Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristeter Arbeitsvertrag. Einzelvertretung
Orientierungssatz
Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 6. Juni 1984 (7 AZR 458/82 = AP Nr 83 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) ausgeführt, bei der Vertretung brauche die Dauer des mit dem Vertreter abgeschlossenen befristeten Arbeitsvertrages nicht notwendig mit der Dauer des Ausfalls des zeitweilig verhinderten Arbeitnehmers übereinzustimmen. Denn weil es dem Arbeitgeber freistehe, ob er beim zeitweiligen Ausfall eines Arbeitnehmers überhaupt für eine Vertretung sorge, müsse man ihm auch freistellen, daß er aus sachlichen Gründen die Vertretung zunächst nur für einen Teil der Zeit, in der der verhinderte Arbeitnehmer ausfalle, für geboten halte.
Normenkette
BGB § 620
Verfahrensgang
LAG München (Entscheidung vom 27.01.1987; Aktenzeichen 1 Sa 774/85 Li) |
ArbG Kempten (Entscheidung vom 15.05.1985; Aktenzeichen 4 Ca 2084/84 Li) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung des zwischen ihnen abgeschlossenen Arbeitsvertrages.
Mit Arbeitsvertrag vom 23. März/12. April 1983 wurde der Kläger vom Beklagten ab 7. März 1983 als Aushilfsangestellter für die Dauer der Erkrankung und des Mutterschaftsurlaubs der Studienrätin z.A. Marie Luise A, längstens jedoch bis zum 27. Juli 1983, eingestellt. Frau A war vor ihrer Erkrankung im März 1983 am Mädchengymnasium L in der Fächerverbindung Katholische Religionslehre/Deutsch eingesetzt gewesen.
Mit Nachtrag vom 4. Oktober/14. Oktober 1983 wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers bis einschließlich 21. Januar 1984 verlängert. Mit weiterem Nachtrag vom 23. November/6. Dezember 1983 wurde das Arbeitsverhältnis "wegen der Beurlaubung (Art. 86 a BayBG) der Studienrätin Marie Luise A im Schuljahr 1983/84" bis zum 16. September 1984 verlängert.
Frau A war von März 1983 bis zur Geburt ihres Kindes am 22. Juli 1983 dienstunfähig. Auf ihren Antrag vom 31. Juli 1983 wurde ihr unter dem 15. September 1983 im Anschluß an die Mutterschutzfrist für die Zeit vom 17. September 1983 bis zum 21. Januar 1984 Mutterschaftsurlaub gewährt. Mit Schreiben des Beklagten vom 10. Oktober 1983 wurde sie auf ihren Antrag vom 23. September 1983 für die Zeit vom 22. Januar 1984 bis zum 31. August 1986 gemäß Art. 86 a BayBG beurlaubt.
Der Kläger erteilte am Mädchengymnasium L im Schuljahr 1982/83 sieben Wochenstunden Unterricht im Fach Deutsch und 16 Wochenstunden im Fach Katholische Religionslehre. Im Schuljahr 1983/84 war er mit neun Wochenstunden im Fach Deutsch und mit 14 Wochenstunden im Fach Katholische Religionslehre eingesetzt; außerdem erteilte er im Rahmen des differenzierten Sportunterrichts zwei Wochenstunden Volleyball-Unterricht.
Der Kläger hält die Befristung seines Arbeitsverhältnisses für rechtsunwirksam, weil es dafür an einem sachlichen Grund fehle und insbesondere die vereinbarte Befristungsdauer bis zum 16. September 1984 im Hinblick darauf unwirksam sei, daß Frau A bis zum 31. August 1986 beurlaubt war.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis des
Klägers mit dem Beklagten über den 16. Sep-
tember 1984 hinaus unbefristet fortbesteht.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat im wesentlichen ausgeführt, der Befristungsgrund liege darin, daß der Kläger die erkrankte bzw. beurlaubte Lehrkraft A habe vertreten sollen. Da die Schülerzahlen am Mädchengymnasium L kontinuierlich sänken - vom Schuljahr 1981/82 zum Schuljahr 1982/83 um 6,5 % und vom Schuljahr 1982/83 zum Schuljahr 1983/84 um 5,6 % -, sei im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit dem Kläger hinreichend wahrscheinlich gewesen, daß im Schuljahr 1984/85 kein Ersatz für die beurlaubte Frau A mehr benötigt werde.
Der Kläger hat hierauf vor allem erwidert, auch angesichts der Besonderheiten des Schulbetriebes könne ein Vertretungsbedarf nicht stets nur für ein Jahr vorausgesagt werden. Im Falle der Vertretung eines vorübergehend verhinderten Lehrers sei der Zeitraum der Verhinderung maßgeblich für die sachliche Rechtfertigung der Befristungsdauer. Der sogenannte Vertretungsbedarf bemesse sich jedenfalls nicht nach dem konkreten Vertretungsfall an einer einzelnen Schule; vielmehr komme es zumindest auf eine Gesamtbetrachtung der im Regierungsbezirk liegenden Schulen an. Neben den beiden Gymnasien in L sei mithin zumindest auch die Fachoberschule L in die Betrachtung einzubeziehen gewesen. Überdies sei die Erwartung weiterer Rückgänge der Schülerzahlen bei Vertragsabschluß kein Gesichtspunkt für die Befristungsdauer gewesen. Der Beklagte könne schwerlich behaupten, nach dem 16. September 1984 keinen neuen Lehrer mit der Fächerverbindung des Klägers eingestellt zu haben.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen; das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen zuletzt gestellten Klageantrag weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund rechtswirksamer Befristung mit dem 16. September 1984 geendet hat.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht nur den letzten, für die Zeit vom 22. Januar 1984 bis zum 16. September 1984 abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 23. November/6. Dezember 1983 der Befristungskontrolle unterworfen. Denn durch die vorbehaltslose Vereinbarung der Verlängerung ihres Arbeitsverhältnisses bis zum 16. September 1984 haben die Parteien, wie das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, zum Ausdruck gebracht, daß der Vertrag in der Form vom 23. November/6. Dezember 1983 fortan für ihre Rechtsbeziehungen allein maßgeblich sein soll (vgl. die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts seit BAGE 49, 73, 79 = AP Nr. 97 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II der Gründe; neuerdings insbesondere Senatsurteil vom 30. Oktober 1987 - 7 AZR 115/87 - EzA § 119 BGB Nr. 13, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt, m.w.N.).
2. Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Recht angenommen, daß für die Befristung dieses letzten Arbeitsvertrages ein sachlicher Grund vorlag.
Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, der Kläger habe die Lehrerin A vertreten sollen, die sich seit 17. September 1983 bis 21. Januar 1984 in Mutterschaftsurlaub befunden habe und für die Zeit vom 22. Januar 1984 bis zum 31. August 1986 gemäß Art. 86 a BayBG beurlaubt worden sei.
Daß für die Befristung des Arbeitsvertrages mit einem Arbeitnehmer, der einen anderen wegen Krankheit, Beurlaubung oder aus ähnlichen Gründen zeitweilig ausfallenden Mitarbeiter vertreten soll, ein sachlicher Grund vorliegt, ist seit der Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 12. Oktober 1960 (BAGE 10, 65 = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) in ständiger Rechtsprechung anerkannt (vgl. z.B. BAG Urteil vom 13. April 1983 - 7 AZR 51/81 - BAGE 42, 203, 207 = AP Nr. 76 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II 2 der Gründe, m.w.N.). Für diesen sachlichen Grund der Vertretung ist lediglich Voraussetzung, daß durch den zeitweiligen Ausfall eines Mitarbeiters ein vorübergehender Beschäftigungsbedarf entstanden ist und die befristete Einstellung wegen dieses Bedarfs erfolgt (BAG Urteil vom 8. Mai 1985 - 7 AZR 191/84 - BAGE 49, 73, 77 f. = AP Nr. 97 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu I 2 b der Gründe).
Diese Voraussetzungen liegen im Entscheidungsfalle vor. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dem Kläger seien im wesentlichen solche Aufgaben übertragen worden, die Frau A zu verrichten gehabt hätte, wäre sie nicht beurlaubt worden.
Da mithin die vorliegende Befristung schon nach den dargestellten Grundsätzen der Einzelvertretung sachlich gerechtfertigt ist, kommt es auf die Einwendungen der Revision nicht an, die vorliegende Befristung erfülle die Voraussetzungen nicht, die der Senat für die Befristung wegen eines Gesamtvertretungsbedarfs innerhalb des Bezirks der Schulverwaltungsbehörde aufgestellt hat (vgl. insbesondere BAGE 42, 203 = AP Nr. 76 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; BAG Urteil vom 3. Dezember 1986 - 7 AZR 354/85 - BAGE 54, 10 = AP Nr. 110 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag).
3. Unbegründet sind insbesondere auch die Einwendungen der Revision gegen die vereinbarte Dauer der Befristung. Die arbeitsvertraglich vereinbarte Dauer einer Befristung muß mit deren Sachgrund im Einklang stehen, d.h. sie darf diesem nicht in einer Weise widersprechen, aus der sich ergibt, der Sachgrund sei lediglich vorgeschoben.
Im Entscheidungsfalle steht die Dauer der Befristung bis zum 16. September 1984 nicht im Widerspruch zum Sachgrund der Vertretung, obwohl die zu vertretende Lehrkraft A bis zum 31. August 1986 beurlaubt war. Der Umstand allein, daß der Arbeitgeber die Vertretungskraft für einen kürzeren Zeitraum einstellt, als der zu vertretende Mitarbeiter voraussichtlich ausfallen wird, spricht nicht dagegen, daß die Einstellung gerade wegen des durch den Ausfall des anderen Mitarbeiters vorübergehend entstandenen Beschäftigungsbedarfs erfolgt. Denn der Arbeitgeber kann eine Abdeckung dieses vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs zunächst nur für eine bestimmte Zeit für erforderlich halten; auch ist denkbar, daß der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Einstellung der Ersatzkraft noch nicht zuverlässig überblicken kann, ob eine Vertretung für die gesamte Zeit des Ausfalls des anderen Mitarbeiters nötig sein wird oder ob sich der Arbeitgeber auf andere Weise behelfen kann.
Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 6. Juni 1984 (- 7 AZR 458/82 - AP Nr. 83 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag) ausgeführt, bei der Vertretung brauche die Dauer des mit dem Vertreter abgeschlossenen befristeten Arbeitsvertrages nicht notwendig mit der Dauer des Ausfalls des zeitweilig verhinderten Arbeitnehmers übereinzustimmen. Denn weil es dem Arbeitgeber freistehe, ob er beim zeitweiligen Ausfall eines Arbeitnehmers überhaupt für eine Vertretung sorge, müsse man ihm auch freistellen, daß er aus sachlichen Gründen die Vertretung zunächst nur für einen Teil der Zeit, in der der verhinderte Arbeitnehmer ausfalle, für geboten halte. Im Urteil vom 2. November 1983 - 7 AZR 428/81 - (n. v.) hat es der Senat gebilligt, daß der Arbeitgeber aus schulorganisatorischen Gründen einen lediglich zum Schuljahresende befristeten Arbeitsvertrag abschloß, obwohl die zu vertretende Lehrkraft voraussichtlich für einen längeren Zeitraum ausfallen würde. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, auch der Beklagte habe aus schulorganisatorischen Gründen zum Schuljahresende in eine erneute Überprüfung des Bedarfs für eine Vertretung der Fau A eintreten und deshalb den Arbeitsvertrag zunächst bis zu diesem Zeitpunkt befristen dürfen, ist daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Auf die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die durchgeführte Beweisaufnahme habe ergeben, daß die Gymnasien in L bereits im Zeitpunkt des hier maßgeblichen Vertragsabschlusses einen kontinuierlichen Rückgang der Schülerzahl und daher eher einen Überhang an Lehrkräften hatten, kommt es daher nicht einmal mehr an.
Dr. Seidensticker Dr. Becker Dr. Steckhan
Nehring Schmalz
Fundstellen
Haufe-Index 441470 |
RzK, I 9c Nr 15 (ST1) |