Entscheidungsstichwort (Thema)
Abschmelzung einer Besitzstandszulage im Bereich des Deutschen Caritasverbands I. V.. Besitzstandszulage im kirchlichen Bereich
Leitsatz (amtlich)
Die Abschmelzung der Besitzstandszulage in § 3 Abs. 2a des Anhangs D der Anlage 33 zu den Arbeitsvertragsrichtlinien idF des Beschlusses des erweiterten Vermittlungsausschusses der Regionalkommission Ost des Deutschen Caritasverbands e. V. vom 8. Dezember 2011 hält sich innerhalb der Bandbreite des Teils 4 Ziff. 2 Unterabsatz 3 des Beschlusses der Bundeskommission vom 21. Oktober 2010.
Orientierungssatz
1. Die staatliche Verpflichtung zur Gewährung von Rechtsschutz erstreckt sich auch auf die Kirchen und ihre karitativen Einrichtungen. Für Streitigkeiten, die ausschließlich die Anwendung kirchlichen Rechts zum Gegenstand haben, sind die staatlichen Gerichte zwar unzuständig. Fragen des bürgerlichen Rechts unterliegen aber als Streitigkeiten aus einem für alle geltenden Gesetz iSv. Art. 137 Abs. 3 WRV grundsätzlich der staatlichen Gerichtsbarkeit.
2. Sind die staatlichen Gerichte zuständig, müssen sie auch das kirchliche Recht anwenden, wenn von ihm die Entscheidung des Rechtsstreits abhängt. Sie sind zu einer eigenen Auslegung befugt, wenn sich die Kirchen keine Vorfragenkompetenz vorbehalten haben.
3. Mittlere Werte der monatlichen Besitzstandszulage iSv. § 10 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 AK-Ordnung 2010 sind die nicht um Steigerungsbeträge des Regelentgelts abgeschmolzenen Unterschiedsbeträge zwischen der Vergleichsjahresvergütung und dem Jahresentgelt, jeweils geteilt durch zwölf.
4. Mit Teil 4 Ziff. 2 Unterabsatz 3 ihres Beschlusses vom 21. Oktober 2010 veränderte die Bundeskommission der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbands e. V. die 15-prozentige Bandbreite des § 10 Abs. 1 Satz 2 AK-Ordnung 2010 für Vergütungsbestandteile in eine Bandbreite von 20 % nach oben und unten. Diese Kompetenz kam der Bundeskommission aufgrund von § 10 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 AK-Ordnung 2010 zu.
5. Für die Festlegung der Höhe des Vergütungsbestandteils der Besitzstandszulage innerhalb der 20-prozentigen Bandbreite nach oben und unten waren nach § 10 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 AK-Ordnung 2010 die Regionalkommissionen der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbands e. V. zuständig.
6. Die Abschmelzung der Besitzstandszulage in § 3 Abs. 2a des Anhangs D der Anlage 33 zu den AVR des Deutschen Caritasverbands e. V. idF des Beschlusses des erweiterten Vermittlungsausschusses der Regionalkommission Ost der Arbeitsrechtlichen Kommission vom 8. Dezember 2011 wahrt die Bandbreite des Teils 4 Ziff. 2 Unterabsatz 3 des Beschlusses der Bundeskommission vom 21. Oktober 2010.
Normenkette
GG Art. 140; WRV Art. 137 Abs. 3; Ordnung der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbands e. V. in der vom 1. April 2010 bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung (AK-Ordnung 2010) § 10 Abs. 1-2, § 15 Abs. 3, 5; Beschluss der Bundeskommission der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbands e. V. vom 21. Oktober 2010 Teil 4 Ziff. 1; Beschluss der Bundeskommission der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbands e. V. vom 21. Oktober 2010 Teil 4 Ziff. 2; Anhang D zur Anlage 33 zu den Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbands e. V. (AVR) Präambel; zu den Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbands e. V. (AVR) Präambel § 3; Beschluss des erweiterten Vermittlungsausschusses der Regionalkommission Ost der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbands e. V vom 8. Dezember 2011 Präambel § 3; Kirchliche Arbeitsgerichtsordnung (KAGO) § 2 Abs. 1, § 45
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 29. April 2016 – 2 Sa 372/15 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob eine Besitzstandszulage durch Verrechnung mit Entgelterhöhungen abgeschmolzen werden darf.
Die Klägerin ist bei der Beklagten als Erzieherin beschäftigt. Die Beklagte unterhält Krankenhäuser. Sie ist Teil des E Verbunds, eines kirchlichen Krankenhausträgers. Im Arbeitsvertrag der Parteien ist bestimmt, dass für das Arbeitsverhältnis die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbands e. V. (AVR) in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden sind.
AVR sind Kollektivvereinbarungen besonderer Art. Mit ihnen werden allgemeine Bedingungen für die Vertragsverhältnisse der bei den Kirchen beschäftigten Arbeitnehmer durch eine paritätisch aus Vertretern der Dienstgeber- und der Mitarbeiterseite zusammengesetzte Arbeitsrechtliche Kommission festgelegt. Die Arbeitsrechtliche Kommission des Deutschen Caritasverbands besteht aus einer Bundeskommission und sechs Regionalkommissionen. Die Zuständigkeiten der Bundeskommission und der Regionalkommissionen sind in § 10 der Ordnung der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbands e. V. (AK-Ordnung) geregelt. § 10 Abs. 1 und Abs. 2 in der vom 1. April 2010 bis zum 31. Dezember 2012 geltenden Fassung (AK-Ordnung 2010) lautet:
„§ 10 Zuständigkeiten der Bundeskommission und der Regionalkommissionen
(1) Die Bundeskommission hat eine umfassende Regelungszuständigkeit mit Ausnahme der Bereiche, die ausschließlich den Regionalkommissionen zugewiesen sind. In den ausschließlich den Regionalkommissionen zugewiesenen Bereichen bestehen Bandbreiten; sie betragen für die Festlegung der Höhe aller Vergütungsbestandteile von dem mittleren Wert 15 v. H. Differenz nach oben und nach unten, für die Festlegung des Umfangs der regelmäßigen Arbeitszeit und des Umfangs des Erholungsurlaubs von dem mittleren Wert 10 v. H. Differenz nach oben und nach unten. Die Bundeskommission legt den mittleren Wert fest; sie kann den Umfang der Bandbreiten durch Beschluss verändern.
(2) Die Regionalkommissionen sind ausschließlich zuständig für die Festlegung der Höhe aller Vergütungsbestandteile, des Umfangs der regelmäßigen Arbeitszeit und des Umfangs des Erholungsurlaubs. Dabei haben sie die von der Bundeskommission nach Absatz 1 festgelegten Bandbreiten einzuhalten. Fasst die Bundeskommission nach Aufforderung durch den Beschluss einer Regionalkommission nicht innerhalb von sechs Monaten einen Beschluss zur Festsetzung eines mittleren Wertes und des Umfangs einer Bandbreite, kann die Regionalkommission einen eigenen Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 ohne eine nach Absatz 1 Sätze 2 und 3 festgelegte Bandbreite fassen. Beschlüsse einer Regionalkommission, die außerhalb der durch die Bundeskommission festgelegten Bandbreite liegen, sind als Beschluss der äußersten von der Bundeskommission als zulässig festgelegten Bandbreite auszulegen.”
Am 21. Oktober 2010 fasste die Bundeskommission einen Beschluss, mit dessen Teil 4 Ziff. 1 eine Anlage 33 in die AVR eingefügt wurde. Dadurch sollten Sonderbestimmungen für Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst geschaffen werden. Diese Arbeitnehmer sollten künftig in S-Entgeltgruppen eingruppiert sein. Bisher nach anderen Eingruppierungsregelungen vergütete Arbeitnehmer sollten nach Anhang D zur Anlage 33 zu den AVR in das neue System übergeleitet werden.
In Teil 4 Ziff. 2 des Beschlusses der Bundeskommission vom 21. Oktober 2010 heißt es:
„2. Die Bundeskommission legt die in Ziffer 1 genannten Tabellenentgelte und sonstigen Entgeltbestandteile sowie den Umfang der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit und des Zusatzurlaubs als mittlere Werte bis zum 31.12.2012 fest.
…
Die Bundeskommission legt für die mittleren Werte eine Bandbreite von 20 v. H. nach oben und unten fest.”
Anhang D zur mit Teil 4 des Beschlusses der Bundeskommission vom 21. Oktober 2010 eingefügten Anlage 33 zu den AVR lautet auszugsweise:
„Präambel
1Zweck dieser Regelung ist es, zum einen sicherzustellen, dass der einzelne Mitarbeiter nach der Überleitung in die Anlage 33 zu den AVR durch diese Überleitung keine geringere Vergleichsjahresvergütung hat. 2Zum anderen soll erreicht werden, dass die Einrichtung bei Anwendung der Anlagen 30 bis 33 zu den AVR durch die Überleitung finanziell nicht überfordert wird (Überforderungsklausel)
…
§ 3 Besitzstandsregelung
(1) Mitarbeiter, deren bisherige Vergütung (Vergleichsvergütung) das ihnen am Tag des Inkrafttretens der Anlage 33 zu den AVR durch Beschluss der jeweiligen Regionalkommission zustehende Entgelt übersteigt, erhalten eine Besitzstandszulage.
(2) 1Die monatliche Besitzstandszulage wird als Unter- schiedsbetrag zwischen der Vergleichsjahresvergütung (Abs. 3) und dem Jahresentgelt (Abs. 4), jeweils geteilt durch 12, errechnet. 2Bei der Vergleichsberechnung sind die neuen Werte aus der zeitgleich mit dem Inkrafttreten der Anlage 33 zu den AVR von der Regionalkommission festgelegten Vergütungstabelle zugrunde zu legen.
(3) 1Die Vergleichsjahresvergütung errechnet sich als das 12-fache der am Tag vor dem Inkrafttreten der Anlage 33 zu den AVR durch Beschluss der jeweiligen Regionalkommission zustehenden Monatsvergütung, zuzüglich des Urlaubsgeldes gemäß Anlage 14 und der Weihnachtszuwendung gemäß Abschnitt XIV Anlage 1 zu den AVR.
2Zur Monatsvergütung im Sinne dieser Vorschrift gehören die Regelvergütung gemäß Abschnitt III der Anlage 1, die Kinderzulage gemäß Abschnitt V der Anlage 1, Besitzstandszulagen gemäß Anlage 1b zu den AVR und weitere regelmäßig gewährte Zulagen.”
Der am 1. Juli 2012 in Kraft getretene Beschluss der Beschlusskommission des Deutschen Caritasverbands vom 28. Juni 2012 bestimmt unter „TOP 5.1.1 Vergütungsänderungen 2012/2013” zu I Satz 1, die nachfolgend festgelegten mittleren Werte seien bis zum 31. Dezember 2013 befristet. Für die Besitzstandszulage, die in § 3 des Anhangs D zur mit Teil 4 des Beschlusses der Bundeskommission vom 21. Oktober 2010 eingefügten Anlage 33 zu den AVR geregelt ist, wurde dort kein mittlerer Wert festgelegt.
Die Beklagte fällt in den räumlichen Zuständigkeitsbereich der Regionalkommission Ost. Diese beriet über den Beschluss der Bundeskommission vom 21. Oktober 2010, konnte sich aber nicht darauf verständigen, den Beschluss für ihr Zuständigkeitsgebiet zu übernehmen. Nach erfolglosen Vermittlungsversuchen trat der erweiterte Vermittlungsausschuss der Regionalkommission Ost zusammen. Er hat nach § 15 Abs. 5 iVm. Abs. 3 AK-Ordnung 2010 über Meinungsverschiedenheiten innerhalb einer Regionalkommission zu entscheiden. Der Spruch des erweiterten Vermittlungsausschusses tritt nach § 15 Abs. 5 iVm. Abs. 3 Satz 7 AK-Ordnung 2010 an die Stelle des Beschlusses einer Regionalkommission.
Der erweiterte Vermittlungsausschuss der Regionalkommission Ost beschloss am 8. Dezember 2011, die AVR mit Wirkung vom 1. Juli 2012 um Anlage 33 – „Besondere Regelungen für Mitarbeiter im Sozial- und Erziehungsdienst” – zu ergänzen. Bestandteil dieser Regelungen ist ein Anhang D zur Anlage 33, der eine mit dem Beschluss der Bundeskommission vom 21. Oktober 2010 identische Präambel und in § 3 eine Besitzstandszulage aufweist. Anders als die Fassung der Bundeskommission sieht die Version des erweiterten Vermittlungsausschusses der Regionalkommission Ost in Abs. 2a eine Abschmelzung der Besitzstandszulage vor. Die Regelung der Besitzstandszulage lautet in Teilen:
„§ 3 Besitzstandsregelung
(1) Mitarbeiter, deren bisherige Vergütung (Vergleichsvergütung) das ihnen am 1. Juli 2012 zustehende Entgelt übersteigt, erhalten eine Besitzstandszulage.
(2) 1Die monatliche Besitzstandszulage wird als Unterschiedsbetrag zwischen der Vergleichsjahresvergütung (Abs. 3) und dem Jahresentgelt (Abs. 4), jeweils geteilt durch 12, errechnet. 2Dabei sind Vergütungsveränderungen durch Beschlüsse nach § 11 AK-Ordnung nicht zu berücksichtigen.
(2a) 1Ist der Unterschiedsbetrag nach Absatz 2 positiv, wird die monatliche Besitzstandszulage bei der nächsten Stufensteigerung des Regelentgelts mit bis zu 50 v. H. des der Steigerung entsprechenden Wertes verrechnet. 2Sofern ein Abschmelzen nach S. 1 nicht möglich ist, wird ein Betrag von bis zu 50 v. H. des der Steigerung entsprechenden Wertes mit sonstigen Vergütungssteigerungen verrechnet. 3Eine Verrechnung nach S. 1 oder S. 2 erfolgt längstens bis zum 31.12.2020.”
In der Folge wurde der Beschluss des erweiterten Vermittlungsausschusses der Regionalkommission Ost vom 8. Dezember 2011 nach den Vorgaben der Richtlinien über die Inkraftsetzung der Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbands e. V. in Kraft gesetzt.
Die Mitarbeiterseite der Bundeskommission strengte wegen der Besitzstandsabschmelzung in Anhang D § 3 Abs. 2a des Beschlusses des erweiterten Vermittlungsausschusses der Regionalkommission Ost vom 8. Dezember 2011 vor dem Kirchlichen Arbeitsgericht beim erzbischöflichen Offizialat Freiburg ein Organstreitverfahren gegen die Regionalkommission Ost nach § 45 der Kirchlichen Arbeitsgerichtsordnung (KAGO) an. Sie meinte, der Beschluss des erweiterten Vermittlungsausschusses der Regionalkommission Ost greife in die Kompetenz der Bundeskommission ein. Der Antrag blieb vor dem Kirchlichen Arbeitsgericht ebenso erfolglos wie die dagegen eingelegte Revision zum Kirchlichen Arbeitsgerichtshof der Deutschen Bischofskonferenz. Der Kirchliche Arbeitsgerichtshof hielt den Antrag für unzulässig. Das Kirchliche Arbeitsgericht könne nach § 45 Satz 2 KAGO nur durch eine Dreiviertelmehrheit der Mitglieder der Bundeskommission angerufen werden. Dieses Erfordernis sei bei einem Antrag nur der Mitarbeiterseite nicht gewahrt (vgl. KAGH 5. Juli 2013 – K 24/12 – zu II 2 der Gründe).
Die Klägerin wurde mit Wirkung vom 1. Juli 2012 in die Entgeltgruppe S 6 Stufe 5 übergeleitet und erhielt eine Besitzstandszulage.
In der Folgezeit erhöhte sich das Entgelt der Klägerin mehrfach. Für die Zeit ab April 2013 stieg das Tabellenentgelt ausgehend von den Werten auf dem Stand des 1. Juli 2012 um 1,5 %. Ab September 2013 stieg die Klägerin in Stufe 6 der Entgeltgruppe S 6 auf. Zum 1. Januar 2014 erhöhte sich das Tabellenentgelt der Klägerin erneut um 1,5 %.
Die Beklagte nahm diese Entgelterhöhungen zum Anlass, die Besitzstandszulage der Klägerin nach § 3 Abs. 2a des Anhangs D zur Anlage 33 zu den AVR in der Fassung des Beschlusses des erweiterten Vermittlungsausschusses der Regionalkommission Ost vom 8. Dezember 2011 zu kürzen.
Die Klägerin hat sich gegen die Abschmelzung der Besitzstandszulage gewandt. Der Beschluss des erweiterten Vermittlungsausschusses der Regionalkommission Ost vom 8. Dezember 2011 sei unwirksam. Er überschreite die Kompetenzen der Regionalkommission. Die Bundeskommission habe keine Anrechnung von Vergütungserhöhungen auf den Besitzstand vorgesehen und hierfür auch keine mittleren Werte und Bandbreiten festgelegt. Es sei daher festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, künftige Entgeltsteigerungen auf die Besitzstandszulage anzurechnen.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
der Beklagten aufzugeben, es zu unterlassen, ab dem 1. August 2014 Vergütungssteigerungen gemäß § 3 Abs. 2a des Anhangs D zur Anlage 33 zu den AVR nach dem Beschluss des erweiterten Vermittlungsausschusses der Regionalkommission Ost vom 8. Dezember 2011 mit der Besitzstandszulage der Klägerin zu verrechnen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Beschluss des erweiterten Vermittlungsausschusses der Regionalkommission Ost vom 8. Dezember 2011 sei rechtmäßig. Dieses Gremium habe von der Kompetenz Gebrauch gemacht, die ihm § 10 Abs. 2 AK-Ordnung 2010 verliehen habe. Selbst im Fall einer Kompetenzüberschreitung habe der Beschluss nach § 45 KAGO vor den Kirchlichen Arbeitsgerichten nicht erfolgreich angegriffen werden können. Das Kirchliche Arbeitsgerichtsverfahren akzeptiere in einem gewissen Rahmen Kompetenzüberschreitungen einzelner Gremien der Arbeitsrechtlichen Kommission. Das sei wegen des verfassungsrechtlich verbürgten Selbstbestimmungsrechts der Kirchen und ihrer karitativen Einrichtungen auch von den staatlichen Gerichten zu respektieren.
Das Arbeitsgericht hat dem als Feststellungsklage ausgelegten Antrag der Klägerin stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht abgeändert. Die Klage ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
A. Die Klage ist in der gebotenen Auslegung zulässig.
I. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, die Klägerin habe einen Feststellungsantrag iSv. § 256 Abs. 1 ZPO gestellt. Der Wortlaut des Antrags legt zwar eine Unterlassungsklage nahe. Die Klägerin hat jedoch bereits in der Klageschrift ausgeführt, sie wolle festgestellt wissen, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, künftige Vergütungssteigerungen auf die Besitzstandszulage anzurechnen. Die Vorinstanzen haben folgerichtig angenommen, das Rechtsschutzziel sei auf einen feststellenden Ausspruch gerichtet. Die Klägerin erstrebt die Feststellung, dass Entgelterhöhungen entgegen § 3 Abs. 2a des Anhangs D zur Anlage 33 zu den AVR idF des Beschlusses des erweiterten Vermittlungsausschusses der Regionalkommission Ost vom 8. Dezember 2011 nicht auf die Besitzstandszulage angerechnet werden dürfen.
II. Der Feststellungsantrag ist zulässig. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben. Der angestrebte feststellende Ausspruch ist trotz seiner nicht vollstreckbaren Wirkung geeignet, den Streit der Parteien über die Abschmelzung der Besitzstandszulage für die Zeit ab dem 1. August 2014 beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden. Das rechtfertigt die Annahme eines rechtlichen Interesses (vgl. BAG 22. September 2016 – 6 AZR 423/15 – Rn. 11 mwN).
B. Die Klage ist unbegründet.
I. Die Erfolglosigkeit des von Teilen der Bundeskommission nach § 45 KAGO angestrengten Organstreitverfahrens vor den kirchlichen Arbeitsgerichten ist für die Frage der Wirksamkeit der Regelung zur Abschmelzung des Besitzstands allerdings unerheblich.
1. Die staatliche Verpflichtung zur Gewährung von Rechtsschutz erstreckt sich auch auf die Kirchen und ihre karitativen Einrichtungen. Für Streitigkeiten, die ausschließlich die Anwendung kirchlichen Rechts zum Gegenstand haben, sind die staatlichen Gerichte zwar unzuständig. Das folgt aus Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 3 WRV. Fragen des bürgerlichen Rechts unterliegen aber als Streitigkeiten aus einem für alle geltenden Gesetz iSv. Art. 137 Abs. 3 WRV grundsätzlich der staatlichen Gerichtsbarkeit. Maßgeblich für die Abgrenzung ist der jeweilige Streitgegenstand. Sind die staatlichen Gerichte zuständig, müssen sie auch das kirchliche Recht anwenden, wenn von ihm die Entscheidung des Rechtsstreits abhängt. Sie sind zu einer eigenen Auslegung befugt, wenn sich die Kirchen keine Vorfragenkompetenz vorbehalten haben (vgl. BAG 30. April 2014 – 7 ABR 30/12 – Rn. 20, BAGE 148, 97; 11. November 2008 – 1 AZR 646/07 – Rn. 9 mwN).
2. Der Streit über die Abschmelzung der Besitzstandszulage ist keine Angelegenheit, die ausschließlich das kirchliche Recht berührt. Es geht um individuelle Ansprüche der Klägerin, die aus dem Arbeitsvertrag herrühren und deshalb dem staatlichen bürgerlichen Recht zuzuordnen sind.
3. Es besteht auch keine Vorfragenkompetenz kirchlicher Gerichte. Die kirchlichen Gerichte für Arbeitssachen sind nach § 2 Abs. 1 KAGO zwar ua. zuständig für Rechtsstreitigkeiten aus dem Recht der Kommissionen zur Ordnung des Arbeitsvertragsrechts. Die Zuständigkeit der kirchlichen Arbeitsgerichte ist nach § 2 Abs. 3 KAGO für Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis aber nicht eröffnet. Das sind – wie hier – Rechtsstreitigkeiten aus dem Individualarbeitsverhältnis zwischen dem einzelnen Mitarbeiter und seinem Dienstgeber. Nehmen die Kirchen das staatliche System der Privatautonomie in Anspruch, gilt die staatliche Rechtsschutzgarantie (vgl. Eder in Oxenknecht-Witzsch/ Stöcke-Muhlack/Eder/Schmitz/Richartz Eichstätter Kommentar MAVO § 2 KAGO Rn. 10).
II. Die in § 3 Abs. 2a des Anhangs D zur Anlage 33 zu den AVR idF des Beschlusses des erweiterten Vermittlungsausschusses der Regionalkommission Ost vom 8. Dezember 2011 vorgesehene Abschmelzung der Besitzstandszulage ist jedoch von Teil 4 Ziff. 2 des Beschlusses der Bundeskommission vom 21. Oktober 2010 gedeckt. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts trifft zu.
1. Bei der Besitzstandszulage handelt es sich um einen kollektiv geregelten Vergütungsbestandteil iSv. § 10 Abs. 2 Satz 1 AK-Ordnung 2010 (zum kollektiven Regelungscharakter Richardi RdA 2017, 1, 7 mwN).
2. Der Begriff der Vergütungsbestandteile erfasst das Entgelt für die geleistete Arbeit in seiner gesamten Zusammensetzung. Sonst wäre in § 10 Abs. 2 Satz 1 AK-Ordnung 2010 nur das Tabellenentgelt des § 12 zur Anlage 33 zu den AVR idF vom 21. Oktober 2010 genannt. Die Weite des Begriffs wird zusätzlich unterstrichen, indem die ausschließliche Kompetenz der Regionalkommission „alle” Vergütungsbestandteile erfassen soll.
a) Die Besitzstandszulage stellt deswegen einen Vergütungsbestandteil iSv. § 10 Abs. 2 Satz 1 AK-Ordnung 2010 dar. Die monatliche Besitzstandszulage errechnet sich nach § 3 Abs. 2 Satz 1 des Anhangs D zur Anlage 33 zu den AVR idF vom 21. Oktober 2010 als Unterschiedsbetrag zwischen der Vergleichsjahresvergütung und dem Jahresentgelt, jeweils geteilt durch zwölf.
b) Mit der Besitzstandsregelung in § 3 Abs. 2 Satz 1 des Anhangs D zur Anlage 33 zu den AVR idF vom 21. Oktober 2010 legte die Bundeskommission zugleich einen mittleren Wert iSv. § 10 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 AK-Ordnung 2010 fest. Das ergibt sich aus Teil 4 Ziff. 2 Unterabsatz 1 ihres Beschlusses vom 21. Oktober 2010. Danach legt die Bundeskommission ua. die in Teil 4 Ziff. 1 ihres Beschlusses vom 21. Oktober 2010 genannten Tabellenentgelte und sonstigen Entgeltbestandteile als mittlere Werte bis zum 31. Dezember 2012 fest. In Teil 4 Ziff. 1 dieses Beschlusses findet sich die Anlage 33 zu den AVR einschließlich ihrer Anhänge, dh. auch die Besitzstandsregelung in § 3 des Anhangs D zur Anlage 33 zu den AVR. Mittlere Werte der monatlichen Besitzstandszulage iSv. § 10 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 AK-Ordnung 2010 sind die nicht um Steigerungsbeträge des Regelentgelts abgeschmolzenen Unterschiedsbeträge zwischen der Vergleichsjahresvergütung und dem Jahresentgelt, jeweils geteilt durch zwölf (§ 3 Abs. 2 Satz 1 des Anhangs D zur Anlage 33 zu den AVR idF vom 21. Oktober 2010). Danach bleibt die Besitzstandszulage als mittlerer Wert von künftigen Vergütungssteigerungen unberührt.
c) Mit Teil 4 Ziff. 2 Unterabsatz 3 ihres Beschlusses vom 21. Oktober 2010 veränderte die Bundeskommission die 15-prozentige Bandbreite des § 10 Abs. 1 Satz 2 AK-Ordnung 2010 für Vergütungsbestandteile in eine Bandbreite von 20 % nach oben und unten. Diese Kompetenz kam ihr aufgrund von § 10 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 AK-Ordnung 2010 zu.
d) Für die Festlegung der Höhe des Vergütungsbestandteils der Besitzstandszulage innerhalb der 20-prozentigen Bandbreite nach oben und unten waren daher nach § 10 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 AK-Ordnung 2010 die Regionalkommissionen zuständig. Die Zuständigkeit der Regionalkommission Ost wurde nach dem gescheiterten Vermittlungsverfahren aufgrund von § 15 Abs. 5 iVm. Abs. 3 der AK-Ordnung 2010 durch die Kompetenz ihres erweiterten Vermittlungsausschusses ersetzt.
e) Die Abschmelzung der Besitzstandszulage in § 3 Abs. 2a des Anhangs D zur Anlage 33 zu den AVR idF des Beschlusses des erweiterten Vermittlungsausschusses der Regionalkommission Ost vom 8. Dezember 2011 hält sich innerhalb dieser Bandbreite.
aa) Der in der Präambel des Anhangs D zur Anlage 33 zu den AVR idF des Beschlusses der Bundeskommission vom 21. Oktober 2010 ausgedrückte Zweck der Besitzstandszulage steht dem nicht entgegen. Die Besitzstandszulage soll zum einen sicherstellen, dass der einzelne Mitarbeiter nach der Überleitung in die Anlage 33 zu den AVR durch die Überleitung keine geringere Vergütung als die Vergleichsjahresvergütung erzielt. Zum anderen soll erreicht werden, dass die Einrichtung bei Anwendung der Anlagen 30 bis 33 zu den AVR durch die Überleitung finanziell nicht überfordert wird.
bb) Die Abschmelzung der Besitzstandszulage wird diesen zum Ausgleich zu bringenden Zwecken gerecht.
(1) Der mittlere Wert iSv. § 10 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 AK-Ordnung 2010 der Unterschiedsbeträge zwischen der Vergleichsjahresvergütung und dem Jahresentgelt, jeweils geteilt durch zwölf, lässt es zu, dass die jeweilige Regionalkommission diesen von der Bundeskommission vorgegebenen Wert statisch übernimmt. Sie kann stattdessen auch innerhalb der 20-prozentigen Bandbreite des Teils 4 Ziff. 2 Unterabsatz 3 des Beschlusses der Bundeskommission vom 21. Oktober 2010 nach oben oder unten von dem mittleren Wert abweichen. In der Bandbreite kann die Regionalkommission also nach oben dynamisieren oder nach unten abschmelzen.
(2) Die Abschmelzung der Besitzstandszulage in § 3 Abs. 2a des Anhangs D zur Anlage 33 zu den AVR idF des Beschlusses des erweiterten Vermittlungsausschusses der Regionalkommission Ost vom 8. Dezember 2011 wahrt die Bandbreite. Sie führt nicht zu einem geringeren Entgelt als vor der Überleitung.
(3) Soweit es zu einer Unterschreitung des mittleren Werts des § 3 Abs. 2 Satz 1 im Anhang D zur Anlage 33 zu den AVR idF des Beschlusses der Bundeskommission vom 21. Oktober 2010 kommt, wird eine Überschreitung der Bandbreite von 20 % nach unten zulasten des Mitarbeiters jedenfalls durch das Korrektiv in § 10 Abs. 2 Satz 4 AK-Ordnung 2010 verhindert. Dort ist bestimmt, dass Beschlüsse einer Regionalkommission, die außerhalb der durch die Bundeskommission festgelegten Bandbreite liegen, als Beschluss der äußersten von der Bundeskommission als zulässig festgelegten Bandbreite auszulegen sind.
(4) Im Übrigen sieht § 3 Abs. 2a Satz 3 des Anhangs D zur Anlage 33 zu den AVR idF des Beschlusses des erweiterten Vermittlungsausschusses der Regionalkommission Ost vom 8. Dezember 2011 vor, dass eine Verrechnung nach Satz 1 oder Satz 2 dieser Regelung längstens bis zum 31. Dezember 2020 erfolgt.
f) Die Befristung der mittleren Werte in Teil 4 Ziff. 2 Unterabsatz 1 des Beschlusses der Bundeskommission vom 21. Oktober 2010 steht der Fortwirkung der abschmelzenden Regelung in § 3 Abs. 2a des Anhangs D zur Anlage 33 zu den AVR idF des Beschlusses des erweiterten Vermittlungsausschusses der Regionalkommission Ost vom 8. Dezember 2011 nicht entgegen.
aa) Nach Teil 4 Ziff. 2 Unterabsatz 1 ihres Beschlusses vom 21. Oktober 2010 legt die Bundeskommission die in Teil 4 Ziff. 1 dieses Beschlusses genannten Tabellenentgelte und sonstigen Entgeltbestandteile als mittlere Werte bis zum 31. Dezember 2012 fest.
bb) Der mittlere Wert der Besitzstandsregelung in § 3 Abs. 2 Satz 1 des Anhangs D zur Anlage 33 zu den AVR idF des Beschlusses der Bundeskommission vom 21. Oktober 2010 und die Bandbreitenregelung in Teil 4 Ziff. 2 Unterabsatz 3 dieses Beschlusses galten sowohl im Zeitpunkt der Überleitung der Klägerin in Entgeltgruppe S 6 Stufe 5 zum 1. Juli 2012 als auch in den streitgegenständlichen Zeiträumen seit dem 1. August 2014.
(1) Der am 1. Juli 2012 in Kraft getretene Beschluss der Beschlusskommission des Deutschen Caritasverbands vom 28. Juni 2012 legt unter TOP 5.1.1 zu I Satz 1 für die Besitzstandszulage in § 3 des Anhangs D zur mit Teil 4 des Beschlusses der Bundeskommission vom 21. Oktober 2010 eingefügten Anlage 33 zu den AVR keinen mittleren Wert fest.
(2) Weder die Regionalkommission Ost noch eine andere Regionalkommission forderten die Bundeskommission nach § 10 Abs. 2 Satz 3 AK-Ordnung 2010 auf, einen neuen mittleren Wert und den neuen Umfang einer Bandbreite festzusetzen. Die Festlegung des mittleren Werts durch die Bundeskommission und die von ihr getroffene Bandbreitenregelung in Teil 4 Ziff. 2 Unterabsatz 1 ihres Beschlusses vom 21. Oktober 2010 wirken deshalb ungeachtet ihrer Befristung über den 31. Dezember 2012 hinaus fort. Die Regionalkommission Ost bzw. der erweiterte Vermittlungsausschuss blieben nach § 10 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2, § 15 Abs. 5 iVm. Abs. 3 der AK-Ordnung 2010 dafür zuständig, die Höhe des Vergütungsbestandteils der Besitzstandszulage innerhalb der von der Bundeskommission vorgegebenen Bandbreite festzulegen.
C. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Fischermeier, Spelge, Gallner, Lauth, C. Klar
Fundstellen
Dokument-Index HI11197675 |