Leitsatz

Das OLG Jena hat sich in dieser Entscheidung mit dem Rangverhältnis von § 18 Abs. 1 VersAusglG zu § 18 Abs. 2 VersAusglG auseinandergesetzt. Nach § 18 Abs. 2 VersAusglG sollen einzelne Anrechte vom Versorgungsausgleich ausgenommen werden, wenn sie einen geringen Ausgleichswert ausweisen. Das gilt auch für Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung. Unbillige Ergebnisse sollen durch die dem FamG eingeräumte Ermessensausübung vermieden werden.

 

Sachverhalt

Die beteiligten Eheleute hatten während der Ehezeit vom 1.3.1976 bis zum 31.10.1999 Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung wie folgt erworben:

Auf Seiten der Ehefrau:

  • gesetzliche Rentenversicherung/West 0,0045 Entgeltpunkte

Ausgleichswert: 0,0023 Entgeltpunkte = 23,80 DM Kapitalwert

  • gesetzliche Rentenversicherung/Ost 18,1923 Entgeltpunkte/Ost

Ausgleichswert: 9,0962 Entgeltpunkte/Ost = 79.408,52 DM Kapitalwert

Auf Seiten des Ehemannes:

  • gesetzliche Rentenversicherung/West 1,046 Entgeltpunkte

Ausgleichswert: 0,5233 Entgeltpunkte = 5. 416,67 DM Kapitalwert

  • gesetzliche Rentenversicherung/Ost 17,5867 Entgeltpunkte/Ost

Ausgleichswert: 8,7934 Entgeltpunkte/Ost = 76.765,11 DM Kapitalwert

Das OLG Jena hat in seiner Entscheidung geprüft, welche Anrechte gemäß § 18 VersAusglG wegen Geringfügigkeit von einem Ausgleich auszunehmen sind.

 

Entscheidung

Das OLG wies zunächst darauf hin, es seien zwei Fallkonstellationen zu unterscheiden, nämlich Geringfügigkeit gemäß § 18 Abs. 1 VersAusglG aufgrund der geringen Differenz beiderseitiger gleichartiger Anrechte und gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG aufgrund geringer Ausgleichswerte einzelner Anrechte. Aus der Gesetzessystematik folge, dass der Ausschluss wegen geringer Wertdifferenz gleichartiger Anrechte gemäß § 18 Abs. 1 VersAusglG vorrangig zu prüfen sei.

Die Geringfügigkeit bemesse sich bei Anrechten, deren maßgebliche Bezugsgröße - wie im vorliegenden Fall - kein Rentenbeitrag sei, nach dem Kapitalwert des Ausgleichswerts gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG. Die Bagatellgrenze betrage danach als Kapitalwert 120 % der am Ende der Ehezeit maßgebenden monatlichen Bezugsgröße gemäß § 18 Abs. 1 SGB IV. Da das Ende der Ehezeit in das Jahr 1999 falle, betrage die Bagatellgrenze unter Zugrundelegung der entsprechenden Bezugsgröße für die alten Bundesländer 4.410,00 DM × 120 % = 5.292,00 DM und für die neuen Bundesländer 3.710,00 DM × 120 % = 4.452,00 DM.

Das OLG kam im Rahmen der Prüfung gemäß § 18 VersAusglG zu dem Ergebnis, dass der Ausgleichswert des Anrechts der Ehefrau bei der gesetzlichen Rentenversicherung/West mit einem Kapitalwert von 23,80 DM und der Ausgleichswert des Anrechts des Ehemannes bei der gesetzlichen Rentenversicherung/West mit einem Kapitalwert i.H.v. 5.416,67 DM miteinander vergleichbar seien und im Saldo den Grenzwert i.H.v. 5.292,00 DM überstiegen, so dass die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 VersAusglG nicht vorlägen.

Der Ausgleichswert des Anrechts des Ehemannes bei der DRV/West mit einem Kapitalwert i.H.v. 5.416,67 DM übersteige den Grenzwert i.H.v. 5.292,00 DM, so dass die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 VersAusglG ebenfalls nicht vorlägen.

Der Ausgleichswert des Anrechts der Ehefrau bei der DRV/West mit einem Kapitalwert von 23,80 DM übersteige nicht den Grenzwert von 5.292,00 DM, so dass diese Versorgung nicht ausgeglichen werde, weil die Wertgrenze gemäß § 18 Abs. 2, Abs. 3 VersAusglG nicht überschritten sei und keine besonderen Gründen den Ausgleich erforderten.

Der Ausgleichswert des Anrechts der Ehefrau bei der DRV/Ost mit einem Kapitalwert von 79.408,52 DM und das Anrecht des Ehemannes bei der DRV/Ost mit einem Kapitalwert von 76.765,11 DM überstiegen im Saldo nicht den Grenzwert von 4.452,00 DM. Diese miteinander vergleichbaren Versorgungen seien gemäß § 18 Abs. 1 VersAusglG gegeneinander aufzuheben, weil die Wertgrenze nach § 18 Abs. 3 VersAusglG nicht überschritten sei und keine besonderen Gründe den Ausgleich erforderten.

Infolgedessen hat das OLG Jena gemäß § 10 VersAusglG den Versorgungsausgleich dahingehend geregelt, dass im Wege der internen Teilung zu Lasten des Anrechts des Ehemannes bei der gesetzlichen Rentenversicherung/West zugunsten der Ehefrau beim Versorgungsträger des Ehemannes ein Anrecht i.H.v. 0,5233 Entgeltpunkten übertragen wurde. Der Ausgleich der weiteren Anrechte der Beteiligten unterblieb.

 

Link zur Entscheidung

Thüringer OLG, Beschluss vom 29.07.2010, 1 UF 179/10

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