Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit und Begründetheit einer Anhörungsrüge nach Senatswechsel aufgrund unterschiedlicher Beurteilung der Berufungsfähigkeit. Fortsetzung eines Klageverfahrens. Beschwerdegegenstand. Sozialgerichtliches Verfahren: Verfahren auf Fortsetzung eines Klageverfahrens nach Klagerücknahme. Wert des Beschwerdegegenstandes. Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde
Leitsatz (amtlich)
1. Ist streitig, ob ein Klageverfahren nach Rücknahme fortzusetzen ist, ist für die Frage der Berufungsfähigkeit auf den Streitgegenstand dieses Verfahrens abzustellen.
2. War Gegenstand des durch Rücknahme erledigten Klageverfahren eine Forderung in Höhe von 17,82 EUR, ist gegen das Urteil, mit dem die Erledigung des Rechtsstreits festgestellt wurde, nicht die Berufung, sondern die Nichtzulassungsbeschwerde statthaft.
Tenor
I. Auf die Anhörungsrüge des Beschwerde- und Rügeführers wird das Verfahren mit dem ursprünglichen Aktenzeichen L 8 AS 817/15 NZB fortgesetzt.
II. Die Gegenvorstellung gegen den Beschluss des Bayer. Landessozialgerichts vom 21. Dezember 2015 über die Verwerfung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 3. November 2015 (L 8 AS 817/15 NZB) wird zurückgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Bayer. Landessozialgericht war das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 03.11.2015 (S 15 AS 665/15), in dem der Kläger und Rügeführer (Rf) die Feststellung beantragte, dass der Rechtsstreit S 15 AS 391/15 nicht durch Klagerücknahme erledigt ist.
Gegenstand des Klageverfahrens S 15 AS 391/15 war die endgültige Festsetzung der Leistungen des Rf nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) mit Bescheid vom 14.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2015. Mit diesem Bescheid fordert der Beklagte und Rügegegner (Rg) vom Rf einen Betrag von 17,82 € zurück. Dagegen erhob der Rg Klage zum Sozialgericht Augsburg, die er im Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.06.2015 nach Erörterung der Sach- und Rechtslage zurücknahm (vgl. Niederschrift vom 18.06.2015 im Verfahren S 15 AS 391/15).
Mit Schriftsatz vom 23.06.2015 erklärte der Rf, dass die Erklärung, die Klage zurückzunehmen, wegen Irrtums gemäß § 119 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) angefochten und die Niederschrift widerrufen werde. Die Klage sei kurzfristig und unvorbereitet in die Verhandlung mit einbezogen worden. Ladungsfristen seien nicht eingehalten worden. Der Bevollmächtigte habe keine Bedenkzeit gehabt und sei überrumpelt worden. Die Niederschrift sei mangels richterlicher Aufklärungspflicht anfechtbar und unwirksam. Inzwischen sei wegen der streitigen Forderung auch ein Überprüfungsantrag gestellt worden.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Augsburg am 03.11.2015 beantragte der Rf, festzustellen, dass der Rechtsstreit S 15 AS 391/15 nicht durch Klagerücknahme erledigt ist. Mit Urteil vom 03.11.2015 wies das Sozialgericht die Klage ab und stellte fest, dass der Rechtsstreit S 15 AS 391/15 durch Rücknahme erledigt sei. Die Rücknahme sei vom Rf wirksam erklärt und protokolliert worden. Der Sachverhalt sei zuvor ausführlich besprochen worden. Die Rücknahme könne nicht durch Anfechtung beseitigt werden. Wiederaufnahmegründe würden nicht vorliegen. Ausgehend von dem im Klageverfahren S 15 AS 391/15 streitigen Betrag von 17,88 € werde ein den Beschwerdewert von 750 € übersteigender Betrag nicht erreicht. Die Berufung sei daher nicht statthaft.
Mit Schriftsatz vom 18.11.2015 an das Bayer. Landessozialgericht hat der Rf beantragt, das Urteil vom 04.11.2015 als unzulässig zu verwerfen, da gegen die Vorsitzende Befangenheitsanträge vorliegen würden. Diese seien zwar mit Beschluss vom 21.09.2015 abgelehnt worden. Es sei aber anschließend das Rechtsmittel der formlosen Gegendarstellung erhoben worden, über das noch keine Entscheidung ergangen sei. Weitere Begründung werde nachgereicht, sobald die Einlassung der Gegenseite vorliege.
Der Rg hat mit Schriftsatz vom 09.12.2015 zur Beschwerde Stellung genommen.
Mit Schriftsatz vom 16.12.2015 rügte der Rf, dass ihm noch nicht die Stellungnahme des Rg vorliege.
Mit Beschluss vom 21.12.2015 hat das Bayer. Landessozialgericht die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 03.11.2015 als unzulässig verworfen. Tatsächlich sei ungeachtet der Höhe des im Verfahren S 15 AS 391/15 streitigen Betrags gegen das Urteil im Verfahren S 15 AS 665/15 die Berufung statthaft. Gegenstand dieses Klageverfahrens sei ausschließlich die Frage, ob das Klageverfahren S 15 AS 391/15 fortzusetzen sei.
Am 05.01.2016 (Eingang beim Bayer. Landessozialgericht) hat der Rf eine Gehörsrüge sowie eine Gegenvorstellung erhoben. Er sei vor der Abfassung des Beschlusses nicht angehört worden. Er habe mitgeteilt, dass er die Sache mündlich vortragen wolle. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs sei auch entscheidungserheblich, denn das angerufene Ger...