Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Anspruch des Sozialhilfeträgers gegen den Erben auf Ersatz der Kosten der dem Erblasser rechtmäßig geleisteter Sozialhilfe. Fiskus als Erbe. Haftungsbeschränkung auf den Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls. Berücksichtigung von Erblasser- und von Erbfallschulden bei der Ermittlung des Wertes des Nachlasses. Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 27. April 1999
Normenkette
BSHG § 92c Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2, 3 Nr. 1; BGB §§ 1936, 1942 Abs. 2, §§ 1964, 1967, 1975 ff., § 2311
Verfahrensgang
VG Regensburg (Urteil vom 27.04.1999; Aktenzeichen 4 K 97.1292) |
Tenor
I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 27. April 1999 wird abgeändert.
Der Bescheid des Beklagten vom 27. Mai 1997 und sein Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 1997 werden aufgehoben, soweit sie dem Kläger eine Leistungspflicht in Höhe von mehr als 24.395,09 DM auferlegen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1. Die Beteiligten streiten über den Umfang der Pflicht des Klägers zum Ersatz von Kosten der Sozialhilfe als Erbe der Hilfeempfängerin Frau K. (HE).
Die am 8. September 1996 verstorbene HE erhielt vom Beklagten in der Zeit vom 1. Januar 1990 bis zum 31. Januar 1992 Sozialhilfe in Form der Übernahme der Kosten einer Heimunterbringung in Höhe von rund 100.000 DM. Sie sparte ab Januar 1992 ein Vermögen von zuletzt 31.197,61 DM an. Erbe nach der HE ist der Kläger als Fiskus.
2. Der Beklagte verlangt vom Kläger mit Bescheid vom 27. Mai 1997 den Ersatz der Kosten seiner Sozialhilfeleistungen in Höhe von 27.538,19 DM. Dabei geht er von dem Wert des Aktivnachlasses (= 31.197,61 DM) abzüglich von Erblasserschulden (Auslagen und Vergütungen des Betreuers der HE) in Höhe von 619,42 DM, also von 30.578,19 DM, aus. Zudem berücksichtigt er den Freibetrag nach § 92 c Abs. 3 Nr. 1 des Bundessozialhilfegesetzes (hier: 3.040 DM) bei der Geltendmachung seines Anspruchs.
Der Kläger hat nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage zum Verwaltungsgericht erhoben mit dem Antrag,
den Bescheid vom 27. Mai 1997 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 17. Juni 1997 aufzuheben soweit diese Bescheide ihm eine Leistungspflicht in Höhe von mehr als 24.395,09 DM auferlegen.
Er ist der Auffassung, der Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalles habe 31.197,61 DM abzüglich der vom Beklagten berücksichtigten Erblasserschulden und abzüglich der sogenannten Erbfallschulden in Höhe von insgesamt 3.143,10 DM, nämlich (a) Gerichtskosten für eine angeordnete Nachlasspflegschaft (130 DM) und (b) eine Nachlasspflegevergütung in Höhe von 654,10 DM sowie (c) Beerdigungskosten in Höhe von 2.359 DM, betragen.
Das Verwaltungsgericht führt zur Begründung seines klageabweisenden Urteils im Wesentlichen aus: Der Kostenersatzanspruch des Beklagten, der eine Nachlassverbindlichkeit nach § 1967 BGB sei, gehe anderen Nachlassverbindlichkeiten, wie insbesondere Pflichtteilsansprüchen, Vermächtnissen oder etwaigen testamentarischen Auflagen, vor, weil den Verbindlichkeiten gegenüber der Allgemeinheit grundsätzlich ein Vorrang vor den privatrechtlichen Verbindlichkeiten einzuräumen sei. Daher habe der Beklagte zu Recht die geltend gemachten sogenannten Erbfallkosten in Höhe von insgesamt 3.143,10 DM, die im Zeitpunkt des Todes der HE noch nicht entstanden gewesen seien, bei der Bemessung des Werts des Nachlasses nicht berücksichtigt. Soweit in solchen Fällen ein Erbe aus seinem Eigenvermögen belastet werde, könne das im allgemeinen durch die Härtefallregelung ausgeglichen werden. Ein Härtefall liege hier aber nicht vor.
3. Der Kläger verfolgt sein Klagebegehren mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung weiter.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für richtig. Die Beerdigungskosten minderten den Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalles nicht. Der Erbe müsse in jedem Fall die Beerdigungskosten tragen, auch wenn sie durch den Nachlass nicht gedeckt seien. In diesem Falle verbleibe dem Erben die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung auf den Nachlass. Sein (des Beklagten) Ersatzanspruch sei vorrangig. Er entstehe bereits mit dem Zeitpunkt des Todes des Hilfeempfängers kraft Gesetzes. Die vom Kläger geltend gemachten Kosten entstünden jedoch erst später aus Anlass des Erbfalles.
4. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt. Wegen der Einzelheiten des Sachund Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Unterlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
1. Über die Berufung konnte im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO). Der Berufung war stattzugeben, weil der Bescheid vom 27. Mai 1997 und der Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 1997...