Leitsatz

Die Bemessung der BAT-Grundvergütung aufgrund des Lebensalters der Beschäftigten ist europarechtswidrig. Sie stellt eine Diskriminierung wegen Alters dar. Die Regelungen des TVÜ-Bund zur Überleitung der Beschäftigten vom BAT in den TVöD wurden dagegen nicht beanstandet.

 

Sachverhalt

Der EuGH beschäftigte sich mit grundlegenden Fragen zum Thema Lebensaltersstufen im BAT, die ihm vom BAG in zwei Fällen vorgelegt wurden.

Im ersten Fall ging es um einen Arbeitnehmer, geb. am 28.12.1967, der als Leiter einer Pflegeeinrichtung tätig war. In dieser Eigenschaft war er in die Vergütungsgruppe Ia des BAT eingestuft und bezog eine Grundvergütung von monatlich 3.336,09 EUR brutto. Der monatliche Bruttobetrag der Grundvergütung der Lebensaltersstufe 47 in dieser Vergütungsgruppe belief sich auf 3.787,14 EUR. Er beantragte bei seinem Arbeitgeber eine Vergütung gemäß Lebensaltersstufe 47 zu einem Zeitpunkt, als er das 47. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Seiner Ansicht nach stellt die Staffelung der Grundvergütung nach Lebensaltersstufen eine Diskriminierung wegen des Alters dar, die jüngere Angestellte benachteilige. Er verklagte seinen Arbeitgeber auf Zahlung der Vergütung entsprechend der Lebensaltersstufe 47 für den Zeitraum vom 1.9.2006 bis zum 31.3.2009.

Im zweiten Fall klagte eine seit dem 1.2.2004 beschäftigte Bauingenieurin. Sie war im Alter von 41 Jahren eingestellt worden und wurde nach § 27Abschn. A Abs. 2 BAT in die Lebensaltersstufe 35 eingestuft.

Das BAG unterbreitete dem EuGH in beiden Fällen die Frage, ob das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters, das in Art. 21 der Charta verankert und durch die Richtlinie 2000/78 konkretisiert worden ist, und insbesondere die Art. 2 und 6 Abs. 1 dieser Richtlinie dahin auszulegen sind, dass sie einer Eingruppierung nach dem Lebensalter der Beschäftigten widersprechen. Das BAG wollte außerdem wissen, ob bei dieser Auslegung das in Art. 28 der Charta bestätigte Recht auf Kollektivverhandlungen zu berücksichtigen ist.

Der EuGH entschied, dass das durch § 27 BAT i.V.m. Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT geschaffene Vergütungssystem zu einer unmittelbar auf dem Kriterium des Alters beruhenden Ungleichbehandlung i.S.d. Art. 2 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 führt. Diese Ungleichbehandlung ist nicht gerechtfertigt, denn es ist nicht zwingend so, dass ein höheres Lebensalter mit einer größeren Berufserfahrung einhergeht. Auch einen höheren finanziellen Bedarf älterer Arbeitnehmer konnte der EuGH nicht feststellen. Die Tatsache, dass das EU-Recht der Einteilung in Lebensaltersstufen entgegensteht und dass diese in einem Tarifvertrag enthalten ist, beeinträchtigt nicht das in Art. 28 der Charta anerkannte Recht, Tarifverträge auszuhandeln und zu schließen.

Mit weiteren Fragen in der Rechtssache C-297/10 wollte das BAG wissen, ob die Art. 2 und 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 sowie Art. 28 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie den Sozialpartnern keinen Gestaltungsspielraum einräumen, um die Diskriminierung wegen des Alters dadurch zu beseitigen, dass sie die Angestellten in ein neues tarifliches Vergütungssystem überleiten, das auf objektive Kriterien abstellt, zugleich aber, um den Übergang auf das neue tarifliche Vergütungssystem sicherzustellen, Beschäftigte unterschiedlichen Alters weiterhin ungleich behandeln, wenn die sich daraus ergebende Diskriminierung zur Wahrung des Besitzstands gerechtfertigt ist, wenn sie schrittweise abgebaut wird und wenn die Absenkung der Vergütung älterer Angestellter faktisch die einzige Alternative wäre.

Die nach dem BAT bezogene Vergütung bestand hauptsächlich aus der Grundvergü­tung, die bei der Einstellung ausschließlich anhand des Alters des Angestellten be­rechnet worden war. Die Art der Berechnung der Grundvergütung führt zu einer un­­mittelbar auf dem Kriterium des Alters beruhenden Ungleichbehandlung nach Art. 2 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78.

Das durch den TVÜ-Bund geschaffene System hat dadurch, dass es der Festlegung des Vergleichsentgelts die bisherige Vergütung zugrunde legt, die Sachlage fortgeführt, dass Angestellte allein wegen ihres Einstellungsalters eine geringere Vergütung erhalten als andere Angestellte, obwohl sie sich in einer vergleichbaren Situation befinden.

Diese Ungleichbehandlung kann sich im Rahmen des TVöD fortsetzen, da die end­­gültige Neueinstufung nach den Angaben des vorlegenden Gerichts ausgehend von der individuellen Zwischenstufe vollzogen wurde, die dem jeweiligen Angestellten im Rahmen des TVÜ-Bund zugewiesen worden war.

Der EuGH hat aber entschieden, dass diese Ungleichbehandlung gerechtfertigt war: Die Wahrung des Besitzstands einer Personengruppe ist ein zwingender Grund des Allgemeininteresses, der diese Einschränkung rechtfertigt, vorausgesetzt, dass die einschränkende Maßnahme nicht über das zur Wahrung des Besitzstands Erforderliche hinausgeht. Dies war hier nicht der Fall: 55 % der Angestellten des Bundes hätten eine monatliche Einkommenseinbuße von dur...

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