Orientierungssatz
(Nachholung der Schwangerschaftsmitteilung gemäß § 9 Abs 1 MuSchG - Verschulden)
1. Die Frage, ob die Arbeitnehmerin die zur Erhaltung des besonderen Kündigungsschutzes nach § 9 Abs 1 MuSchG erforderliche Mitteilung an den Arbeitgeber über ihre Schwangerschaft verschuldet oder unverschuldet nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist abgegeben hat, kann nicht nach normalen Sorgfaltsmaßstäben beurteilt werden.
2. Bei der Schwangerschaftsmitteilung handelt es sich um eine sogenannte Obliegenheit, nicht aber um eine dem Arbeitgeber gegenüber bestehende Verbindlichkeit der Arbeitnehmerin. Eine sinngemäße Anwendung des § 278 BGB auf das Verhalten eines Beauftragten der Arbeitnehmerin bei Schwangerschaftsmitteilung verbietet sich, aus dem besonderen und durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geprägten und modifizierten verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Schutz der werdenden Mutter gemäß § 9 Abs 1 MuSchG.
Normenkette
BGB § 278; MuSchG § 9 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 04.05.1984; Aktenzeichen 4 Sa 230/84) |
ArbG Bonn (Entscheidung vom 26.01.1984; Aktenzeichen 1 Ca 2315/83) |
Tatbestand
Die am 7. März 1957 geborene und seit 11. November 1983 verheiratete Klägerin war seit Dezember 1979 mit einem monatlichen Bruttogehalt von 2.700,-- DM als Zahntechnikerin bei der Beklagten beschäftigt.
Mit dem ihr am 9. August 1983 zugegangenen Schreiben vom 8. August 1983 kündigte die Beklagte der Klägerin das Arbeitsverhältnis zum 30. August 1983 wegen starken Arbeitsrückganges.
Anläßlich einer in der Universitäts-Frauenklinik Bonn-Venusberg durchgeführten Untersuchung erfuhr die Klägerin erstmalig am 19. August 1983, daß sie in der 8. Woche schwanger ist. Die Klägerin, die sich im Anschluß daran bis 6. September 1983 in stationärer Krankenhausbehandlung befand, bat daraufhin am 21. August 1983 ihren späteren Ehemann, die Beklagte von ihrer bestehenden Schwangerschaft zu unterrichten. Dieser kam der Bitte am 29. August 1983 nach. Nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus informierte die Klägerin am 7. September 1983 die Beklagte nochmals persönlich über ihren Zustand und legte gleichzeitig eine ärztliche Schwangerschaftsbescheinigung vom 6. September vor, die den 25. März 1984 als voraussichtlichen Entbindungstermin angab.
Mit der vorliegenden Klage wendet sich die Klägerin gegen die ihr ausgesprochene Kündigung. Sie ist der Auffassung, die Kündigung sei gemäß § 9 MuSchG unwirksam, da sie der Beklagten rechtzeitig von ihrer Schwangerschaft Mitteilung gemacht habe. Ihr späterer Ehemann habe am 29. August 1983 die Beklagte im Sinne des § 9 MuSchG noch rechtzeitig von ihrer Schwangerschaft in Kenntnis gesetzt. Ein säumiges Verhalten könne ihm nicht vorgeworfen werden, zumal er über die drohende Fehlgeburt und die damit verbundenen Gefahren für sie äußerst besorgt gewesen sei. Es sei auch ungewiß gewesen, ob die am 19. August 1983 festgestellte Schwangerschaft tatsächlich bestehe. Erst die am 26. August 1983 nachmittags erneut durchgeführte Ultraschall-Untersuchung habe insoweit letzte Klarheit geschaffen. Daraufhin habe ihr Ehemann am darauffolgenden Montag, nämlich am 29. August 1983, die Beklagte unverzüglich aufgesucht und informiert. Sie selbst sei nicht in der Lage gewesen, die Beklagte anzurufen oder gar schriftlich über ihre Schwangerschaft zu informieren, da die drohende Fehlgeburt von ihr überwiegend Bettruhe und äußerste Schonung verlangt habe. Im übrigen mache es auch keinen Unterschied aus, ob die Beklagte bereits am 23. August, am 29. August oder erst am 7. September 1983 von ihrer Schwangerschaft Kenntnis erhalten habe. Die Kündigung habe das Arbeitsverhältnis jedenfalls nicht aufgelöst. Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis
zwischen den Parteien durch die Kündigung
vom 8. August 1983 nicht beendet wurde.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und geltend gemacht, die Klägerin hätte sie trotz ihres Krankenhausaufenthaltes unschwer durch ein Telefonat oder durch eine kurze schriftliche Mitteilung von ihrer Schwangerschaft in Kenntnis setzen können. Warum dies nicht geschehen sei, habe die Klägerin nicht dargetan. Wenn sie sich statt dessen ihres späteren Ehemannes als Erfüllungsgehilfen zur Überbringung der entsprechenden Nachricht bedient habe, so müsse sie sich dessen Nachlässigkeit als Verschulden zurechnen lassen. Im übrigen habe der spätere Ehemann am 29. August 1983 nur von der Möglichkeit einer Schwangerschaft gesprochen. Definitiv habe sie erst am 6. September 1983 von der Klägerin selbst die Schwangerschaftsmitteilung erhalten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat nach informatorischer Anhörung des Ehemannes der Klägerin das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.
Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die hierfür darlegungs- und beweisbelastete Klägerin habe nicht schlüssig dargetan, daß es ihr nicht möglich gewesen sei, die Beklagte noch innerhalb der am 23. August 1983 auslaufenden Zwei-Wochen-Frist (§ 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG) von ihrer Schwangerschaft, von der sie am 19. August 1983 erfahren habe, in Kenntnis zu setzen. Die Klägerin habe zwar am 21. August 1983 ihren jetzigen Ehemann gebeten, die Beklagte über ihren Zustand zu informieren. Dieser habe die Beklagte jedoch erst am 29. August 1983 über die bestehende Schwangerschaft der Klägerin unterrichtet. Auch insoweit habe die Klägerin, die ein Verschulden ihres Vertreters oder Boten gegen sich gelten lassen müsse, nicht dargetan, daß es ihrem späteren Ehemann nicht möglich gewesen sei, die Schwangerschaftsmitteilung noch bis zum Ablauf der Zwei-Wochen-Frist, also bis zum 23. August 1983, vorzunehmen. Aber selbst wenn davon ausgegangen werden könnte, daß die Klägerin die Beklagte bis zum 23. August 1983 von ihrem Zustand nicht informieren konnte, wäre die Mitteilung am 29. August 1983 im Sinne des § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB gleichwohl nicht unverzüglich erfolgt und damit verfristet. Auch bei Berücksichtigung der besonderen Ausnahmesituation sei für die tagelange Verzögerung der Auftragserledigung kein rechter Grund ersichtlich. Auch wenn dem Ehemann die Risikoschwangerschaft und die damit für die Klägerin verbundenen Gefahren besonders nahegegangen seien, wäre es ihm doch mit einem minimalen Aufwand möglich gewesen, die Beklagte durch ein Telefonat oder Zuleitung der entsprechenden ärztlichen Bescheinigung auftragsgemäß zu informieren. Keinesfalls entschuldbar sei das weitere Zuwarten nach der am 26. August 1983 durchgeführten Ultraschall-Untersuchung. Ab diesem Zeitpunkt habe es auch für die Klägerin keinen Grund mehr gegeben, nicht aktiv zu werden und die bis dahin unterbliebene Schwangerschaftsmitteilung an die Beklagte selbst nachzuholen. Da die Klägerin somit die Mitteilung über ihre Schwangerschaft versäumt und auch nicht unverzüglich nachgeholt habe, stehe ihr der besondere Kündigungsschutz des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG daher nicht zu.
II. Diese Auffassung des Landesarbeitsgerichts hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist unstreitig, daß die Klägerin im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 9. August 1983 schwanger war, sie hiervon aber erst am 19. August 1983 aufgrund einer in der Universitäts-Frauenklinik Bonn-Venusberg erfolgten Untersuchung erfuhr und der Beklagten die Schwangerschaft erst nach der am 23. August 1983 abgelaufenen Zwei-Wochen-Frist des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG, die ohne Rücksicht auf die Kenntnis von der Schwangerschaft mit Zugang der Kündigung zu laufen beginnt (vgl. BAG Urteil vom 19. Dezember 1968 - 2 AZR 89/68 - AP Nr. 29 zu § 9 MuSchG; Bulla/Buchner, MuSchG, 5. Aufl., § 9 Rz 92), am 29. August 1983 mitgeteilt wurde. Von diesen für den Senat bindenden Feststellungen (§ 561 Abs. 2 ZPO) ist bei der rechtlichen Beurteilung auszugehen.
Unerheblich ist dabei, ob - wie die Beklagte behauptet - der Ehemann der Klägerin am 29. August 1983 nur von der Möglichkeit des Bestehens einer Schwangerschaft bei der Klägerin gesprochen hat, oder ob - wie die Klägerin behauptet - der Ehemann im Zusammenhang mit der Mitteilung über die Schwangerschaft auch von der Möglichkeit einer Fehlgeburt gesprochen hat. Denn selbst wenn der Ehemann nur von der Möglichkeit einer Schwangerschaft gesprochen haben sollte, genügt dies zur Erhaltung des besonderen Kündigungsschutzes nach dem Mutterschutzgesetz (BAG 11, 115; auch Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 13. November 1979, BVerfGE 52, 357 = AP Nr. 7 zu § 9 MuSchG 1968).
2. Das Landesarbeitsgericht ist im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, daß sich die im Zeitpunkt der Kündigung schwangere Arbeitnehmerin auf den besonderen Kündigungsschutz des § 9 Abs. 1 MuSchG auch dann noch berufen kann, wenn die Mitteilung an den Arbeitgeber über die Schwangerschaft innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG unverschuldet unterblieben ist, aber unverzüglich nachgeholt wird (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 13. November 1979, aaO). Es ist auch richtig, daß aus Gründen der Sachnähe die schwangere Arbeitnehmerin darlegungs- und beweispflichtig dafür ist, daß sie ohne Verschulden die zweiwöchige Mitteilungsfrist des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG versäumt und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt hat (BAG Urteil vom 13. Januar 1982 - 7 AZR 764/79 - AP Nr. 9 zu § 9 MuSchG 1968). Das Landesarbeitsgericht hat jedoch rechtsfehlerhaft nicht nur an die Darlegungslast der Klägerin ersichtlich zu hohe Anforderungen gestellt, sondern auch an den Verschuldensbegriff; es ist entgegen der Senatsrechtsprechung (BAG 43, 331; BAG Urteil vom 27. Oktober 1983 - 2 AZR 204/82 - AP Nr. 13 zu § 9 MuSchG 1968) von dem allgemeinen Verschuldensbegriff ausgegangen, der den §§ 276, 278 BGB zugrundeliegt.
a) Wie der Senat mit Urteil vom 6. Oktober 1983 - 2 AZR 368/82 - (BAG 43, 331 = AP Nr. 12 zu § 9 MuSchG 1968) und im Anschluß daran mit Urteil vom 27. Oktober 1983, aaO, entschieden hat, handelt es sich bei der Mitteilung nach § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG um ein im eigenen Interesse der Arbeitnehmerin liegendes Gebot (Obliegenheit, Verpflichtung gegen sich selbst). Die rechtzeitige Mitteilung der Schwangerschaft dient allein dazu, der Arbeitnehmerin den in § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG statuierten besonderen Kündigungsschutz zu erhalten. Wenn die Arbeitnehmerin die Mitteilung der ihr bekannten Schwangerschaft unterläßt, verletzt sie demnach keine Rechtspflicht gegenüber dem Arbeitgeber, handelt aber möglicherweise gegen ihre eigenen Interessen. Es bleibt allein der Arbeitnehmerin überlassen, ob sie die Vorteile, die der besondere Kündigungsschutz des § 9 Abs. 1 MuSchG für sie bringt, in Anspruch nehmen will oder nicht. Die Frage, ob die Arbeitnehmerin die zur Erhaltung des besonderen Kündigungsschutzes nach § 9 Abs. 1 MuSchG erforderliche Mitteilung an den Arbeitgeber über ihre Schwangerschaft verschuldet oder unverschuldet nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist abgegeben hat, kann daher nicht nach normalen Sorgfaltsmaßstäben beurteilt werden. Vielmehr ist im Hinblick darauf, daß das Kündigungsverbot des § 9 Abs. 1 MuSchG letztlich eine Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Gebots an den Gesetzgeber zur Fürsorge für die werdende Mutter darstellt, der Verlust des Sonderkündigungsschutzes des § 9 Abs. 1 MuSchG nur dann gerechtfertigt, wenn sich die Versäumung der Mitteilungspflicht aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles als ein gröblicher Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse billigerweise zu erwartende Verhalten darstellt.
b) Bei Zugrundelegung dieses Verschuldensmaßstabes kann der Klägerin nicht zur Last gelegt werden, daß die Schwangerschaftsmitteilung an die Beklagte nicht innerhalb der am 23. August 1983 abgelaufenen Zwei-Wochen-Frist, sondern erst am 29. August 1983 erfolgt ist. Ein Verschulden der Klägerin im dargelegten Sinne liegt nicht vor. Die Klägerin hat unstreitig erst am 19. August 1983 von ihrer Schwangerschaft Kenntnis erhalten. Bis zu diesem Zeitpunkt scheidet ein Verschulden der Klägerin somit aus. Aber auch danach liegt eine schuldhafte Verzögerung nicht vor. Die Klägerin hat unverzüglich reagiert und bereits am 21. August 1983, also zwei Tage nach Kenntniserlangung von der Schwangerschaft, ihren späteren Ehemann beauftragt, die Beklagte über ihre Schwangerschaft zu unterrichten, da sie unstreitig im Anschluß an ihre Untersuchung vom 19. August bis 6. September 1983 in stationärer Krankenhausbehandlung war, und wegen einer drohenden Fehlgeburt überwiegend Bettruhe einhalten und sich äußerster Schonung befleißigen mußte. Unter diesen für sie gesundheitsbedrohenden Umständen und unter Berücksichtigung der für sie ungewohnten Krankenhausatmosphäre ist es verständlich, daß die Klägerin nicht selbst versucht hat, die Beklagte von ihrer Schwangerschaft zu informieren, sondern ihren späteren Ehemann mit der Schwangerschaftsmitteilung beauftragt hat. Ihr späterer Ehemann war für sie in dieser Situation gerade für diese Angelegenheit der Ansprechpartner, dem sie vertraute und von dem sie annehmen konnte, daß er den erteilten Auftrag zuverlässig erledigen werde. Selbst wenn es der Klägerin trotz ihres Zustandes objektiv möglich gewesen wäre, selbst die Initiative zu ergreifen und der Beklagten Mitteilung von ihrer Schwangerschaft zu machen, so kann es ihr unter den gegebenen Umständen subjektiv gleichwohl nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß sie diesen direkten Weg nicht beschritten hat, zumal die Mitteilung zwar dem Arbeitgeber gegenüber, aber nicht persönlich von der Arbeitnehmerin erfolgen muß. Eine schuldhafte Verzögerung der Schwangerschaftsmitteilung kann der Klägerin nicht angelastet werden, und zwar entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch nicht nach der am 26. August 1983 erfolgten Ultraschall-Untersuchung. Aufgrund der gegebenen besonderen Umstände kann das gezeigte Verhalten der Klägerin nicht als ein gröblicher Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen in einer solchen Situation im eigenen Interesse billigerweise zu erwartende Verhalten gewertet werden.
c) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Schwangerschaftsmitteilung durch den späteren Ehemann der Klägerin am 29. August 1983 noch unverzüglich erfolgt ist, da die Klägerin für ein etwaiges Verschulden des von ihr mit der Schwangerschaftsmitteilung beauftragten späteren Ehemannes nicht einzustehen hat. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, daß der Vertretene das Verschulden seines Bevollmächtigten in jedem Falle zu vertreten hat (vgl. RGZ 158, 357, 361). Auch aus § 278 BGB kann, wie der Senat bereits mit Urteil vom 27. Oktober 1983, aaO, entschieden und näher begründet hat, ein Einstehen der Arbeitnehmerin für ein zur Fristversäumung führendes Verhalten der von ihr beauftragten Person nicht hergeleitet werden. Denn der mit der Schwangerschaftsmitteilung beauftragte Dritte (hier der spätere Ehemann) ist nicht der Erfüllungsgehilfe der Arbeitnehmerin (hier der Klägerin) im Sinne des § 278 BGB. Bei der Schwangerschaftsmitteilung handelt es sich, wie dargelegt, um eine sogenannte Obliegenheit, nicht aber um eine dem Arbeitgeber gegenüber bestehende Verbindlichkeit der Arbeitnehmerin. Eine unmittelbare Anwendung des § 278 BGB, der grundsätzlich nur im Rahmen eines bestehenden Schuldverhältnisses Platz greift, scheidet daher aus (RGZ 158, 357, 361; BGHZ 17, 199, 205; BGH NJW 1963, 1776; Staudinger/Löwisch, BGB, 12. Aufl., § 278 Rz 3; Soergel/Siebert/Schmidt, BGB, 10. Aufl., § 278 Rz 4; RGRK-Allf, 12. Aufl., § 278 BGB Rz 2; MünchKomm-Hanau, 2. Aufl., § 278 BGB Rz 5). Eine entsprechende Anwendung des § 278 BGB auf Obliegenheiten kommt ebenfalls nicht in Betracht, obwohl nach der Rechtsprechung und der Meinung im Schrifttum eine solche nicht gänzlich ausgeschlossen ist, grundsätzlich aber nur dann Platz greifen kann, soweit der Gesetzgeber - wie etwa in § 254 Abs. 2 Satz 2 BGB - dies selbst ausdrücklich bestimmt (vgl. dazu MünchKomm-Hanau, aaO, Rz 29; Staudinger/Löwisch, aaO, Rz 21, jeweils m. w. N.). Eine sinngemäße Anwendung des § 278 BGB auf das Verhalten eines Beauftragten der Arbeitnehmerin bei der Schwangerschaftsmitteilung verbietet sich, wie der Senat im Urteil vom 27. Oktober 1983 (aaO) näher begründet hat - und wie auch weder Hanau (ZfA 1984, 453, 554, 555) noch Buchner (FamRZ 1984, S. 1009 ff.) in ihrer Kritik letztlich nicht verkennen, aus dem besonderen und durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (aaO) geprägten und modifizierten verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Schutz der werdenden Mutter gemäß § 9 Abs. 1 MuSchG. Dem Landesarbeitsgericht, das von einem der Klägerin zurechenbaren Verschulden ihres Ehemannes bezüglich der Rechtzeitigkeit der Schwangerschaftsmitteilung an die Beklagte ausgeht, kann somit nicht gefolgt werden. Auch ein Auswahlverschulden der Klägerin ist nicht ersichtlich (vgl. dazu Wenzel, Die Schwangerschaftsmitteilung nach § 9 MuSchG, BB 1981, 674, 678).
III. Nach alledem ist somit davon auszugehen, daß eine schuldhafte Verzögerung der Schwangerschaftsmitteilung nicht vorliegt und sich die Klägerin daher mit Erfolg auf den besonderen Kündigungsschutz des § 9 Abs. 1 MuSchG berufen kann. Die zum 30. August 1983 ausgesprochene Kündigung ist daher unwirksam.
IV. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO in Verb. mit § 72 Abs. 5 ArbGG.
Hillebrecht Dr. Röhsler Dr. Weller
Peter Jansen Strümper
Fundstellen
Haufe-Index 438073 |
RzK, IV 6a Nr 5 (ST1-2) |