1 Leitsatz
Die Klausel in einem Bauträgervertrag "Der Käufer/Erwerber übernimmt hiermit mit schuldbefreiender Wirkung für den Verkäufer/Veräußerer mit dem Verrechnungstag alle mit dem Eigentum am Vertragsgegenstand verbundenen Rechte und Verpflichtungen. Dies betrifft … auch die für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer begründeten Vertragsverhältnisse, insbesondere zur Ver- und Entsorgung, zum Betrieb, zur Verwaltung, zum Blockheizkraftwerk", gilt allenfalls zur Erfüllungsübernahme zulasten eines Erwerbers, nicht aber zulasten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.
2 Normenkette
§ 9a WEG
3 Das Problem
In Bauträgerverträgen aus dem Jahr 2015 heißt es: "Der Käufer/Erwerber übernimmt hiermit mit schuldbefreiender Wirkung für den Verkäufer/Veräußerer mit dem Verrechnungstag alle mit dem Eigentum am Vertragsgegenstand verbundenen Rechte und Verpflichtungen. Dies betrifft … auch die für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer begründeten Vertragsverhältnisse, insbesondere zur Ver- und Entsorgung, zum Betrieb, zur Verwaltung, zum Blockheizkraftwerk". Fraglich ist, ob die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K ein solches Vertragsverhältnis (Pacht- und Wärmelieferungsvertrag) geschlossen hat. Es gibt zwar einen Pacht- und Wärmelieferungsvertrag. Diesen hat aber Bauträger X im Jahr 2015 mit dem Energieversorgungsunternehmen B geschlossen.
4 Die Entscheidung
Das OLG meint, K und B verbinde kein Vertrag! Nach den Bauträgerverträgen seien allenfalls die (späteren) Wohnungseigentümer in den Vertrag mit B eingetreten, nicht aber K: die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. K und die Wohnungserwerber (= späteren Wohnungseigentümer) seien nicht gleichzusetzen. Es handele sich um unterschiedliche Rechtspersönlichkeiten. Die Erwerbsverträge regelten dabei (lediglich) das Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber. Die Erwerber könnten bei Abschluss der Erwerbsverträge nicht mit Wirkung für und gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer handeln. K sei auch nicht durch den Vertrag mit X in den Pacht- und Wärmelieferungsvertrag eingetreten. X habe die K nicht vertreten können. Als X gehandelt habe, habe es die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer noch nicht gegeben. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer habe das vollmachtlose Tun des X auch nicht genehmigt. Und K sei auch nicht durch die Abnahme der Wärme konkludent Vertragspartei geworden. Es liege kein Handeln vor, dass eindeutig auf eine Willensentschließung der K schließen lasse.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall fragt sich, ob die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen Vertrag übernommen hat, den zunächst der Bauträger geschlossen hatte.
Altrecht
Im Altrecht konnte der Bauträger vor Entstehung einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Verträge nur im eigenen Namen schließen und dann später darauf hoffen, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer diese Verträge übernimmt. "Automatismen" gab es nicht. Im Fall hätte der Bauträger den Vertrag daher am besten nur unter der Bedingung einer Vertragsübernahme oder einer Genehmigung seines Handelns ohne Vertretungsmacht geschlossen.
Aktuelles Recht
Seit dem 1.12.2020 entsteht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher und wird ab dann nach § 9b Abs. 1 Satz 2 WEG zunächst allein vom Bauträger vertreten. Heutzutage könnte X den Vertrag also problemlos für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer schließen. Er könnte alternativ auch eine Verwaltung installieren und den Vertrag beschließen. Hier droht also Missbrauch. Das ist auch bekannt. Der Gesetzgeber nimmt dieses Risiko in Kauf. Handeln müssen daher die (späteren) Wohnungseigentümer und die Verwaltungen. Hat der Bauträger seine Möglichkeiten missbraucht, schuldet er nämlich Schadensersatz. Das muss man erkennen – und verfolgen!
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Die Verwaltungen sind zu einem Vertragsmanagement verpflichtet. Teil dieser Aufgabe ist es, sämtliche Verträge der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu sichten und zu klären, ob diese angemessen sind. Diese Frage stellt sich insbesondere für solche Verträge, die der Bauträger als Vertreter der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach § 9b Abs. 1 Satz 2 WEG geschlossen hat. Stellt die Verwaltung hier Ungereimtheiten fest, sind unverzüglich die Wohnungseigentümer zu informieren und es ist – am besten anwaltlich beraten – festzustellen, was zu unternehmen ist und unternommen werden kann: Gegen die Vertragspartei und/oder den Bauträger.
6 Entscheidung
OLG Hamburg, Urteil v. 6.4.2023, 15 U 96/21