Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung nach Einigungsvertrag

 

Leitsatz (redaktionell)

(Angeblich) mangelnde persönliche Eignung bei dem Leiter eines Forschungslabors an einer Uni-Kinderklinik

 

Normenkette

Einigungsvertrag Anl. I Kap. XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 10.08.1993; Aktenzeichen 5 Sa 42/93)

ArbG Leipzig (Urteil vom 20.01.1993; Aktenzeichen 11 Ca 7602/92)

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 10. August 1993 – 5 Sa 42/93 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger ist promovierter Chemiker und war zuletzt seit 1981 Leiter des Forschungslabors der … klinik der Universität … mit einem Bruttomonatsgehalt von 5.200,– DM. Nach seinem Chemiestudium in den Jahren 1962 bis 1967 – während des Studiums war der Kläger Mitglied der Grundorganisation der FDJ – hat der Kläger zunächst bis 1974 für die sächsische Akademie der Wissenschaften im physiologisch-chemischen Institut der Universität … gearbeitet, wo er 1972 promovierte und 1974 an das Institut für physiologische Chemie wechselte. Von Mai 1976 bis Oktober 1981 war der Kläger wissenschaftlicher Sekretär des Prorektors für Medizin der Universität …

Der Kläger – seit 1963 Mitglied der SED – war als Abteilungsparteiorganisationssekretär (im folgenden APO-Sekretär) bzw. dessen Stellvertreter wie folgt tätig: 1971 bis 1972 ca. 2 Jahre stellvertretender APO-Sekretär in der APO Grundstudium, Bereich Medizin der Universität …, von 1978 bis 1979 ca. 1 Jahr APO-Sekretär im Bereich Leitungsorgane des Bereiches Medizin der Universität … und von 1984 bis 1986 1 Jahr APO-Sekretär und 2 Jahre stellvertretender APO-Sekretär in der APO Kindermedizin des Bereichs Medizin der Universität …. Es ist streitig, ob der Kläger anschließend wegen hoher Arbeitsbelastung in der Forschungstätigkeit die Position des stellvertretenden APO-Sekretärs niedergelegt oder diese Position bis 1989 – wie der Beklagte behauptet – beibehalten hat.

Der Beklagte kündigte mit Schreiben vom 27. September 1992 das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1992 gemäß Anl. I Kap. XIX Sachgeb. A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 des Einigungsvertrages (im folgenden: Abs. 4 Ziff. 1 EV) mit der Begründung auf, aufgrund seiner Tätigkeiten für die SED habe der Kläger das politische System der ehemaligen DDR entscheidend mitgetragen und sei daher für eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst nicht geeignet. Zu dieser Kündigung hatte der Beklagte den Hauptpersonalrat gemäß Schreiben vom 13. August 1992 angehört, der in seiner Stellungnahme vom 7. September 1992 keine Einwände gegen die Kündigung erhob.

Der Kläger hat geltend gemacht, er habe sich auf dem Boden der Verfassung des Staates DDR bewegt und habe auch als wissenschaftlicher Sekretär des Prorektors für Medizin keine politische Funktion innegehabt. Seit 1981 habe er keinerlei Parteiauftritte mehr gehabt und seine gesamte Arbeitskraft seit 1987 unter Abgabe seiner Parteifunktionen ausschließlich auf das Gebiet der Forschung verlegt. Der Wechsel in die APO der Kinderklinik habe dazu geführt, daß er als stellvertretender APO-Sekretär nur organistorische Funktionen wahrgenommen habe. Aufgrund der sehr starken fachlichen Belastung und wegen der beabsichtigten Habilitation sei er auf eigenen Wunsch im Jahre 1987 aus allen Parteifunktionen ausgeschieden. Der Bereich Medizin an der Universität habe im übrigen eine abweichende Parteistruktur gehabt; jedenfalls sei er nie an der staatlichen Leitung beteiligt worden. Ihm seien keine Mitarbeiter unterstellt gewesen und als stellvertretender APO-Sekretär habe er lediglich organisatorische Aufgaben gehabt, so bei der Kassierung, An- und Abmeldung von Mitgliedern und bei der Vorbereitung von Mitgliederversammlungen. Der Vorwurf des Beklagten, er habe an der Ideologisierung des Bereiches Medizin teilgenommen, entbehre jeder Grundlage; im Gegenteil: Er habe sich ausschließlich seiner Forschungstätigkeit gewidmet, was auch anhand vieler Publikationen nachweisbar sei. Im übrigen beziehe er sich auf die Stellungnahmen des langjährigen Direktors der Klinik, Professor Dr. B., des Leiters der Abteilung Labordiagnostik, Prof. Dr. W., des ehemaligen Direktors der Abteilung für Gastroenterologie und Stoffwechsel, Prof. Dr. B., und weiterer Professoren.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten vom 27. September 1992 nicht aufgelöst werde,
  2. den Beklagten zu verurteilen, ihn, den Kläger, zu den bisherigen Bedingungen über den 31. Dezember 1992 hinaus als Laborleiter des Forschungslabors der … klinik der Universität … weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag vorgetragen, die Personalkommission III Medizin der Universität … habe sich wegen der mangelnden persönlichen Eignung des Klägers gegen dessen Weiterbeschäftigung mit 11 der 12 anwesenden Mitglieder ausgesprochen, da der Kläger als zuverlässiges Parteimitglied gegolten und zur Ideologisierung des Bereiches Medizin beigetragen habe. Der Kläger stehe noch heute zu seiner früheren Handlungs- und Verhaltensweise. Die Stationen im Werdegang des Klägers belegten die besondere Nähe und sein aktives Eintreten für die SED-Ideologie. Mit seinen Positionen habe sich der Kläger über das normale Maß hinaus für die SED profiliert. Auch habe die Tätigkeit des Klägers als stellvertretender APO-Sekretär bis 1989 angedauert.

Das Arbeitsgericht hat nach den Klageanträgen erkannt, die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Abweisung der Klage.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, die Kündigung des Klägers sei nicht nach Abs. 4 Ziff. 1 EV gerechtfertigt. Mit der Rechtskraft dieser Entscheidung erledigt sich daher auch der Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers, sodaß darüber nicht mehr zu befinden war.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die Kündigung sei nach Abs. 4 Ziff. 1 EV nicht begründet, weil eine erhebliche Hervorhebung des Klägers bei der Durchsetzung der SED-Ziele weder in seinen Parteiämtern noch in seinen beruflichen Positionen im Hochschulwesen zu erkennen sei. Dies gelte auch dann, wenn der Kläger nicht 1987, sondern erst 1989 das Amt des stellvertretenden APO-Sekretärs der klinik aufgegeben habe. Zwar hätten die Aufgaben des Klägers als APO-Sekretär darin bestanden, an den Zielen des SED-Staates, nämlich der Bekämpfung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der BRD, mitzuwirken, wobei auch eine langjährige Tätigkeit eine besondere Identifikation mit dem SED-Staat aufzeige. Derartige langjährige APO-Sekretärtätigkeiten lägen jedoch nicht vor: der Kläger sei 1978/79 nur ein Jahr und 1984 ein weiteres Jahr Sekretär einer APO gewesen. Auch wenn der Kläger von 1987 bis zur Wende Aufgaben des Stellvertreters wahrgenommen habe, so könnten dessen Aufgaben nicht ohne weiteres mit denen des Sekretärs gleichgesetzt werden. Es sei nämlich zu berücksichtigen, daß im Bereich der … Kliniken etwa 30 bis 40 Abteilungsparteiorganisationen existiert hätten, wobei der Kläger in einem zwanzigjährigen Berufsleben vergleichsweise nur in einem kurzen Zeitraum, nämlich zwei Jahre Sekretär gewesen sei. Demnach werde nicht plausibel, daß der Kläger parteipolitisch nachhaltig an der Universität … oder früher an der sächsischen Akademie der Wissenschaften in Erscheinung getreten sei.

Auch sein Beruf habe keine Basis für ein breites parteipolitisches Wirken geboten, zumal der Kläger keine anderen Mitarbeiter zu führen und auch keine Publizität durch Ausbildung des medizinischen Nachwuchses gehabt habe. Auch bei der Tätigkeit des Sekretärs des Prorektors für Medizin habe es sich im wesentlichen nur um eine Büroleitung gehandelt; jedenfalls habe der Beklagte nicht dargelegt, welche parteipolitischen Aktivitäten für den Kläger als Sekretär des Prorektors ausgeübt wurden; dies werde jedenfalls nicht zureichend mit dem Hinweis auf die APO-Sekretärtätigkeit 1978/79 begründet, da der Kläger auch hier nur auf der untersten Ebene des Parteiapparates tätig gewesen sei. Gleiches gelte auch für seine Betätigungen in der FDJ und während seines Studiums.

II. Dem tritt der Senat bei. Die Revision rügt zu Unrecht eine unterlassene Sachverhaltsaufklärung des Landesarbeitsgerichts und eine falsche Bewertung der vorgetragenen Tätigkeiten.

Da der Kläger als Leiter eines Universitäts-Forschungslabors dem öffentlichen Dienst in den Beitrittsländern angehörte (Art. 20 Abs. 1 EV), wäre die Kündigung zulässig, wenn der Kläger wegen mangelnder persönlicher Eignung nach Abs. 4 Ziff. 1 EV den Anforderungen nicht entspräche. Dabei braucht auf die Vorschriften der §§ 75 ff. des Sächsischen Hochschulerneuerungsgesetzes (SHEG) vom 25. Juli 1991 (GVBl S. 261, 276 f.) nicht eingegangen zu werden. Abgesehen davon, daß diese Vorschriften aufgrund § 162 des Sächsischen Hochschulgesetzes vom 4. August 1993 (GVBl S. 691) außer Kraft getreten sind, regelten sie nur das Verfahren zur Überprüfung der Eignung des wissenschaftlichen Personals, wobei die Personalkommission nach § 78 SHEG mehrheitlich lediglich eine Kündigungsempfehlung an den Staatsminister für Wissenschaft und Kunst aussprach. Zur Berechtigung einer danach ausgesprochenen Kündigung ist damit nichts gesagt.

1. In der einschlägigen Rechtsprechung des Achten und Zeiten Senats des Bundesarbeitsgerichts (Urteile vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – AP Nr. 22 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, m.w.N.; vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 248/93 – nicht veröffentlicht; vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 201/93 – AP Nr. 35 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen und vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 261/93 – zur Veröffentlichung vorgesehen) und neuerdings auch vom BVerfG (Beschluß vom 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93 –) sind zum Nachweis einer solchen mangelnden Eignung aufgrund besonderer Identifikation mit den grundgesetzfeindlichen Zielen der SED bzw. von Entlastungstatsachen – kurz zusammengefaßt – folgende Grundsätze entwickelt worden:

Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die dann indiziert ist, wenn dieser sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert hat. Positionen in Staat und Partei, die jemand seinerzeit innegehabt hat, können Anhaltspunkte für eine mangelnde Eignung sein. Allerdings erfordern Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 12 Abs. 1 GG) und im öffentlichen Dienst ergänzend Art. 33 Abs. 2 GG eine konkrete, einzelfallbezogene Würdigung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers, die sein Verhalten nach dem Beitritt der neuen Bundesländer unter Prüfung der Fähigkeit und inneren Bereitschaft einbezieht, seine dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung glaubwürdig wahrzunehmen (BVerfG Beschluß vom 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93 –). Die Beweislast für den Nachweis der mangelnden persönlichen Eignung obliegt dem Arbeitgeber, wobei allerdings die Darlegungslast für be- und entlastendes Vorbringen abgestuft ist:

Schon angesichts der Tatsache, daß zahlreiche Personalakten nach der sog. Wende „gesäubert” wurden, würden die Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers überspannt, wenn von ihm ohne konkretes Gegenvorbringen die detaillierte Darlegung verlangt würde, der mit der Umsetzung der grundgesetzfeindlichen SED-Ideologie beauftragte Funktionsträger habe im konkreten Fall die Funktion auch tatsächlich entsprechend diesen Zielen ausgeübt. Wie er im Einzelfall die Funktion tatsächlich ausübte, weiß der belastete Arbeitnehmer in aller Regel weitaus besser. Er hat sich deshalb zu der allgemeinen Punktionsbeschreibung konkret zu äußern. Das Maß der gebotenen Substantiierung von Entlastungsvorbringen hängt ebenfalls davon ab, wie sich die andere Seite darauf einläßt (§ 138 Abs. 2 ZPO). Es bedarf des Vortrages konkreter Entlastungstatsachen unter Benennung geeigneter Beweismittel. Der Arbeitgeber kann dann seine Ermittlungen auf die vorprozessual oder im Prozeß konkretisierten Tatsachen konzentrieren, wobei die Beweislast auch insoweit bei ihm verbleibt.

2. Die Bedeutung der Funktion des ehrenamtlichen APO-Sekretärs für die Durchsetzung der SED-Ideologie an einer Universität hat der Beklagte nur recht allgemein dargelegt. Es erscheint ohne näheren Sachvortrag auch äußerst fraglich, ob beim Universitäts-APO-Sekretär von Aufgabenstellung und Funktion her gesehen dieselben Maßstäbe anzuwenden sind wie beim ehrenamtlichen Parteisekretär an einer Schule.

Nach dem im Berufungsurteil in Bezug genommenen zweitinstanzlichen Vorbringen des Beklagten soll die Position des APO-Sekretärs an der Universität als in der Parteihierarchie deutlich höherrangig anzusehen sein als die des Schulparteisekretärs; an den großen Hochschulen der ehemaligen DDR hätten die Leitungen der Hochschulgruppenorganisationen den formalen Rang einer Kreisleitung gehabt; bei Parteigruppen mit wenigen Mitgliedern hätte es dann unter den Kreisleitungen nur die Parteigruppen und den Parteisekretär der Parteigruppe, so im Bereich der Volksbildung den Schulparteisekretär gegeben. Bei größeren Parteigruppen sei noch die sog. Abteilungsparteiorganisation zwischengeschaltet gewesen, so daß eine Abteilungsparteiorganisation grundsätzlich wenigstens 150 Mitglieder gehabt habe; dies erhelle die bedeutendere Position eines APO-Sekretärs gegenüber einem Schulparteisekretär. Insofern müsse bestritten werden, daß der Kläger als APO-Sekretär nur die Aufgabe gehabt habe, die Parteibeiträge zu kassieren und die Organisation abzusichern. Tatsächlich hätte ein APO-Sekretär vielfältige anderweitige, insbesondere politische Aufgaben zu erfüllen gehabt. Im Anschluß an dieses Vorbringen wird in dem Berufungsbegründungsschriftsatz vom 3. Mai 1993 eine Schilderung der Aufgaben des Schulparteisekretärs wiedergegeben, wobei der Beklagte mit Schriftsatz vom 10. Mai 1993 klargestellt hat, die Ausführungen zur Tätigkeit eines Schulparteisekretärs ab S. 13 bis S. 15 dieses Schriftsatzes gehörten nicht zur Berufungsbegründung und seien irrtümlich ausgedruckt worden.

a) Dieses gesamte Vorbringen des Beklagten ist zu pauschal. Auch die Ausführungen von S. 12 bis S. 13 oben der Berufungsbegründung betreffen nicht die Tätigkeit eines APO-Sekretärs an einer Universität, sondern die des Schulparteisekretärs. Der Beklagte hat damit keinen schlüssigen Sachvortrag dafür erbracht, daß und inwiefern auch der APO-Sekretär an der Universität in der politischen Realität der ehemaligen DDR grundsätzlich eine Funktion ausgeübt habe, die der Durchsetzung der SED-Ideologie an den Universitäten dienen sollte. Zumindest im Hinblick auf das Bestreiten des Klägers, er habe lediglich Parteibeiträge zu kassieren und die Organisation abzusichern gehabt, hätte es eines näheren Sachvortrages bedurft, inwiefern der APO-Sekretär an der Universität – zumal wenn ihm wie dem Kläger weder Mitarbeiter unterstellt noch Studenten anvertraut waren – politische Ideologien (an wen?) weiterzugeben hatte. Die Beschreibung der Aufgaben und Funktionen des Schulparteisekretärs läßt sich auch nicht ohne weiteres auf die Tätigkeit des Klägers in der APO Grundstudium, in der APO Leitungsorgane des Bereiches Medizin oder in der APO Kindermedizin übertragen. Das allgemeine Vorbringen des Beklagten, wegen der Zwischenschaltung der Abteilungsparteiorganisation habe es sich bei dem APO-Sekretär um eine bedeutendere Position als bei der des Schulparteisekretärs gehandelt, führt sachlich nicht weiter: Ohne eine genaue Schilderung der Tätigkeiten des APO-Sekretärs an einer Universität enthält die Behauptung eines Komparativs („bedeutendere” Position) nur eine inhaltslose, unsubstantiierte Darstellung. Schon angesichts der Tatsache, daß der Kläger – wenn auch kurzfristig – APO-Sekretär in ganz verschiedenen Organisationen, nämlich im Grundstudium (hier zudem nur stellvertretender APO-Sekretär), im Bereich Leitungsorgane Medizin und später in der Kindermedizin war, hätte es eines jeweiligen hierauf im einzelnen zugeschnittenen Sachvortrages des Beklagten bedurft, woran es jedoch in allen Instanzen fehlt. Auch im Hinblick auf das Bestreiten des Klägers, als APO-Sekretär habe er keinerlei Einfluß auf Entscheidungen im Bereich der Medizin gehabt, hätte der Beklagte eine konkrete Aufgaben- und Funktionsbeschreibung vorlegen müssen.

b) Insofern führen auch die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts trotz der Bindungswirkung nach § 561 ZPO nicht weiter, wenn dort davon die Rede ist, die Aufgaben eines APO-Sekretärs lägen darin, an den Zielen des SED-Staates, die vor allem in der Bekämpfung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bestanden, mitzuwirken. Dieser einzige Satz zur Tätigkeit eines APO-Sekretärs an der Universität ist inhaltlich nicht konkretisiert. Wie der Senat schon im Urteil vom 13. Oktober 1994 (– 2 AZR 261/93 – zur Veröffentlichung vorgesehen) ausgeführt hat, regelt das SED-Statut die Aufgaben des Parteisekretärs in den Grundorganisationen nicht so detailliert, daß allein anhand der rechtlichen Grundlagen eindeutig feststellbar wäre, ob das allgemeine Vorbringen des Beklagten zutrifft. Die Funktion des Parteisekretärs wird allenfalls als „Fundament der Partei” (VI Ziff. 56 des SED-Statuts) am Rande angesprochen, u.a. bei der Kassierung der Beiträge (VI Ziff. 61 c SED-Statut), während das höchste Organ der Grundorganisation stets die Mitgliederversammlung ist (VI Ziff. 56 SED-Statut). Dasselbe hat für die Abteilungsparteiorganisationen zu gelten, weil diese nur Untergliederungen der Grundorganisationen sind (VI Ziff. 56 Einleitung SED-Statut). Auch im Hinblick auf VI Ziff. 63 des SED-Statuts, wonach die Parteiorganisationen in den staatlichen Organen in ihrer propagandistischen, agitatorischen und parteiorganisatorischen Tätigkeit den Kreisleitungen und in speziellen Fragen der Arbeit des betreffenden staatlichen Organs den leitenden Parteiorganen (Kreis-, Stadtbezirks- oder Stadtleitung usw.) unterstehen, wäre es Sache des Beklagten gewesen, zur Bedeutung des APO-Sekretärs der Grundorganisationen im Bereich der Universität nach Aufgaben und Funktion in der gesellschaftlichen Realität der DDR näher vorzutragen.

3. Selbst wenn man mit dem Landesarbeitsgericht davon ausginge, der APO-Sekretär an der Universität habe als Repräsentant der staatstragenden Partei auch in der Universität eine herausgehobene Funktion bei der ideologischen Umsetzung der grundgesetzfeindlichen Ziele der SED gehabt, ist dem Landesarbeitsgericht jedenfalls darin zuzustimmen, daß der Kläger nicht im Sinne der eingangs zu II 1 wiedergegebenen Rechtsprechung des Achten und Zweiten Senats wiederholt und kontinuierlich ein solches Parteiamt ausgeübt hat. Das Landesarbeitsgericht hat für den Senat verbindlich festgestellt (§ 561 ZPO), der Kläger habe gleichsam nur sporadisch, nämlich 1978/79 ein Jahr und 1984 ein weiteres Jahr die Tätigkeit eines APO-Sekretärs ausgeführt. Phasen einer langjährigen APO-Sekretärtätigkeit sind damit nicht festgestellt; der Kläger hat mithin nicht einmal den sonst üblichen zweijährigen Turnus absolviert oder ist gar in der Position des APO-Sekretärs wiedergewählt worden.

Es ist auch nicht rechtsfehlerhaft, wenn das Landesarbeitsgericht die dazwischen liegenden Tätigkeiten als stellvertretender APO-Sekretär anders gewichtet. Das Landesarbeitsgericht hat dazu ausgeführt, die Aufgaben des Stellvertreters seien nicht ohne weiteres mit denen des Sekretärs gleichzusetzen; es müsse berücksichtigt werden, daß im Bereich der Leipziger Kliniken etwa 30 bis 40 Abteilungsparteiorganisationen existierten; wenn der Kläger für eine von ihnen in einem angesichts seines zwanzigjährigen Berufslebens vergleichsweise kurzen Zeitraum vorübergehend stellvertretender Sekretär und für zwei Jahre Sekretär war, so werde daraus nicht plausibel, wie der Kläger parteipolitisch nachhaltig nach außen an der Universität … oder an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften in Erscheinung getreten sein könnte. Auch die Revision enthält insofern keine konkrete Rüge, inwiefern die Beurteilung des Landesarbeitsgerichts hinsichtlich der stellvertretenden APO-Sekretärtätigkeit fehlerhaft sei. Sie spricht nur von einer „aus unserer Sicht insgesamt fehlerhaften Gewichtung des Bedeutungsgehaltes der übernommenen Funktionen”, ohne ihrerseits eine Aufgaben- und Punktionsbeschreibung des stellvertretenden APO-Sekretärs an einer Universität vorzulegen.

4. Auch soweit die Revision geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe die staatlichen Funktionen des Klägers falsch beurteilt, setzt sie nur ihre Wertung an die Stelle der des Landesarbeitsgerichts. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, der Beruf habe dem Kläger keine Basis für ein breites parteipolitisches Wirken gegeben; er sei seit 1981 Oberassistent und Leiter eines Labors, zuvor wissenschaftlicher Assistent gewesen, habe weder Mitarbeiter zu führen gehabt, noch bei der Ausbildung des medizinischen Nachwuchses über größere Publizität verfügt. Etwas anderes habe auch nicht für die Zeit seiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Sekretär des Prorektors für Medizin von 1976 bis 1981 gegolten. Dazu hat das Landesarbeitsgericht unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des früheren Prorektors Professor Dr. M. festgestellt, die Aufgabenstellung des Klägers sei mit der einer Büroleitung zu vergleichen gewesen, und Professor Dr. M. habe die Ansicht vertreten, daß der Kläger nicht als künftiger Leitungskader die Position übernommen habe. Insofern fehle es an näheren Darlegungen des Beklagten, inwiefern der Kläger während seiner fünfjährigen Tätigkeit als Sekretär des Prorektors diese im Sinne der SED ausgeübt habe. Dazu enthält auch die Revision keine präzisen Ausführungen, geschweige denn eine konkrete Rüge.

Die Behauptung, in der Berufungsinstanz sei ausführlich vorgetragen worden, daß der dem jeweiligen Prorektor zugeordnete wissenschaftliche Sekretär den Prorektor bei der Durchsetzung der Zielsetzungen zu unterstützen gehabt habe, wie sie im Protokoll zum 9. Parteitag der SED beschrieben seien, genügt nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge (vgl. u.a. Senatsurteil vom 22. Juli 1982 – 2 AZR 30/81 – AP Nr. 5 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu II der Gründe und vom 11. April 1985 – 2 AZR 239/84BAGE 49, 39 = AP Nr. 39 zu § 102 BetrVG 1972). Die Revision stellt nämlich nicht dar, was konkret das Landesarbeitsgericht aufzuklären unterlassen habe und was die angeblich unterlassene Aufklärung als Ergebnis erbracht hätte. Die Revision begnügt sich auch hier wiederum nur damit, aus der „Hierarchie der Funktionsübernahme” Rückschlüsse zu ziehen, daß es sich bei dem Kläger „um einen offensichtlich linientreuen Genossen” gehandelt habe, ohne hierzu konkreten Sachvortrag zu bringen. Auch die Ausführungen, schon aus der Klageschrift ergebe sich, daß der Kläger ein überzeugter Kommunist sei, enthalten kein Vorbringen, inwiefern der Kläger über die SED-Mitgliedschaft und seine kommunistische Überzeugung hinaus in hervorgehobener Position an der Durchsetzung der SED-Ideologie beteiligt war. Auch das BVerfG (Beschluß vom 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93 –) hat ausdrücklich betont, die frühere Identifikation mit dem SED-Regime dürfe nicht nur pauschal beurteilt werden.

5. Auch was die Betätigung des Klägers während seines Studiums in der FDJ angeht, hat das Landesarbeitsgericht dies gewürdigt und in die Gesamtbetrachtung einbezogen, ohne daß die Revision hierzu begründete Einwendungen erhebt: Selbst wenn der Kläger Mitglied der Grundorganisation der FDJ war, so ist eine solche Tätigkeit bisher in der Rechtsprechung nicht als besonders belastend angesehen worden (u.a. Senatsurteil vom 30. März 1995 – 2 AZR 764/93 – n.v.). Für die Tätigkeit als Parteigruppenorganisator läßt sich dem SED-Statut (VI Ziff. 61 b) nur entnehmen, daß eine Parteigruppe „Zur Leitung der Arbeit” ein Mitglied wählt. Inwiefern es sich bei dieser Tätigkeit um eine herausgehobene Position handelt, wird damit nicht ersichtlich. Abgesehen davon hat der Beklagte auch hinsichtlich dieser Funktion nicht näher vorgetragen, welcher politisch-ideologische Einfluß damit regelmäßig verbunden gewesen sei. Damit läßt sich nicht feststellen, daß das FDJ-Engagement des Klägers sich in besonderer Weise von der üblichen FDJ- bzw. SED-Mitgliedschaft abgehoben habe, zumal der Kläger unbestritten nicht einmal eine Parteischule besucht hat.

Die Schlußfolgerung des Landesarbeitsgerichts, bei dem Kläger handle es sich nach alledem nicht um eine das wissenschaftliche und geistige Klima im Bereich Medizin der Universität im Sinne einer Ideologisierung bestimmende Figur, ist daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

 

Unterschriften

Etzel, Bitter, Bröhl, Fischer, Wolter

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1073543

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