 – 7 ABR 53/98 – nv.). Dadurch soll ua. sichergestellt werden, daß der Prozeßbevollmächtigte des Revisionsklägers das angefochtene Urteil genau durchdenkt. Außerdem soll die Revisionsbegründung durch ihre Kritik des angefochtenen Urteils zur richtigen Rechtsfindung durch das Revisionsgericht beitragen (BAG 4. September 1975 – 3 AZR 230/75 – AP ZPO § 554 Nr. 15 = EzA ZPO § 554 Nr. 1; 13. April 2000 – 2 AZR 173/99 – nv.; 7. Juli 1999 – 10 AZR 575/98 – AP ZPO § 554 Nr. 32 = EzA ZPO § 554 Nr. 8). Eine Revisionsbegründung, die weder eine ordnungsgemäße Rüge einer materiellrechtlichen Rechtsverletzung noch eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge enthält, ist unzulässig (Stein/Jonas/Grunsky ZPO 21. Aufl. § 554 Rn. 9).
2. Den vorstehend dargelegten Anforderungen wird die Revisionsbegründung der Kläger nicht gerecht.
a) Die Kläger werfen dem Landesarbeitsgericht zunächst vor, dessen zutreffende Feststellung, die tarifvertraglich vorgesehenen Kürzungen belasteten sie erheblich und beträfen sie in nicht unerheblicher Weise stärker als die anderen Beschäftigtengruppen der Beklagten, “hätte Anlaß für eine intensive Überprüfung eines – unter verschiedenen Gesichtspunkten zu sehenden – etwaigen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG geben müssen. Diese Prüfung” sei “nach diesseitiger Auffassung nicht mit der erforderlichen Sorgfalt und daher in angreifbarer Art und Weise vorgenommen worden”.
Damit rügen die Kläger keinen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts. Sie halten diesen lediglich für möglich. Denn sie sprechen von einem “etwaigen” Verstoß gegen den Gleichheitssatz. Sie behaupten hingegen nicht, ein solcher liege vor, sei vom Landesarbeitsgericht aber rechtsfehlerhaft nicht erkannt worden. Auch der Vorwurf einer nicht mit der erforderlichen Sorgfalt vom Landesarbeitsgericht vorgenommenen Prüfung enthält nicht die schlüssige Darlegung eines Rechtsfehlers. Denn die Kläger machen nicht einmal geltend, das Ergebnis der Prüfung, wie sie das Landesarbeitsgericht vorgenommen hat, sei rechtsfehlerhaft und unzutreffend. Folgerichtig fehlt die Darlegung der Gründe für das Vorliegen eines – vom Landesarbeitsgericht rechtsfehlerhaft nicht erkannten – Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot.
b) Ferner werfen die Kläger dem Landesarbeitsgericht vor, es habe sich zwar mit ihrem Einwand, im wesentlichen seien die Busfahrer durch Anspruchskürzungen belastet worden, “beschäftigt, nach diesseitiger Auffassung jedoch unzureichend, was insbesondere deshalb festzustellen ist, weil es nach diesseitiger Auffassung das Vorliegen von Willkür indiziert, wenn eine einzelne Beschäftigtengruppe mit auf das Gesamtunternehmen zukommenden Kostensteigerungen belastet wird”.
Diese Ausführungen zeigen, daß die Kläger sich mit den Gründen des angefochtenen Urteils nicht auseinandergesetzt haben. Denn sie haben nicht zur Kenntnis genommen, daß das Landesarbeitsgericht mehrfach auf ihre Kritik eingeht, die Sanierungsmaßnahmen der Beklagten dürften nicht allein auf Kosten der Busfahrer erfolgen, und diese Kritik als nicht zutreffend ansieht. So zählt das Landesarbeitsgericht auf S 26/27 des Berufungsurteils ausführlich auf, welche wirtschaftlichen Einbußen sämtliche Beschäftigten der Beklagten treffen. Auch auf S 29 befaßt es sich mit dem Einwand der Kläger, den Busfahrern werde ein sie in unzulässiger Weise belastendes Sonderopfer abverlangt. Für seine Auffassung, dies sei nicht der Fall, verweist das Landesarbeitsgericht an dieser Stelle auf die höhere Ausgleichszahlung an die Busfahrer im Vergleich zu den Ausgleichszahlungen an andere Beschäftigtengruppen und die nur den Busfahrern gewährte Verpflegungspauschale.
c) Mit den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Anwendung des Haustarifvertrages 1999 auf die Arbeitsverhältnisse kraft arbeitsvertraglicher dynamischer Verweisung setzen die Kläger sich ebenfalls nicht hinreichend auseinander. Sie werfen dem Landesarbeitsgericht insoweit lediglich vor, seine Feststellung, bei den im Haustarifvertrag vereinbarten Kürzungen handele es sich um “schlicht wirtschaftliche Einbußen”, schließe logischerweise nicht aus, lege es vielmehr nahe, daß solche schlicht wirtschaftlichen Einbußen für den Betroffenen überraschend kämen und auch nachhaltig seien, was hier der Fall sei. Damit setzen die Kläger lediglich ihre Auffassung derjenigen des Landesarbeitsgerichts gegenüber, ohne darzulegen, aus welchen Gründen dessen von ihm näher begründete Auffassung rechtsfehlerhaft sei.
d) Ferner rügen die Kläger noch, “daß das Landesarbeitsgericht die – bestrittene – Behauptung der Beklagten, die in dem Tarifvertrag zum Nachteil der Kläger/Klägerin getroffenen Maßnahmen seien im Hinblick auf die im Busverkehr besonders prekäre Wettbewerbssituation – scil.: vereinbart worden, – seinen Überlegungen ohne nähere Prüfung zugrunde gelegt hat”. Dieser Frage hätte – so die Kläger – das Berufungsgericht durch Beweiserhebung “näher” nachgehen müssen.
Diese Rüge der Verletzung des § 286 ZPO durch das Landesarbeitsgericht ist unzulässig. Prozeßrügen müssen die Darlegung des Mangels enthalten, den die Revision geltend machen will. Es genügt nicht, lediglich vorzutragen, das Landesarbeitsgericht habe einer bestrittenen Behauptung durch Beweiserhebung “näher” nachgehen müssen. Vielmehr muß nach Beweisthema und Beweisantrag angegeben werden, zu welcher Behauptung das Landesarbeitsgericht eine Beweisaufnahme unterlassen habe. In der Regel ist die vorinstanzliche Fundstelle der Beweisanträge nach Schriftsatz und – jedenfalls bei umfangreichen Schriftsätzen – Seitenzahl genau anzugeben (ständige Rechtsprechung, zB BAG 18. November 1999 – 2 AZR 852/98 – BAGE 93, 12, 25 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Rüge der Kläger nicht.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schliemann, Wolter, Bott, Gotsche, Kralle-Engeln
Fundstellen