Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung der Erlaubnisfreiheit nach der Baumschutzverordnung. Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bayer. Verwaltungsgerichts München vom 1. Dezember 1983
Verfahrensgang
VG München (Urteil vom 01.12.1983; Aktenzeichen 2637 VIII 83) |
Tenor
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Zuziehung von Bevollmächtigten durch die Kläger im Widerspruchsverfahren war notwendig.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks Frau-Holle-Str. … in M. -W.. Auf der Grenze zu dem östlich anschließenden Grundstück der Beigeladenen an der Frau-Holle-Str. … steht eine etwa 10 m hohe Esche. Der Baum hat drei Stämme ausgebildet, die im Wurzelbereich miteinander verwachsen zu sein scheinen und sich etwa 20 cm über dem Erdboden voneinander trennen. Der stärkste der drei vorhandenen Stämme hatte am 29. September 1983 (beim Augenschein durch das Verwaltungsgericht) in 1 m Höhe einen Umfang von 78 cm, am 5. Juni 1984 (bei der Besichtigung durch den erkennenden Senat) einen Umfang von 79,70 cm. Etwa bis zu halber Höhe weist dieser Stamm eine schwache Neigung nach Westen (d. h. zum Grundstück der Kläger hin) auf; im weiteren Verlauf scheint der Stamm gerade in die Höhe zu wachsen. Die beiden schwächeren Stämme berühren den Luftraum über dem Grundstück der Kläger nicht.
Auf die Klage der Kläger verurteilte das Amtsgericht München die Beigeladenen mit Urteil vom 25. November 1982 (Az. 3 C 8259/82), ihre Zustimmungserklärungen zur Beseitigung der Esche zu erteilen.
Mit Schreiben vom 26. November 1982 – beantragten die Kläger bei der Beklagten als unteren Naturschutzbehörde, ihnen die Ausnahmeerlaubnis nach der Verordnung zum Schutz des Baumbestandes in der Landeshauptstadt München (Baumschutzverordnung) vom 23. März 1976 (veröffentlicht im Amtsblatt der Landeshauptstadt München Sondernummer 2 vom 31. März 1976) zur Beseitigung der Esche zu erteilen. Die Esche sei einer der größten Laubbäume Europas, werde bis zu 40 m hoch, bekomme eine weit ausladende Krone, wachse schnell und beute die Bodennährstoffe sehr stark aus. Sie sei daher für einen Kleingarten nicht geeignet und mindere das Grundstück in seinem Wert.
Mit Bescheid vom 28. Dezember 1982 lehnte die Beklagte die Erteilung der beantragten Ausnahmeerlaubnis ab. Gleichzeitig untersagte sie den Klägern die weitere Aufastung des Baumes. Zusätzlich gab sie ihnen auf, die Stummel fachgerecht nachzuschneiden und das Kronengleichgewicht wieder herzustellen.
Über den gegen diesen Bescheid am 27. Januar 1983 eingelegten Widerspruch der Kläger wurde nicht entschieden.
Am 3. Juni 1983 erhoben die Kläger Klage zum Bayer. Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 28. Dezember 1982 aufzuheben und festzustellen, daß zur Entfernung der genannten Esche keine Ausnahmeerlaubnis nach der Baumschutzverordnung der Beklagten erforderlich ist.
Hilfsweise beantragten die Kläger sinngemäß, die Beklagte zu verpflichten, ihnen die Ausnahmeerlaubnis nach der Baumschutzverordnung für die Entfernung der Esche zu erteilen.
Zur Klagebegründung beriefen sich die Kläger auf ihr gegen die Beigeladenen erstrittenes zivilgerichtliches Urteil. Weiter machten sie geltend, daß sie zur Entfernung der Esche keine Ausnahmeerlaubnis nach der Baumschutzverordnung benötigten. Die Verordnung schütze nur Bäume, die einen Stammumfang von mehr als 80 cm in 100 cm Höhe Über dem Erdboden hätten. Zu messen sei nicht der Gesamtumfang aller drei Stämme, sondern es komme auf den Jeweiligen Umfang der drei einzelnen Stämme an. Nur diese Auslegung entspreche dem Wortlaut des § 1 der Baumschutzverordnung.
Mit Beschluß vom 9. August 1983 lud das Verwaltungsgericht die Eheleute M. und M. R. zum Verfahren bei.
Nach Durchführung eines Augenscheins am 29. September 1983 gab das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 1. Dezember 1983 der Klage in den Hauptanträgen statt. Auf die Gründe dieses Urteils wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 9. Januar 1984 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24. Januar 1984 Berufung eingelegt mit dem Antrag, das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Zur Begründung hat sie im wesentlichen vorgetragen: Sowohl bei wörtlicher als auch bei sinngemäßer Auslegung des § 1 Abs. 1 der Baumschutzverordnung seien bei mehrstämmigen Bäumen die Stammumfänge zusammenzuzählen, sofern es sich überhaupt um einen Baum und nicht etwa um einen Strauch handele. Lediglich die tief am Stamm ansetzenden Äste blieben außer Betracht. Bei natürlicher Betrachtungsweise unterfalle der mehrstämmige Baum dem Begriff „Baum”. Der in § 1 Abs. 1 der Baumschutzverordnung verwendete Begriff „Bäume” umfasse auch den mehrstämmigen Baum. Die Vorschrift stelle auf den Stammumfang der Bäume und nicht auf den „Umfang eines Stammes” oder gar auf den „Umfang des Hauptstammes” ab. Der Grundsatz der Normenklarheit und das Gebot der Rechtssicherheit...