Entscheidungsstichwort (Thema)
Mindestlohn. Vergütung von Bereitschaftszeiten
Leitsatz (amtlich)
Bereitschaftszeit ist mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten.
Orientierungssatz
1. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn entsteht mit jeder geleisteten Arbeitsstunde. Dies erfordert im Zahlungsprozess die schlüssige Darlegung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. Die Behauptung einer aus dem Durchschnitt eines Zeitraums ermittelten Stundenzahl ersetzt diesen Vortrag nicht.
2. Der Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 MiLoG ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt.
3. Der Mindestlohn ist für alle Stunden zu zahlen, während derer der Arbeitnehmer die gemäß § 611 Abs. 1 BGB geschuldete Arbeit erbringt.
4. Bereitschaftszeit ist nicht nur arbeitsschutzrechtlich Arbeitszeit, sondern vergütungspflichtige Arbeit iSv. § 611 Abs. 1 BGB.
5. Die gesetzliche Vergütungspflicht des Mindestlohngesetzes differenziert nicht nach dem Grad der tatsächlichen Inanspruchnahme.
6. Werden Bereitschaftszeiten tariflich oder arbeitsvertraglich nur anteilig als Arbeitszeit berücksichtigt, ändert dies nichts daran, dass jede so erbrachte Zeitstunde mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten ist.
Normenkette
MiLoG § 1 Abs. 1-2, §§ 3, 20; BGB § 362 Abs. 1, § 611 Abs. 1, § 612 Abs. 2; TVöD § 6 Abs. 1, § 9 Abs. 1; TVöD Anhang zu § 9B
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 15. Oktober 2015 – 8 Sa 540/15 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Vergütung von Bereitschaftszeiten.
Die Beklagte betreibt einen Rettungsdienst. Der Kläger ist bei ihr als Rettungsassistent beschäftigt. Er leistet im Rahmen einer Vier-Tage-Woche mit Zwölfstundenschichten einschließlich Bereitschaftszeiten durchschnittlich 48 Stunden wöchentlich zu einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 2.680,31 Euro nebst Zulagen.
Dem Arbeitsverhältnis liegt ein schriftlicher Arbeitsvertrag zugrunde, der ua. bestimmt:
„Aufgrund der Überführung des Beschäftigungsverhältnisses auf die tarifvertraglichen Regelungen des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) treten zum 01.01.2012 an die Stelle der bestehenden Arbeitsbedingungen folgende arbeitsvertraglichen Regelungen:
Herr … wird unter Eingruppierung in Entgeltgruppe 5, Stufe 6, TVöD als vollbeschäftigter Rettungsassistent unbefristet weiterbeschäftigt. …
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach den Vorschriften des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen.
…
Bei Beschäftigten im Rettungsdienst fallen regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang Bereitschaftszeiten an. Aus diesem Grunde wird die wöchentliche Arbeitszeit unter Anwendung der Sonderregelung im Anhang zu § 9 TVöD auf durchschnittlich 48 Stunden festgesetzt. …”
Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst vom 13. September 2005 idF des Änderungstarifvertrags vom 1. April 2014 (im Folgenden TVöD) regelt ua.:
§ 6 |
Regelmäßige Arbeitszeit |
(1) |
Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen für |
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- die Beschäftigten des Bundes durchschnittlich 39 Stunden wöchentlich,
die Beschäftigten der Mitglieder eines Mitgliedsverbandes der VKA im Tarifgebiet West durchschnittlich 39 Stunden wöchentlich, … …
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(2) |
Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen. … |
… |
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(1) |
Bereitschaftszeiten sind die Zeiten, in denen sich die/der Beschäftigte am Arbeitsplatz oder einer anderen vom Arbeitgeber bestimmten Stelle zur Verfügung halten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit selbständig, ggf. auch auf Anordnung, aufzunehmen und in denen die Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen. Für Beschäftigte, in deren Tätigkeit regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang Bereitschaftszeiten fallen, gelten folgende Regelungen: |
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- Bereitschaftszeiten werden zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit gewertet (faktorisiert).
- Sie werden innerhalb von Beginn und Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit nicht gesondert ausgewiesen.
- Die Summe aus den faktorisierten Bereitschaftszeiten und der Vollarbeitszeit darf die Arbeitszeit nach § 6 Abs. 1 nicht überschreiten.
- Die Summe aus Vollarbeits- und Bereitschaftszeiten darf durchschnittlich 48 Stunden wöchentlich nicht überschreiten.
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… |
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(1) |
Die/Der Beschäftigte erhält monatlich ein Tabellenentgelt. Die Höhe bestimmt sich nach der Entgeltgruppe, in die sie/er eingruppiert ist, und nach der für sie/ihn geltenden Stufe. … |
… |
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Anhang zu § 9 |
… |
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B. |
Bereitschaftszeiten im Rettungsdienst und in Leitstellen |
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(1) |
Für Beschäftigte im Rettungsdienst und in den Leitstellen, in deren Tätigkeit regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang Bereitschaftszeiten fallen, gelten folgende besondere Regelungen zu § 6 Abs. 1 Satz 1 TVöD: |
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Die Summe aus den faktorisierten Bereitschaftszeiten und der Vollarbeitszeit darf die Arbeitszeit nach § 6 Abs. 1 nicht überschreiten. Die Summe aus Vollarbeits- und Bereitschaftszeiten darf durchschnittlich 48 Stunden wöchentlich nicht überschreiten. Bereitschaftszeiten sind die Zeiten, in denen sich die/der Beschäftigte am Arbeitsplatz oder einer anderen vom Arbeitgeber bestimmten Stelle zur Verfügung halten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit selbständig, ggf. auch auf Anordnung, aufzunehmen und in denen die Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen. Bereitschaftszeiten werden zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit gewertet(faktorisiert). Bereitschaftszeiten werden innerhalb von Beginn und Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit nicht gesondert ausgewiesen. |
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(2) |
Die zulässige tägliche Höchstarbeitszeit beträgt zwölf Stunden zuzüglich der gesetzlichen Pausen. |
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(3) |
Die allgemeinen Regelungen des TVöD zur Arbeitszeit bleiben im Übrigen unberührt. |
…” |
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Nach erfolgloser Geltendmachung weiterer Vergütung von Bereitschaftszeiten hat der Kläger im Februar 2015 Zahlungsklage erhoben, welche die Monate Januar und Februar 2015 umfasst.
Der Kläger meint, die Beklagte vergüte die Bereitschaftszeiten nicht mit dem gesetzlichen Mindestlohn. Die arbeitsvertraglich einbezogene tarifliche Vergütungsregelung sei aufgrund des Inkrafttretens des Mindestlohngesetzes unwirksam geworden. Folge sei ein Anspruch auf die übliche Vergütung in Höhe des tariflichen Tabellenentgelts von 15,81 Euro brutto/Stunde.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.237,30 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 618,65 Euro ab 1. Februar und 1. März 2015 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Der Anspruch auf gesetzlichen Mindestlohn sei erfüllt. Das Tabellenentgelt vergüte die Arbeitsleistung des Klägers, die aus Vollarbeit und Bereitschaftszeit bestehe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht zurückgewiesen. Der Anspruch des Klägers auf Vergütung der Bereitschaftszeiten ist erfüllt.
I. Die Zahlungsklage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Sie ist auf konkrete Vergütungsdifferenzen über eine Zeit von zwei Monaten gerichtet. Die Klage ist für den streitbefangenen Zeitraum als abschließende Gesamtklage zu verstehen (vgl. BAG 23. September 2015 – 5 AZR 626/13 – Rn. 12).
II. Die Klage ist unbegründet.
1. Sie ist bereits unschlüssig, weil der Kläger seine Forderung nicht nach den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden, sondern anhand eines Stundendurchschnitts begründet hat. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn entsteht mit jeder geleisteten Arbeitsstunde (§ 1 Abs. 2 iVm. §§ 20, 1 Abs. 1 MiLoG). Dies erfordert die schlüssige Darlegung der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. Die Behauptung einer aus dem Durchschnitt eines Zeitraums ermittelten Stundenzahl ersetzt diesen Vortrag nicht (vgl. BAG 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 – Rn. 19). Der Senat braucht aber nicht auf eine entsprechende Ergänzung des Vortrags des Klägers hinzuwirken, weil der Zahlungsantrag in jedem Fall unbegründet ist.
2. Der Kläger kann für Bereitschaftszeiten keine weitere Zahlung von 7,90 Euro brutto pro Stunde fordern. Ein Anspruch auf die übliche Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB besteht nicht.
a) Nach § 612 Abs. 2 BGB wird die übliche Vergütung geschuldet, wenn die arbeitsvertragliche Entgeltabrede im Streitzeitraum unwirksam war oder unwirksam geworden ist. Denn bei Unwirksamkeit einer Vergütungsvereinbarung ist die Höhe der für die versprochenen Dienste vom Arbeitgeber zu leistenden Vergütung (§ 611 Abs. 1 BGB) nicht (mehr) bestimmt, so dass der Arbeitnehmer Anspruch auf die übliche Vergütung hat (vgl. BAG 19. August 2015 – 5 AZR 500/14 – Rn. 23, BAGE 152, 228).
b) Die arbeitsvertraglich einbezogene tarifliche Vergütungsregelung ist nicht wegen des Inkrafttretens des Mindestlohngesetzes unwirksam geworden.
aa) Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers findet nach § 2 Arbeitsvertrag der TVöD Anwendung. Der Kläger ist gemäß § 1 Arbeitsvertrag in die Entgeltgruppe 5, Stufe 6 TVöD eingruppiert.
bb) Der Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 MiLoG ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt (hM Riechert/Nimmerjahn MiLoG § 1 Rn. 2; Bayreuther in Thüsing MiLoG 2. Aufl. § 1 Rn. 4; BT-Drs. 18/1558 S. 34). Das Mindestlohngesetz greift in die Entgeltvereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien und anwendbarer Entgelttarifverträge nur insoweit ein, als sie den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten. § 3 MiLoG führt bei Unterschreiten des gesetzlichen Mindestlohns zu einem Differenzanspruch (vgl. BAG 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 – Rn. 22).
Erreicht die vom Arbeitgeber tatsächlich gezahlte Vergütung den gesetzlichen Mindestlohn nicht, begründet dies von Gesetzes wegen einen Anspruch auf Differenzvergütung, wenn der Arbeitnehmer in der Abrechnungsperiode für die geleisteten Arbeitsstunden im Ergebnis nicht mindestens den in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG vorgesehenen Bruttolohn erhält (BAG 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 – Rn. 24 mwN; vgl. zu einem tariflichen Mindestlohn BAG 8. Oktober 2008 – 5 AZR 8/08 – Rn. 28, BAGE 128, 119).
c) § 612 Abs. 2 BGB gibt dem Kläger keinen Anspruch auf weitere Vergütung für Januar und Februar 2015. Die Voraussetzungen dieser Norm liegen nicht vor. Das Mindestlohngesetz hat weder die arbeitsvertragliche noch die tarifvertragliche Vergütungsregelung in ihrer Wirksamkeit berührt. Vielmehr regelt es eigenständig die Rechtsfolge einer Unterschreitung des gesetzlichen Mindestlohns, indem mit § 1 Abs. 1 MiLoG eine Anspruchsgrundlage formuliert wird (vgl. Riechert/Nimmerjahn MiLoG § 1 Rn. 4; ErfK/Franzen 16. Aufl. § 3 MiLoG Rn. 1a).
3. Der Anspruch des Klägers auf den gesetzlichen Mindestlohn nach § 1 Abs. 1 MiLoG ist durch Erfüllung erloschen.
a) Der Arbeitgeber hat den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfüllt, wenn die für einen Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit 8,50 Euro ergibt (BAG 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 – Rn. 26).
b) Erfüllung iSv. § 362 Abs. 1 BGB tritt beim Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn – wie in jedem Schuldverhältnis – ein, wenn die geschuldete Leistung bewirkt wird. Diese Leistung liegt in der Zahlung des Bruttoarbeitsentgelts, denn der gesetzliche Mindestlohn ist das als Gegenleistung für die Arbeit (mindestens) zu erbringende Entgelt (BAG 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 – Rn. 27). Ausgehend von dem in § 1 Abs. 1 MiLoG verwendeten Begriff des Mindestlohns und der in § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG bestimmten Höhe in Form eines Bruttobetrags, handelt es sich um eine Bruttoentgeltschuld des Arbeitgebers (zur Auslegung vgl. BAG 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 – Rn. 28 f.).
c) Der Arbeitgeber schuldet den gesetzlichen Mindestlohn für jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde. Der Mindestlohn ist für alle Stunden, während derer der Arbeitnehmer die gemäß § 611 Abs. 1 BGB geschuldete Arbeit erbringt, zu zahlen.
aa) Die Arbeitszeit des Klägers richtet sich nach § 3 Arbeitsvertrag iVm. § 9 Abs. 1 Satz 2 TVöD iVm. dem Anhang zu § 9 B TVöD. Danach wird die in § 6 Abs. 1 Satz 1 TVöD geregelte Arbeitszeit für Mitarbeiter im Rettungsdienst modifiziert. Die Bereitschaftszeiten werden zur Hälfte als tarifliche Arbeitszeit gewertet (faktorisiert), wobei die Summe aus diesen faktorisierten Bereitschaftszeiten und sog. Vollarbeit nicht die in § 6 Abs. 1 TVöD genannten 39 Stunden pro Woche überscheiten darf. Darüber hinaus darf die Summe aus Vollarbeit und Bereitschaftszeit durchschnittlich 48 Stunden pro Woche nicht überschreiten.
Die Tätigkeit als Rettungsassistent umfasst einen gewissen Anteil an Bereitschaftszeiten iSd. § 9 Abs. 1 Satz 1 TVöD (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Arbeitsvertrag). Es handelt sich dabei um Zeiten, in denen sich der Kläger am Arbeitsplatz oder an einer anderen von der Beklagten bestimmten Stelle zur Verfügung halten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit selbständig, ggf. auf Anordnung aufzunehmen, und in denen Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen.
bb) Bereitschaftszeit ist mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten. Bereitschaftszeit ist nicht nur arbeitsschutzrechtlich Arbeitszeit (§ 2Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 1 Nr. 1a ArbZG), sondern vergütungspflichtige Arbeit iSv. § 611 Abs. 1 BGB. Denn dazu zählt nicht nur jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient, sondern auch eine vom Arbeitgeber veranlasste Untätigkeit, während derer der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz oder einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle anwesend sein muss und nicht frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann, er also weder eine Pause (§ 4 ArbZG) noch Freizeit hat. Diese Voraussetzung ist bei der Bereitschaftszeit, die gemeinhin beschrieben wird als Zeit wacher Aufmerksamkeit im Zustand der Entspannung, gegeben. Der Arbeitnehmer muss sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort (innerhalb oder außerhalb des Betriebs) bereithalten, um im Bedarfsfalle die Arbeit aufzunehmen (vgl. BAG 19. November 2014 – 5 AZR 1101/12 – Rn. 16 mwN, BAGE 150, 82).
Die gesetzliche Vergütungspflicht des Mindestlohngesetzes differenziert nicht nach dem Grad der tatsächlichen Inanspruchnahme (Thüsing/Bayreuther MiLoG 2. Aufl. § 1 Rn. 50; Lembke NZA 2015, 70, 76; ders. NZA 2016, 1, 5; Schubert/Jerchel/Düwell Das neue Mindestlohngesetz Rn. 96; Viethen NZA-Beilage 2014, 143, 146; aA Riechert/Nimmerjahn MiLoG § 1 Rn. 66; ErfK/Franzen 16. Aufl. § 1 MiLoG Rn. 4a; diff. Thüsing/Hütter NZA 2015, 970, 973). Leistet der Arbeitnehmer vergütungspflichtige Arbeit, gibt das Gesetz einen ungeschmälerten Anspruch auf den Mindestlohn. Das Mindestlohngesetz enthält keine abweichende Regelung. Insbesondere ist auf eine Regelung verzichtet worden, wie sie die zum 1. Januar 2015 in Kraft getretene Zweite Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (2. PflegeArbbV) vom 27. November 2014 verwendet hat (§ 2 Abs. 3 für Bereitschaftsdienste und § 2 Abs. 4 für Rufbereitschaft), über deren Vereinbarkeit mit dem Mindestlohngesetz (§ 1 Abs. 3, § 24 Abs. 1 Satz 2 MiLoG) hier nicht zu entscheiden ist. Ohne eine solche im Gesetz selbst niedergelegte Staffelung fehlt es an einer Legitimation, Arbeitszeit im vergütungsrechtlichen Sinne mit weniger als dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten. Zumal das Bundesrecht mit der 2. PflegeArbbV zeigt, wie eine derartige Regelung ausgestaltet sein könnte.
Werden Bereitschaftszeiten tariflich oder arbeitsvertraglich nur anteilig als Arbeitszeit berücksichtigt, ändert dies nichts daran, dass jede so erbrachte Zeitstunde mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten ist. Der gesetzliche Mindestlohn ist zwingend und kann nicht einzel- oder tarifvertraglich gemindert oder abbedungen werden (§ 3 MiLoG). Folglich vermag eine abweichende arbeits- oder tarifvertragliche Regelung nicht den gesetzlichen Mindestlohn zu erfassen.
d) Die Beklagte hat den Mindestlohnanspruch des Klägers für die Monate Januar und Februar 2015 bereits durch die allmonatliche Zahlung des Bruttogehalts iHv. 2.680,31 Euro erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).
In diesen Monaten überschritt die gezahlte Bruttovergütung iHv. 2.680,31 Euro das Produkt der nach Behauptung des Klägers jeweils – einschließlich Bereitschaftszeit – geleisteten 208,7 Arbeitsstunden multipliziert mit 8,50 Euro (= 1.773,95 Euro brutto). Dies gilt selbst im Fall der denkbaren 228 Arbeitsstunden, die der Kläger in dem für ihn geregelten Arbeitszeitmodell mit Vollarbeit und Bereitschaftszeit in einem Kalendermonat an 19 Arbeitstagen maximal leisten kann. Auch dann übersteigt die Monatsvergütung den gesetzlichen Mindestlohn (228 Stunden zu 8,50 Euro = 1.938,00 Euro brutto), womit in jedem Fall sein Mindestlohnanspruch erfüllt ist.
III. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Müller-Glöge, Weber, Volk, Feldmeier, Reinders
Fundstellen