Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlegung von Baustahl als Baugewerbe
Leitsatz (redaktionell)
Verlegung von Baustahl als Baugewerbe
Normenkette
TVG § 1 Tarifverträge: Bau; BRTV-Bau § 1; Verfahrenstarifverträge-Bau
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 17.02.1989; Aktenzeichen 15 Sa 926/88) |
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 16.03.1988; Aktenzeichen 7 Ca 5163/87) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 17. Februar 1989 – 15 Sa 926/88 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Sie nimmt die Beklagte auf Beitragszahlung für die Monate Juli 1985 bis Februar 1986, April 1986 bis Dezember 1986 und Februar 1987 bis November 1987 in Anspruch.
Während des Klagezeitraums verlegte die Beklagte nach vorgegebenen Plänen Baustahl, wobei sie im wesentlichen als Subunternehmerin für zwei Auftraggeber tätig war.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, daß der Betrieb der Beklagten unter den betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge für die Sozialkassen des Baugewerbes falle, die in den im Klagezeitraum geltenden Fassungen nach § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 4 „Beton- und Stahlbetonarbeiten” sowie in Nr. 28 „Stahlbiege- und -flechtarbeiten” erfaßt hätten. Die von den Arbeitnehmern der Beklagten ausgeführten Arbeiten seien solche, die zu der Berufsgruppe der Eisenbieger und Eisenflechter rechneten. Ob die Beklagte bauliche Leistungen als Subunternehmerin oder als Hauptunternehmerin erbringe, sei für die Zuordnung des Betriebes zum Geltungsbereich der Bautarifverträge nicht maßgebend.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 115.146,06 DM zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß ihr Betrieb vom betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge für die Sozialkassen des Baugewerbes nicht erfaßt werde. Die betriebliche Tätigkeit sei nicht als Erbringung baulicher Leistungen, sondern als Lieferung verbunden mit Sonderleistungen anzusehen. Sie sei nicht Arbeitgeberin des Baugewerbes im Sinne von § 75 AFG, sondern nur Subunternehmerin zweier Auftraggeber. Bei einem Auftraggeber handele es sich um ein Fertigbetonteilwerk. Die Verlegung von Baustahl im Rahmen der Herstellung von Betonwaren in diesem Betrieb sei keine bauliche Leistung. Bei dem anderen Auftraggeber handele es sich um einen Großhandelsbetrieb. Bei Lieferungen von Baustahl an Betriebe des Baugewerbes habe dieser auch die Verlegung von Baustahl als Leistung angeboten, die dann von der Beklagten als Subunternehmerin durchgeführt worden sei.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben mit Recht erkannt, daß der Betrieb der Beklagten vom betrieblichen Geltungsbereich der allgemeinverbindlichen Verfahrenstarifverträge für die Sozialkassen des Baugewerbes erfaßt wird. Die Beklagte ist deshalb zur Beitragszahlung in der unstreitigen Höhe von 115.146,06 DM an die Klägerin verpflichtet.
Im Klagezeitraum galten bis zum 31. Dezember 1986 der allgemeinverbindliche Tarifvertrag über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im Baugewerbe vom 19. Dezember 1983 in den Fassungen vom 12. Dezember 1984 und 17. Dezember 1985 und ab 1. Januar 1987 der allgemeinverbindliche Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 12. November 1986. Vom betrieblichen Geltungsbereich dieser Verfahrenstarifverträge werden Betriebe erfaßt, in denen von den Arbeitnehmern bezogen auf den Zeitraum eines Kalenderjahres arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die in § 1 Abs. 2 der Verfahrenstarifverträge aufgeführt sind. Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte, wie Umsatz und Verdienst und auf handelsrechtliche und gewerberechtliche Kriterien kommt es nicht an (vgl. BAG Urteil vom 22. April 1987 – 4 AZR 496/86 – AP Nr. 82 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau, m.w.N.). Zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht damit an, daß für die aus der Tarifgebundenheit eines Arbeitgebers nach § 5 Abs. 4, § 4 Abs. 2 TVG folgende Beitragspflicht nicht maßgebend ist, ob für ihn die gesetzlichen Vorschriften der §§ 75, 76 AFG in Verbindung mit §§ 1 u. 2 der Baubetriebe-Verordnung vom 28. Oktober 1980 über die Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft gelten. Auch knüpfen die Tarifvertragsparteien nicht an die rechtliche Gestaltung des Auftragsverhältnisses an, so daß sich der betriebliche Geltungsbereich auch auf Betriebe erstreckt, die Leistungen als Subunternehmer erbringen.
Das Landesarbeitsgericht geht zutreffend davon aus, daß unter den betrieblichen Geltungsbereich zunächst diejenigen Betriebe fallen, in denen arbeitszeitlich überwiegend die in Abschnitt V von § 1 Abs. 2 der Verfahrenstarifverträge genannten Beispielstätigkeiten ausgeführt werden. Ist dies nicht der Fall, ist zu prüfen, ob die im Betrieb ausgeführten Tätigkeiten die allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III von § 1 Abs. 2 der Verfahrenstarifverträge erfüllen (BAGE 55, 67 = AP Nr. 79 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
Unstreitig wurde im Betrieb der Beklagten im Klagezeitraum Baustahl nach vorgegebenen Plänen verlegt. Diese Arbeiten wurden für einen Auftraggeber im Zusammenhang mit der Lieferung von Baustahl an Betriebe des Baugewerbes durchgeführt. Für den anderen Auftraggeber der Beklagten wurde der Baustahl in dessen Fertigbetonteilwerk bei der Herstellung entsprechender Produkte eingebracht. Damit wurden „Stahlbiege- und -flechtarbeiten” im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 28 der Verfahrenstarifverträge ausgeführt. Dies gilt sowohl für die Arbeiten der Beklagten im Zusammenhang mit der Lieferung von Baustahl als Subunternehmerin des entsprechenden Großhandelsbetriebes als auch für die betriebliche Tätigkeit der Beklagten im Rahmen des Fertigbetonteilwerks des anderen Auftraggebers.
Der Senat hat im Urteil vom 26. April 1989 – 4 AZR 610/88 – (zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) im einzelnen ausgeführt, daß bei Arbeiten, die unter das Tätigkeitsbeispiel „Stahlbiege- und -flechtarbeiten” des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 28 der Verfahrenstarifverträge fallen, es nicht darauf ankomme, für welche Zwecke die Stahlbiege- und -flechtarbeiten ausgeführt werden. Daran ist festzuhalten. Der für die Tarifauslegung in erster Linie maßgebende Wortlaut und der tarifliche Gesamtzusammenhang (BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung) ergeben keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Zweck der Stahlbiege- und -flechtarbeiten für die tarifliche Zuordnung maßgebend sei. Es ist weder erforderlich, daß Stahlbiege- und -flechtarbeiten in unmittelbarem Zusammenhang mit anderen baulichen Leistungen ausgeführt werden, noch daß der Betrieb überhaupt sonstige bauliche Leistungen ausführt oder die Stahlbiege- und -flechtarbeiten für einen Baubetrieb durchgeführt werden. Wenn die Tarifvertragsparteien in den Tätigkeitsbeispielen des § 1 Abs. 2 Abschnitt V der Verfahrenstarifverträge einen Zusammenhang mit baulichen Leistungen verlangen, haben sie dies durch entsprechende Formulierungen zum Ausdruck gebracht, wie zum Beispiel in Nr. 37, wonach das Verlegen von Bodenbelägen nur „in Verbindung mit anderen baulichen Leistungen” erfaßt wird oder in Nr. 38, der das Vermieten von Baumaschinen mit Bedienungspersonal betrifft, aber nur soweit sie „zur Erbringung baulicher Leistungen” eingesetzt werden. Eine solche Einschränkung enthält das hier maßgebende Tätigkeitsbeispiel der Nr. 28 nicht, so daß es auf einen Zusammenhang mit baulichen Leistungen nicht ankommt.
Diese Auslegung wird durch die Tarifgeschiente bestätigt. Nach den vor dem 1. Januar 1980 geltenden Verfahrenstarifverträgen für das Baugewerbe wurden vom fachlichen Geltungsbereich Stahlbiege- und -flechtarbeiten nur erfaßt, „soweit sie in unmittelbarem Zusammenhang mit anderen baulichen Leistungen ausgeführt werden”. Ausdrücklich nicht erfaßt wurden „Spezialbetriebe, die die Stähle nur biegen und flechten, um sie an verarbeitende Betriebe als Baustoff zu liefern”. In den seit dem 1. Januar 1980 geltenden Verfahrenstarifverträgen sind diese Einschränkungen nicht mehr enthalten. Daraus muß geschlossen werden, daß es auf einen Zusammenhang mit baulichen Leistungen nicht ankommt.
Soweit die Beklagte „Stahlbiege- und -flechtarbeiten” im Fertigbetonteilwerk eines ihrer Auftraggeber zur Herstellung von Betonwaren ausführt, hat das Landesarbeitsgericht ebenfalls zutreffend erkannt, daß insoweit nicht die Ausnahmebestimmung des Abschnitts VII Nr. 1 des § 1 Abs. 2 der Verfahrenstarifvertrage eingreift. In Abschnitt VII heißt es insoweit:
„Nicht erfaßt werden Betriebe
1. des Betonwaren und Terrazzowaren herstellenden Gewerbes,
…”
Dadurch, daß die Beklagte Baustahl im Rahmen der Herstellung von Betonwaren verlegt, stellt sie nicht selbst Betonware her. Die Herstellung von Betonwaren setzt die Verwendung von Sand, Kies, Zement und Wasser voraus. Für den Begriff der Betonware ist es unerheblich, welche Stoffe zur Verstärkung des Betonerzeugnisses verwendet werden. Selbst die Stoffe, aus denen Beton hergestellt wird, nämlich Sand, Kies, Zement und Wasser, können nicht als Betonware angesehen werden. Dies gilt erst recht nicht für Stoffe, die zur Verstärkung des Betons dienen. Als Betonware kann damit nur das Endprodukt, d.h. Erzeugnisse aus Beton angesehen werden. Teilprodukte als Bestandteile des Endprodukts sind nur dann Betonware, wenn sie selbst aus Beton hergestellt werden (BAG Urteil vom 26. April 1989 – 4 AZR 610/88 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Dies trifft für den bei der Herstellung der Betonwaren von der Beklagten verlegten Baustahl nicht zu, so daß der Betrieb der Beklagten insoweit nicht vom betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge ausgenommen ist.
Die Beklagte trägt die Kosten ihrer erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Neumann, Dr. Etzel, Dr. Freitag, Dr. Börner, H. Hauk
Fundstellen