Leitsatz

Stimmt ein Wohnungseigentümer einer baulichen Maßnahme gemäß § 22 Abs. 1 WEG nicht zu, ist er gemäß § 16 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 WEG von den damit verbundenen Kosten befreit. Es kommt nicht darauf an, ob seine Zustimmung gemäß § 22 Abs. 1 i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG erforderlich war oder nicht. Er kann die Kostenfreistellung auch nach Bestandskraft des Beschlusses über die Durchführung der baulichen Maßnahme verlangen, sofern der Beschluss die Kostenverteilung nicht abschließend regelt.

 

Fakten:

Die Wohnungseigentümer hatten vorliegend mehrheitlich für eine Erweiterung des gemeinschaftlichen Schwimmbads durch Schaffung eines Ruheraums unter Einbeziehung der ehemaligen Hausmeisterwohnung beschlossen. Nach Durchführung der Baumaßnahmen hatte der Verwalter die Kosten nach dem geltenden Verteilungsschlüssel unter sämtlichen Eigentümern umgelegt. Einer der Wohnungseigentümer, der der Baumaßnahme nicht zugestimmt hatte, erhob eine Anfechtungsklage gegen den Genehmigungsbeschluss über die Jahresabrechnung. Die Klage hatte schließlich Erfolg. Das Amtsgericht hatte der Klage bereits stattgegeben, da nach der Bestimmung des § 16 Abs. 6 WEG sämtliche Eigentümer von den Kosten einer baulichen Veränderung befreit sind, die dem entsprechenden Beschluss nicht zugestimmt haben. Darauf, ob ihre Zustimmung erforderlich sei, komme es nicht an, da eine derartige Diferenzierung weder dem Gesetz zu entnehmen noch überhaupt sachdienlich sei. Die Berufung der übrigen beklagten Eigentümer hatte hingegen Erfolg. Das Landgericht war der Auffassung, nur diejenigen Eigentümer seien von den Kosten einer baulichen Veränderung des Gemeinschaf seigen-tums befreit, die der entsprechenden Maßnahme nicht zugestimmt hätten und deren Zustimmung auch nicht erforderlich wäre. Im Ergebnis also müssten diejenigen Eigentümer, die der Maßnahme nicht zugestimmt hatten, deren Zustimmung aber wegen einer Beeinträchtigung über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus erforderlich wäre, anteilig Kosten tragen. Der BGH konnte dem nicht folgen und bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts. Der BGH hat jedenfalls klargestellt, dass die in § 16 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 WEG angeordnete Kostenbefreiung nicht davon abhängt, ob die Zustimmung des Eigentümers zu der Maßnahme gemäß § 22 Abs. 1 i.V.m. § 14 Nr. 1 WEG erforderlich war oder nicht. Schon dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ist eine solche Diferenzierung nicht zu entnehmen. Maßgeblich ist danach nur, dass der Eigentümer einer Maßnahme nach § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG nicht zugestimmt hat, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob er über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt wird oder nicht.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 11.11.2011, V ZR 65/11BGH, Urteil vom 11.11.2011 – V ZR 65/11

Fazit:

Der Bundesgerichtshof hat endlich für Rechtssicherheit bei der Behandlung von Kosten einer baulichen Veränderung gesorgt. Die Entscheidung ist gerecht. Schließlich soll ein Eigentümer, der besonders beeinträchtigt wird, durch einen rechtswidrigen Beschluss nicht auch noch Kostennachteile hinnehmen müssen. Sie bewirkt auch, dass der Beschluss über die bauliche Maßnahme nicht allein im Hinblick auf die Kostenfolge angefochten werden muss. Im Übrigen steht es den Eigentümern frei, gemäß § 16 Abs. 4 WEG mit qualifizierter Mehrheit eine Kostenverteilung zu beschließen, die der Möglichkeit des Gebrauchs Rechnung trägt. In diesem Fall ist § 16 Abs. 6 Satz 1 WEG ohnehin nicht anwendbar.

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