Das LG meint, durch das Vorhaben würden die Rechte der anderen Wohnungseigentümer "erheblich" beeinträchtigt werden. Zwar liege eine erhebliche Beeinträchtigung nicht schon darin, dass sich bei Umsetzung der geplanten Maßnahme gegebenenfalls eine Veränderung des Sichtschutzes ergebe oder das Anbringen von Blumenkästen erschwert werde. Aufgrund der Änderung der Balkonverkleidungen würden sich aber das optische Erscheinungsbild und das charakteristische Aussehen der Wohnungseigentumsanlage verändern.
Hinweis
In diesem Fall haben die Wohnungseigentümer die Bestimmung des § 22 Abs. 1 WEG nicht vollständig abbedungen. Die Wohnungseigentümer haben aber die zu erreichende Mehrheit verändert. In einem Fall bedarf es einer qualifizierten Mehrheit von 2/3, in einem anderen Fall einer einfachen Mehrheit. Die qualifizierte Mehrheit soll für bauliche Veränderungen gelten, durch die ein Wohnungseigentümer "erheblich" beeinträchtigt wird. Dieser Begriff ist für Wertungen offen. Das LG meint, eine Änderung der Balkonverkleidungen sei erheblich. Diese Einschätzung beruht auf einem Denkfehler. Zunächst wäre abstrakt zu definieren, was man unter "erheblich" zu verstehen hat. Dann kann man fragen, ob die Änderung der Balkonverkleidungen ein solcher Fall ist. Das LG behauptet hingegen eine Erheblichkeit mit dem Hinweis auf eine Änderung des optischen Erscheinungsbildes und der Änderung des charakteristischen Aussehens der Wohnungseigentumsanlage. Dies sind aber nur Änderungen. Sind sie aber auch "erheblich"? Und wenn ja, warum? Was haben sich die Wohnungseigentümer gedacht? Ist die Vereinbarung gegebenenfalls unklar? Im Fall heißt es im Übrigen, es müsse um die Beeinträchtigung der Rechte einzelner Wohnungseigentümer gehen. Das schließt es aber wohl aus, eine Änderung als Beeinträchtigung anzusehen, die alle Wohnungseigentümer in der gleichen Weise angeht.
Hinweis: Rechtsänderungen
In Fällen wie diesen fragt sich, was gilt, wenn sich etwas ändert. Sollte z. B. § 22 WEG reformiert werden und sollte sich der Gesetzgeber dafür entscheiden, andere Voraussetzungen für bauliche Veränderungen zu schaffen. Sollte er an dem Begriff festhalten, fragt sich, ob dann das neue Recht gilt oder die Vereinbarung, die zu einer anderen Zeit entstanden ist und etwas regeln wollte, was man heute gegebenenfalls anderes regeln würde. Hier gilt im Grundsatz: Ist das neue Recht nicht zwingend, kann man also von ihm abweichen, sind Vereinbarungen möglich. Gibt es solche bereits, muss man auslegen, was die Wohnungseigentümer mit der Vereinbarung gewollt haben. Dies zu leisten ist keine Aufgabe des Verwalters. Er sollte die Wohnungseigentümer aber informieren, dass eine Bestimmung der Gemeinschaftsordnung nach einer Gesetzesänderung keinen Anwendungsbereich mehr hat. Was gilt, müsste dann aber ein Gericht feststellen.