Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablösung des Liquidationsrechts eines Chefarztes

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157, 611, 242, 625

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 13.06.1990; Aktenzeichen 15 Sa 415/89)

ArbG Wesel (Urteil vom 23.02.1989; Aktenzeichen 4 Ca 2323/89)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. Juni 1990 – 15 Sa 415/89 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger einen finanziellen Ausgleich dafür zu gewähren, daß er als Chefarzt für Anästhesie ein ihm zunächst eingeräumtes Liquidationsrecht bei den Patienten der Belegabteilungen wegen Widerrufs durch die kassenärztliche Vereinigung nicht mehr ausüben kann.

Die Beklagte ist Trägerin des St. J.-Krankenhauses in M. Der Kläger ist seit dem 1. April 1971 in diesem Krankenhaus aufgrund Anstellungsvertrages vom 14. Januar 1971 als Chefarzt für Anästhesie tätig. Der Anstellungsvertrag enthält u.a. folgende Vereinbarungen:

㤠1

… Die Anstellung erfolgt auf ein Jahr, das ist bis zum 31. März 1972 …

Nach Ablauf dieser Zeit können die Vertragsparteien in Verhandlungen darüber eintreten, ob ein endgültiger Dienstvertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen werden soll. Wird seitens des Krankenhauses der Abschluß eines endgültigen Dienstvertrages gewünscht, wird es dies dem Arzt jedoch bis spätestens einen Monat vor Ablauf des in Abs. 1 genannten Termins mitteilen.

Für den Fall, daß der Arzt das Angebot eines endgültigen Dienstvertrages bis zum Ablauf des Jahres annimmt, vereinbaren die Vertragsparteien schon jetzt, daß … für den übrigen Inhalt des endgültigen Dienstvertrages die nachstehenden Bestimmungen der §§ 2 ff. dieses Vertrages entsprechend gelten.

§ 2

Der Arzt verpflichtet sich, die Patienten seines Fachgebiets in allen Pflegeklassen des Krankenhauses ärztlich zu betreuen, im Hause konsiliarisch tätig zu werden und Zeugnisse und Gutachten für das Haus zu erstatten.

Zu seinen Dienstaufgaben gehören:

  1. die präoperative, operative und postoperative anästhesiologische Betreuung der Patienten aller operativen Abteilungen,
  2. die Behandlung, besonders Mitbehandlung aller Fälle außerhalb des operativen Bereichs, die in das Fachgebiet der Anästhesiologie fallen wie …

§ 4

Der Arzt ist berechtigt und auf Verlangen des Krankenhauses verpflichtet, im Krankenhaus folgende Nebentätigkeiten auszuüben:

  1. Ambulanz, Sprechstundenpraxis und Konsiliar- und Gutachtertätigkeit, soweit Zeugnisse und Gutachten von anderen Stellen als vom Krankenhaus angefordert werden.
  2. Mit Zustimmung des Krankenhauses gelegentlich außerhalb des Hauses konsiliarische Tätigkeit auszuüben einschließlich der gelegentlichen Ausführung von Narkose in besonders gelagerten Fällen.

Diese Nebentätigkeit darf die einwandfreie ärztliche Versorgung der stationären Kranken nicht beeinträchtigen. Die Ausübung einer vollen Kassenpraxis ist dem Arzt untersagt; die Beteiligung an der Kassenpraxis ist vom Arzt zu beantragen. …

§ 5

Dem Arzt wird gestattet, innerhalb des Krankenhauses bei allen Kranken der 1. und 2. Pflegeklasse, sowie der ärztlichen Leistungen im Rahmen der Nebentätigkeit (§ 4) und bei der Ausstellung von Zeugnissen und Gutachten, soweit sie von anderer Seite als vom Krankenhaus angefordert werden, zu liquidieren.

Bei Patienten der 3. Pflegeklasse stellt der Arzt keine Rechnung aus. …

§ 6

1. Der Arzt erhält eine Vergütung in Anlehnung an die Gruppe 1 a der Arbeitsvertragsrichtlinien des Caritas-Verbandes, einschließlich Ortszuschlag und Kindergeld in der jeweils gültigen Fassung. …

§ 12

… Mit der Genehmigung durch die kirchliche Aufsichtsbehörde tritt dieser Vertrag in Kraft.

Mündliche Vereinbarungen haben keine Gültigkeit, Abänderungen und Ergänzungen des Vertrages bedürfen der Schriftform und der Genehmigung durch die kirchliche Aufsichtsbehörde.”

Der Vertrag ist, wie sich aus seinem Text ergibt, unter dem 25. Januar 1971 von dem Bischöflichen Generalvikar in M. genehmigt worden. Die Parteien schlossen am 14. Januar 1971 eine weitere Vereinbarung, nach der sich der Kläger mit 10 % seiner Bruttoeinnahmen an den Kosten zu beteiligen hat, die der Beklagten durch zur Liquidation berechtigende Tätigkeiten des Klägers entstehen.

Das Arbeitsverhältnis wurde von den Parteien ohne weitere Verhandlungen über den 31. März 1972 hinaus fortgesetzt.

Mit Schreiben vom 30. April 1971 beantragte der Kläger bei der Kassenärztlichen Vereinigung N. eine Ermächtigung zur Durchführung von Anästhesieleistungen für die auf den Belegstationen des Krankenhauses behandelten RVO- und Ersatzkassenpatienten. In einer zur Vorlage bei der Kassenärztlichen Vereinigung bestimmten Erklärung des Klägers vom 3. Mai 1971 ist ausgeführt, die zwischen ihm und der Beklagten getroffene vertragliche Vergütungsregelung erfasse nicht die in sein Fachgebiet fallenden Leistungen bei Patienten der Belegstationen (Stationen mit sogenanntem „Kleinem Pflegesatz”). Diese Angaben wurden unter dem 4. Mai 1971 von dem damaligen Verwaltungsleiter des Krankenhauses L. durch Unterschrift und Stempel des Krankenhauses bestätigt.

Rückwirkend zum 1. April 1971 wurde dem Kläger von der Kassenärztlichen Vereinigung die beantragte Ermächtigung erteilt. Dementsprechend liquidierte der Kläger in der Folgezeit und führte 10 % der Einkünfte hieraus an die Beklagte ab.

Mit Schreiben vom 12. Juli 1979 bat die Kassenärztliche Vereinigung N. die Beklagte um Mitteilung, ob diese für die Belegabteilung einen um die Arztkosten verminderten Pflegesatz berechne und ob der Kläger im Rahmen seiner Dienstpflichten zur Betreuung der Patienten der Belegabteilungen verpflichtet sei oder aber hierfür ausdrücklich eine Nebentätigkeitsgenehmigung durch den Krankenhausträger erhalten habe. In Beantwortung dieses Schreibens teilte der damalige Verwaltungsleiter L. unter dem 9. August 1979 mit:

„…

Wir nehmen Bezug auf Ihr Schreiben vom 12. Juli 1979 und teilen Ihnen mit, daß selbstverständlich bei allen stationären Patienten in Belegabteilungen vom Krankenhaus der Kleine Pflegesatz (ohne Arztkosten) berechnet wird.

Gleichfalls bestätigen wir, daß dem Chefarzt der Anästhesieabteilung, Herrn Dr. Z., vertraglich die Nebentätigkeit zugestanden ist.”

Infolge der Änderung des Pflegekostenrechts wurden die Ermächtigungsverträge durch die Kassenärztliche Vereinigung N. mit Wirkung zum 30. September 1984 beendet. Damit ist die gesonderte Liquidationsmöglichkeit bei Patienten der Belegstationen für den Kläger seit dem 1. Oktober 1984 entfallen. Dem Kläger sind dadurch Liquidationsverluste entstanden.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger einen finanziellen Ausgleich für den bisher eingetretenen Liquidationsverlust sowie eine entsprechende Anpassung seiner Vergütung für die Zukunft. Er hat vorgetragen, er versorge auch seit dem 1. Oktober 1984 die Patienten der Belegabteilungen weiter, ohne hierfür liquidieren zu können. Dadurch seien ihm für die Zeit bis zum 30. September 1988 Einnahmen in Höhe von insgesamt 434.064,– DM brutto entgangen. Für die Zeit ab 1. Oktober 1988 hat der Kläger einen monatlich zu zahlenden Ausgleichsbetrag von 9.043,– DM brutto errechnet.

Der Kläger hat geltend gemacht, das Liquidationsrecht bei Patienten der Belegstationen sei Bestandteil der ihm vertraglich zugesicherten Vergütung geworden. Zwar räume ihm der Vertrag vom 14. Januar 1971 ein besonderes Liquidationsrecht für die Belegabteilungen nicht ausdrücklich ein; dies sei aber durch spätere Vertragsänderung geschehen. Bereits in der ersten Zeit seiner Tätigkeit habe sich gezeigt, daß seine Einnahmen aus der Privatliquidation äußerst gering sein würden. Man habe sich deshalb bemüht, eine angemessene Vergütungsregelung zu finden. Ergebnis dieser Verhandlungen sei der Antrag auf Liquidationsermächtigung auch für die Belegabteilungen gewesen. Dabei habe der damalige Verwaltungsleiter L. durch die Erklärung vom 4. Mai 1971 gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung bestätigt, daß die Versorgung der Belegpatienten nicht zu den mit der vereinbarten Vergütung abgegoltenen Dienstaufgaben des Klägers gehöre. Diese Erklärung sei mit Schreiben vom 9. August 1979 bestätigt worden. Dabei habe der Verwaltungsleiter, dem auch sonst alle rechtsverpflichtenden Angelegenheiten überlassen worden seien, ohne Mitwirkung des Kirchenvorstands mit rechtsverbindlicher Wirkung für die Beklagte handeln können. Dadurch sei ihm, dem Kläger, in Abänderung des ursprünglichen Vertrages ein Liquidationsrecht bei Patienten der Belegstationen eingeräumt worden.

Zumindest habe die Beklagte ihm eine derartige Liquidationsbefugnis stillschweigend dadurch eingeräumt, daß sie in Kenntnis der Ermächtigungsverträge die Ausübung des Liquidationsrechts über einen Zeitraum von 13 Jahren hinweg geduldet habe. Die hierin zu sehende stillschweigende Zustimmung zu einer außerhalb des schriftlichen Anstellungsvertrages liegenden besonderen Liquidationsbefugnis werde vor allem dadurch deutlich, daß die Beklagte im Rahmen der Abgabenvereinbarung auch von diesen Liquidationseinnahmen 10 % entgegengenommen habe.

Dieser Vertragsänderung stehe weder die in § 12 des Vertrages vereinbarte Schriftformklausel noch § 14 des Preußischen Gesetzes über die Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens entgegen. Einen vereinbarten Formzwang könnten die Vertragspartner jederzeit formlos wieder aufheben, was auch stillschweigend, insbesondere durch jahrelanges Verhalten möglich sei. Im übrigen könne sich die Beklagte nunmehr nicht auf einen etwaigen Formverstoß berufen, weil sie selbst jahrelang ihren Anteil an den entsprechenden Liquidationseinnahmen entgegengenommen habe.

Nach dem Wegfall der vertraglich eingeräumten Liquidationsbefugnis bestehe kein angemessenes Verhältnis zwischen den vereinbarten gegenseitigen Leistungen mehr. Deshalb müsse nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eine Vertragsanpassung durch Gewährung eines finanziellen Ausgleichs erfolgen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

  1. an ihn 434.064,– DM brutto zu zahlen sowie
  2. ab dem 1. Oktober 1988 für die Fortdauer des Arbeitsverhältnisses zu ungeänderten Arbeitsbedingungen monatlich weitere 9.043,– DM brutto zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Liquidationsmöglichkeit bei Belegpatienten sei nicht Bestandteil der vertraglichen Vergütung des Klägers. Diesem obliege nach dem Anstellungsvertrag als Dienstaufgabe die gesamte anästhesiologische Betreuung der Patienten aller operativen Abteilungen und damit auch die Versorgung der Belegpatienten. Die entsprechenden Leistungen des Klägers seien deshalb durch die vertraglich vereinbarte Vergütung abgegolten. Eine Liquidationsbefugnis sei dem Kläger nur in den in § 5 des Anstellungsvertrages abschließend genannten Fällen, nicht aber bezüglich der Patienten auf den Belegstationen eingeräumt worden.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den Erklärungen des ehemaligen Verwaltungsleiters L. Aus diesen lasse sich entnehmen, daß dem Kläger ein über den Anstellungsvertrag hinausgehendes Liquidationsrecht habe eingeräumt werden sollen. Darüber hinaus sei der Verwaltungsleiter nicht bevollmächtigt gewesen, mit dem Kläger verbindliche Vereinbarungen zu treffen. Vielmehr ergebe sich aus § 12 des Anstellungsvertrages, daß Vertragsänderungen der Beteiligung des Kirchenvorstandes bedürften. Willenserklärungen des Kirchenvorstandes seien aber gemäß § 14 des Preußischen Gesetzes über die Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens an eine strenge Form gebunden. Die im Vertrag vereinbarte Schriftformklausel beruhe daher auf einer zwingenden Gesetzesnorm und könne nicht durch bloße Vereinbarung der Parteien abbedungen werden.

Aus dem gleichen Grund komme letztlich auch eine stillschweigende Vertragsänderung durch tatsächliche Handhabung nicht in Betracht. Im Hinblick auf die auch dem Kläger bekannten strengen Formvorschriften habe sich ein Vertrauenstatbestand nicht entwickeln können. Aus der Entgegennahme von 10 % aller Liquidationseinnahmen lasse sich schon deshalb keine stillschweigende Vertragsänderung ableiten, weil der Kläger insoweit lediglich pauschale Angaben gemacht habe, für sie, die Beklagte, also nicht ersichtlich gewesen sei, welche Beträge im einzelnen aus der Behandlung von Belegpatienten stammten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit der der Kläger sein Klageziel weiterverfolgt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Dem Kläger steht ein Ausgleich für den Wegfall der Liquidationsmöglichkeit bei Patienten der Belegabteilungen nicht zu.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger könne keinen Ausgleich für die entfallene Liquidationsmöglichkeit beanspruchen. Diese sei nicht Geschäftsgrundlage des Vertrages der Parteien gewesen. Eine besondere Liquidationsbefugnis für Leistungen gegenüber Belegpatienten enthalte der Vertrag nicht. Dessen § 5 zähle die Liquidationsbefugnisse vielmehr abschließend auf. Da die anästhesiologische Behandlung der Patienten aller Abteilungen danach als Dienstaufgabe des Klägers vereinbart worden sei, müsse davon ausgegangen werden, daß alle nicht in § 5 geregelten Tätigkeiten mit der Vergütung nach § 6 des Anstellungsvertrages abgegolten sein sollten.

Dieser Vertragsinhalt sei auch später nicht dahin geändert worden, daß die Liquidationsbefugnis des Klägers bei Leistungen für Belegpatienten nunmehr Teil der von der Beklagten geschuldeten Vergütung sein solle. Den Erklärungen des damaligen Verwaltungsleiters L. sei nicht zu entnehmen, daß dieser damit eine neue Verbindlichkeit der Beklagten gegenüber dem Kläger habe begründen wollen. Eine solche hätte für die Beklagte ohnehin nicht entstehen können, da nach § 1 Abs. 1 des Preußischen Gesetzes über die Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens die rechtsgeschäftliche Vertretung einer Kirchengemeinde ausschließlich dem Kirchenvorstand obliege.

Eine nachträgliche Erweiterung der Liquidationsbefugnisse lasse sich auch nicht damit begründen, daß die Beklagte die zusätzliche Liquidation durch den Kläger über Jahre hinweg widerspruchslos hingenommen habe. Nach § 14 des Preußischen Gesetzes über die Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens verpflichte eine Erklärung des Kirchenvorstands die Kirchengemeinde nur dann, wenn sie vom Vorsitzenden und zwei Mitgliedern schriftlich unter Beidrückung des Amtssiegels abgegeben werde. Diese Form sei hier nicht gewahrt. Auf die fehlende Einhaltung der Formvorschrift könne sich die Beklagte auch berufen. In § 12 des Anstellungsvertrages sei auf das Schriftformerfordernis ausdrücklich hingewiesen. Der Kläger habe daher erkennen und wissen müssen, daß er nur einer die Schriftform wahrenden Erklärung des Kirchenvorstandes vertrauen dürfe.

Dem ist beizupflichten.

II. 1. Der Senat hat seit der Entscheidung vom 4. Mai 1983 (BAGE 42, 336, 343 f. = AP Nr. 12 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag) in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß der in einem Krankenhaus angestellte Chefarzt für Anästhesie vom Krankenhausträger nach Treu und Glauben wegen Änderung der Geschäftsgrundlage (§ 242 BGB) Vertragsanpassung in Gestalt eines angemessenen finanziellen Ausgleichs verlangen kann, wenn er ein ihm vertraglich eingeräumtes Liquidationsrecht für Leistungen im Belegarztbereich gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung nach der Änderung des Pflegekostenrechtes nicht mehr ausüben kann. Zur Begründung hat der Senat im wesentlichen ausgeführt, in Fällen, in denen die bis zum Inkrafttreten der neuen Pflegesatzregelungen bestehende Liquidationsbefugnis Bestandteil der vertraglich vereinbarten Vergütung und damit Teil der Geschäftsgrundlage des Vertrages gewesen sei, sei durch die eingetretene Gesetzesänderung diese Geschäftsgrundlage wesentlich verändert worden. Dies habe zur Folge, daß nunmehr Leistung und Gegenleistung nicht mehr in dem zunächst vereinbarten Verhältnis stünden. Da der betroffene Chefarzt dieses sich aus der Gesetzesänderung ergebende Risiko nicht zu tragen brauche, sei bei unverändert bestehender Verpflichtung zur ärztlichen Versorgung der Kassenpatienten auf den Belegstationen die Vergütung gemäß § 242 BGB entsprechend anzupassen. Diese Rechtsauffassung hat der Senat in mehreren weiteren Entscheidungen bekräftigt (vgl. die nicht veröffentlichten Senatsurteile vom 4. September 1985 – 5 AZR 13/84 –, vom 8. April 1987 – 5 AZR 121/86 –, vom 17. Februar 1988 – 5 AZR 575/86 – und vom 17. Oktober 1990 – 5 AZR 630/89 –).

2. Das dem Kläger aufgrund des Ermächtigungsvertrages vom 26. Mai 1971 eingeräumte Liquidationsrecht bei Patienten der Belegabteilungen ist durch wirksamen Widerruf bzw. Kündigung seitens der Kassenärztlichen Vereinigung zum 30. September 1984 entfallen. Diese Folge beruht auf der Änderung des Pflegekostenrechtes.

Bis zur am 1. Januar 1974 in Kraft getretenen Änderung des Pflegekostenrechts konnte sich der Kläger an der kassenärztlichen Versorgung der Patienten beteiligen, die auf den Belegabteilungen des Krankenhauses von freiberuflich tätigen Kassenärzten behandelt wurden. Diese Rechtslage hat sich jedoch durch das Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze – KHG – vom 29. Juni 1972 (BGBl I S. 1009) und die auf diesem Gesetz beruhende Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze – Bundespflegesatzverordnung, BPflV – vom 25. April 1973 (BGBl I S. 333) wesentlich geändert. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 KHG sind die Pflegesätze für alle Benutzer nach einheitlichen Grundsätzen zu bemessen. In Konkretisierung dieses Grundprinzips bestimmt § 3 Abs. 1 BPflV, daß für jedes Krankenhaus ein allgemeiner Pflegesatz festzusetzen ist, durch den alle unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses medizinisch zweckmäßigen und ausreichenden Krankenhausleistungen (allgemeine Krankenhausleistungen) abgegolten werden. Eine Ausnahme läßt § 3 Abs. 2 BPflV nur für Belegärzte zu; deren Leistungen werden nach wie vor gesondert über die Kassenärztliche Vereinigung abgerechnet, während das Krankenhaus insoweit nur einen verminderten Pflegesatz berechnen kann. Zu den allgemeinen Krankenhausleistungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BPflV zählen aber nach der Begriffsbestimmung in § 2 Nr. 5 BPflV insbesondere die ärztlichen Leistungen, sofern das Krankenhaus sie anbietet. Daher dürfen ärztliche Leistungen, die von den sogenannten Funktionsärzten (Anästhesisten, Radiologen, Laborärzten) auf den Belegabteilungen erbracht werden, nicht mehr gesondert über die Kassenärztlichen Vereinigungen abgerechnet werden, sie müssen vielmehr als allgemeine Krankenhausleistungen und damit als Kosten des Krankenhausträgers in die Berechnung des Pflegesatzes eingehen und sind daher mit diesem Pflegesatz bereits abgegolten (vgl. BSGE 44, 244, 249 f.; BSGE 52, 181 f.; BAGE 42, 336, 345 = AP Nr. 12 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag; BAGE 30, 1, 4 = AP Nr. 4 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag; BAGE 32, 249, 254 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag; nicht veröffentlichte Senatsentscheidungen vom 4. September 1985 – 5 AZR 13/84 – und vom 8. April 1987 – 5 AZR 121/86 –). Während in der ersten Zeit nach Inkrafttreten dieses neuen Pflegesatzrechts noch Unsicherheit darüber herrschte, ob die Krankenkassen nicht doch zur Abrechnung der von Funktionsärzten auf den Belegabteilungen erbrachten Leistungen verpflichtet seien, kann jedenfalls seit der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 7. Oktober 1981 (BSGE 52, 181) als endgültig geklärt angesehen werden, daß der in einem Krankenhaus angestellte Chefarzt für Anästhesie keinen Anspruch gegen die Kassenärztliche Vereinigung hat, zur Durchführung und Abrechnung anästhesiologischer Leistungen auf Belegabteilungen ermächtigt zu werden. Angesichts dieser Rechtslage war deshalb die Kassenärztliche Vereinigung N. berechtigt und verpflichtet, die ihrerseits dem Kläger eingeräumte Beteiligung an der kassenärztlichen Versorgung der Patienten auf den Belegabteilungen zu widerrufen (vgl. insoweit BAGE 42, 336, 345 = AP Nr. 12 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag, zu I 2 c der Gründe).

3. Der damit ab 1. Oktober 1984 eingetretene Wegfall der Liquidationsbefugnisse des Klägers bei Patienten der Belegabteilungen könnte aber nur dann einen Ausgleichsanspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage auslösen, wenn die ursprünglich ausgeübte Liquidationsbefugnis Bestandteil der Vergütung war, welche die Beklagte dem Kläger aufgrund des Anstellungsvertrages schuldet (vgl. insoweit Senatsentscheidung vom 17. Oktober 1990 – 5 AZR 630/89 –, nicht zur Veröffentlichung vorgesehen). Das ist jedoch mit dem Landesarbeitsgericht zu verneinen.

a) Der von den Parteien zunächst befristet bis zum 31. März 1972 abgeschlossene Anstellungsvertrag ist entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung inhaltlich nach wie vor für das Arbeitsverhältnis der Parteien maßgeblich. Unabhängig davon, ob die Parteien die im Vertrag vorgesehenen Verlängerungsverhandlungen geführt haben, gilt der Vertrag gemäß § 625 BGB unverändert weiter. Die Parteien haben das Arbeitsverhältnis nämlich über den 31. März 1972 hinaus fortgesetzt, ohne daß eine Seite widersprochen oder sonst zum Ausdruck gebracht hätte, den Vertrag nicht fortsetzen zu wollen. Der Vertrag gilt daher kraft Gesetzes mit allen bisherigen Rechten und Pflichten weiter (vgl. KR-Hillebrecht, 3. Aufl., § 625 BGB, S. 1823 Rz 40 f., mit weiteren Nachweisen). Dies wird bestätigt durch die in § 1 des Anstellungvertrages getroffene Regelung, daß für einen endgültigen Dienstvertrag die §§ 2 ff. des ursprünglichen Dienstvertrages entsprechend gelten sollten.

b) Gemäß § 2 des Anstellungsvertrages gehört zu den ausdrücklich aufgeführten Dienstaufgaben des Klägers die präoperative, operative und postoperative anästhesiologische Betreuung der Patienten aller operativen Abteilungen sowie die Behandlung bzw. Mitbehandlung aller Fälle außerhalb des operativen Bereichs, die in das Fachgebiet der Anästhesiologie fallen. Damit gehörten, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, auch die anästhesiologischen Leistungen bei Patienten der Belegabteilungen zu den dem Kläger vertraglich obliegenden Pflichten. Dies räumt auch die Revision ein. Diesen im einzelnen aufgezählten Dienstaufgaben standen ebenfalls ausdrücklich geregelte Vergütungsabreden gegenüber. In § 6 des Anstellungsvertrages haben die Parteien geregelt, daß der Kläger eine Vergütung in Anlehnung an die Gruppe 1 a der AVR des Caritas-Verbandes erhalten solle. Darüber hinaus wurden dem Kläger in § 5 des Vertrages im einzelnen aufgeführte Liquidationsrechte eingeräumt. Diese beziehen sich jedoch ausdrücklich nur auf Patienten der ersten und zweiten Pflegeklasse sowie auf ärztliche Leistungen im Rahmen der nach § 4 des Vertrages zulässigen Nebentätigkeiten, nicht aber auf die Erbringung von Anästhesieleistungen bei Patienten der Belegstationen. Da diese auch nicht den Nebentätigkeiten des Klägers zugerechnet werden können, sondern zu seinen Dienstaufgaben gehören, fehlt es insoweit an der Einräumung eines Liquidationsrechtes. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß diese vertraglich getroffenen Vergütungsabreden nicht abschließend sein sollten. Vielmehr haben die Parteien durch die Regelung bestimmter Liquidationsbefugnisse in § 5 des Vertrages zum Ausdruck gebracht, daß alle anderen Dienstaufgaben mit der in § 6 vereinbarten Vergütung abgegolten sein sollten und hierfür keine weiteren Liquidationsbefugnisse bestehen sollten (vgl. zu einem ähnlichen Vertragswortlaut Senatsurteil vom 17. Oktober 1990 – 5 AZR 630/89 –, nicht zur Veröffentlichung vorgesehen).

Soweit die Revision aus sonstigen Vereinbarungen den Schluß ziehen will, die Parteien seien bereits bei Vertragsabschluß vom Bestehen weiterer Liquidationsmöglichkeiten ausgegangen, findet diese Ansicht keine Grundlage. Insbesondere der Kostenerstattungsregelung in § 7 des Dienstvertrages und der hierzu am gleichen Tage getroffenen Zusatzvereinbarung der Parteien läßt sich nicht entnehmen, daß die Parteien sich weitere, im Vertrag nicht ausdrücklich geregelte Liquidationseinnahmen vorgestellt haben. Vielmehr wird in den genannten Regelungen immer nur auf die „liquidationsberechtigende Tätigkeit” oder die „freiberufliche Tätigkeit” des Klägers Bezug genommen und damit die Regelung in § 5 des Vertrages angesprochen. Auch die freiberuflichen Tätigkeiten des Klägers, nämlich die in § 4 des Vertrages zugelassenen Nebentätigkeiten, sind zur Liquidation berechtigende Tätigkeiten. Von Liquidationsrechten außerhalb des Vertrages geht auch die Zusatzvereinbarung nicht aus.

Die Revision führt in diesem Zusammenhang aus, der Kläger habe während der gesamten Verhandlungen über die Ausgestaltung der einzelnen Vertragsbestimmungen zum Ausdruck gebracht, daß er Wert auf eine „angemessene chefärztliche Vergütung” lege. Darunter habe man aber gerade zum damaligen Zeitpunkt neben einem relativ geringen Grundgehalt vor allem umfassende Liquidationsrechte des Chefarztes verstanden, wobei unerheblich sei, ob die jeweiligen Honorare vom Patienten selbst oder aber von einer Kassenärztlichen Vereinigung gezahlt würden. Diese Einwände können nicht durchgreifen. Es mag zwar zutreffen, daß ein angestellter Chefarzt erst durch Liquidationserlöse den größten Teil seiner Gesamteinkünfte erzielt und Liquidationsrechte deshalb regelmäßig als Teil der den Chefärzten zustehenden Vergütung anzusehen sind (vgl. nur Senatsurteil BAGE 42, 336, 344 = AP, a.a.O., zu I 2 b der Gründe, mit zahlreichen weiteren Nachweisen), derartige Erwägungen können aber eine entsprechende vertragliche Einräumung des Liquidationsrechts nicht ersetzen. So hat auch der Senat in der eben zitierten Entscheidung darauf hingewiesen, daß eine entsprechende Vertragsgestaltung Voraussetzung dafür ist. Liquidationsbefugnisse als Teil der Vergütung zu bewerten.

c) Dieser Vertragsinhalt ist nicht nachträglich dahin geändert worden, daß dem Kläger ein Liquidationsrecht auf den Belegabteilungen als Bestandteil seiner Vergütung eingeräumt worden ist. Eine solche Vertragsänderung läßt sich weder aus den Erklärungen des Verwaltungsleiters L. vom 4. Mai 1971 und 9. August 1979 noch aus der tatsächlichen Handhabung des Vertrags Verhältnisses durch die Parteien ableiten.

aa) Ohne Rücksicht auf ihren rechtsgeschäftlichen Inhalt konnten die Erklärungen des Verwaltungsleiters L. die Beklagte nicht im Sinne einer Vertragsergänzung zugunsten des Klägers binden. Denn nach § 1 Abs. 1 des Preußischen Gesetzes über die Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens vom 24. Juli 1924 (PrGS S. 585) vertritt der Kirchenvorstand die Gemeinde. Damit ist klargestellt, daß die rechtsgeschäftliche Vertretung einer katholischen Kirchengemeinde ausschließlich dem Kirchenvorstand obliegt. Nach § 14 Satz 2 des genannten Gesetzes verpflichten die Willenserklärungen des Kirchenvorstandes die Gemeinde nur dann, wenn sie der Vorsitzende und zwei Mitglieder schriftlich unter Beidrückung des Amtssiegels abgeben. Nach § 21 Abs. 1 kann die bischöfliche Behörde nach Benehmen mit der Staatsbehörde Anweisungen über die Geschäftsführung erteilen. In welchen Fällen ein Beschluß erst durch die Genehmigung der bischöflichen Behörde rechtsgültig wird, bestimmt die Geschäftsanweisung (§ 21 Abs. 2 des genannten Gesetzes). Die bischöflichen Behörden der katholischen Kirche in Preußen haben bestimmt, daß ihre Genehmigung zur Rechtsgültigkeit der Beschlüsse der Kirchenvorstände erforderlich ist unter anderem bei entgeltlichen Anstellungsverträgen auf die Dauer von mehr als einem Jahr (Nr. 7 der Geschäftsanweisung, veröffentlicht vom Preußischen Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, PrGS 1928 S. 12 f.). Diese Rechtslage wird durch die für den Verwaltungsleiter maßgebliche Dienstanweisung der Beklagten vom 2. April 1954 noch einmal ausdrücklich klargestellt. Danach ist der Verwaltungsleiter an die Weisungen des Kirchenvorstandes gebunden. Lediglich der Abschluß von Rechtsgeschäften des laufenden Geschäftsbetriebs fällt in seine ausschließliche Zuständigkeit, dagegen hat der Abschluß von Rechtsgeschäften des außerordentlichen Haushalts durch den Kirchenvorstand selbst zu erfolgen. In Nr. 5 dieser Dienstanweisung ist ausdrücklich vorgeschrieben, daß die Einstellung. Entlohnung und Entlassung aller Mitarbeiter, deren Arbeitsbedingungen unter die Richtlinien des Caritas-Verbandes fallen, grundsätzlich durch den Kirchenvorstand erfolgen muß, wobei dieser den Verwaltungsleiter im einzelnen Spezialvollmacht erteilen kann.

Zum laufenden Geschäftsbetrieb des Krankenhauses gehören Abschluß und Änderung von Anstellungsverträgen von mehr als einem Jahr Dauer nicht. Für eine Änderung der vertraglichen Vergütungsabreden des Klägers bedurfte es daher der Mitwirkung des Kirchenvorstandes. Diese liegt unstreitig nicht vor.

bb) Das Gesetz über die Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens vom 24. Juli 1924 und die dazu ergangene Anordnung vom 20. Februar 1928 gelten im Lande Nordrhein-Westfalen fort (Siegfried Marx, Kirchenvermögens- und Stiftungsrecht, Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Band, 1975, S. 117, 136; zur staatskirchenrechtlichen Bedeutung des genannten Gesetzes vgl. im übrigen v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, 2. Aufl., S. 84; ebenso v. Mangoldt/Klein/v. Campenhausen, Das Bonner Grundgesetz. Band 14, 3. Aufl., Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 3 WRV Rz 40).

cc) Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß in § 12 des Dienstvertrages des Klägers neben dem Erfordernis der Schriftform zusätzlich die Genehmigung von Änderungen und Ergänzungen des Vertrages durch die kirchliche Aufsichtsbehörde vorgeschrieben ist. Bei diesem Erfordernis handelt es sich um eine auf gesetzlicher Grundlage bestehende Wirksamkeitsvoraussetzung, die nicht zur Disposition der Parteien steht. Sie ergibt sich wiederum aus § 21 Abs. 2 des Gesetzes über die Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens sowie aus Nr. 7 der Anordnung vom 20. Februar 1928. Der Kläger hat zu keinem Zeitpunkt vortragen können, daß die kirchliche Aufsichtsbehörde von dem Liquidationsverhalten der Parteien überhaupt Kenntnis hatte, so daß schon aus diesem Grunde eine konkludente Genehmigung nicht in Betracht kommen kann. Eine Berufung der Beklagten auf die Nichterfüllung des Genehmigungserfordernisses ist nicht treuwidrig, da dem Kläger dieses Erfordernis aufgrund § 12 seines Dienstvertrages bekannt war und ihm außerdem bekannt war, daß sein Dienstvertrag kirchenaufsichtlich durch das Bischöfliche Generalvikariat in M. genehmigt worden ist, wie dies aus dem Text des Dienstvertrages unmittelbar ersichtlich ist.

 

Unterschriften

Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog, Arntzen, Kessel

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1074048

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