Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Ordnungsgeld. Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers. Ausbleiben. Anwesenheit des Prozessbevollmächtigten. Abschluss eines Vergleichs mit Widerrufsfrist. Widerruf. Zustellung des Ordnungsgeldbeschlusses nur an Prozessbevollmächtigten

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Ordnungsgeldbeschluss gegen einen säumigen, anwaltschaftlich vertretenen Kläger im Bürowege ist unzulässig, wenn in der vorangegangenen mündlichen Verhandlung ein widerruflicher Vergleich geschlossen wurde und dieser später widerrufen wird.

 

Orientierungssatz

Wird ein Ordnungsgeldbeschluss nicht dem säumigen Beteiligten, sondern nur dessen Prozessbevollmächtigten zugestellt, setzt dies die Beschwerdefrist des § 173 SGG nicht in Lauf (vgl LAG Nürnberg vom 10.7.2008 - 2 Ta 115/08).

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 16. März 2009 aufgehoben.

II. Dem Beschwerdeführer sind die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens aus der Staatskasse zu erstatten.

III. Im Übrigen werden keine Kosten erhoben.

 

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen ihm auferlegtes Ordnungsgeld und gegen Kosten.

Im Ausgangsverfahren vor dem Sozialgericht München begehrte der Beschwerdeführer Honorarkürzungen verschiedener Quartalsabrechnungen aufzuheben. Im Verfahren S 39 KA 12/09 rügte er den Regress für die Abrechnung des 3. Quartals 2005, im Verfahren S 39 KA 13/09 des 4. Quartals 2005 und im Verfahren S 39 KA 14/09 des 1. Quartals 2006.

Am 14.01.2009 verfügte das Sozialgericht die Ladung der Beteiligten zum Erörterungstermin am 12.02.2009. Es ordnete hierzu das persönliche Erscheinen des anwaltschaftlich vertretenen Beschwerdeführers an. Die Ladung, in der die Aktenzeichen S 39 KA 12/09 bis S 39 KA 15/09 aufgeführt waren, wurde dem Beschwerdeführer mit Postzustellungsurkunde, die sich nicht in den Akten befindet, zugestellt.

In der Ladung wurde darauf hingewiesen, der Beschwerdeführer habe auch dann zu erscheinen, wenn er einen Bevollmächtigten entsende. Das Auftreten eines Prozessbevollmächtigten könne untersagt werden, solange der Beschwerdeführer unbegründet ausbleibe und dadurch der Zweck der Anordnung vereitelt werde. Im Falle seines unentschuldigten Ausbleibens, könne ihm Ordnungsgeld auferlegt werden.

Im Termin zur Erörterung am 12.02.2009 erschien der Beschwerdeführer nicht, jedoch sein Prozessbevollmächtigter. In einem zu den Verfahren S 39 KA 12/09 bis S 39 KA 15/09, S 39 KA 938/08, S 39 KA 944/08 und S 39 KA 945/08 gemeinsam geführten Protokoll vom 12.02.2009 ist ein von den Beteiligten geschlossener Vergleich festgehalten. Darin wird der Regress in allen streitigen Quartalen um 50 % reduziert; dem Beschwerdeführer wurde eine einwöchige Widerrufsfrist eingeräumt. Am 19.02.2009 widerrief der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers den Vergleich; er bat um Äußerungsfrist bis 13.03.2009.

Am 16.03.2009 legte das Sozialgericht dem Beschwerdeführer Ordnungsgeld in Höhe von 500,00 EUR und Kosten des versäumten Termins von 100,00 EUR auf. Im Beschluss waren die Aktenzeichen S 39 KA 12/09, S 39 KA 13/09 und S 39 KA 14/09 aufgeführt. Den Beschluss begründete das Sozialgericht damit, dass der Beschwerdeführer trotz ordnungsgemäßer Ladung dem Termin unentschuldigt ferngeblieben sei.

Der Beschluss wurde dem Bevollmächtigten des Beschwerdeführers mit Empfangsbekenntnis vom 24.03.2009 zugestellt.

Dagegen wurde mit beim Sozialgericht am 23.04.2009 eingegangenen Fax Beschwerde eingelegt. Der Beschwerdeführer sei nicht unentschuldigt dem Termin ferngeblieben. Er sei am Morgen des Verhandlungstages von seiner Ehefrau tätlich angegriffen worden. Dabei habe er sich eine 2 cm lange Kratzwunde am rechten Außenknöchel zugezogen. Er habe einen Arzt aufgesucht, wie das anliegende Attest bestätige. Darüber hinaus habe ihn der Vorfall psychisch belastet.

Der Beschwerdeführer beantragt,

den Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts München vom 16.03.2009 aufzuheben.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der beigezogenen Akten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist statthaft und zulässig (§ 172 Abs. 1, 173 SGG) und begründet. Der Ordnungsgeldbeschluss vom 16.03.2009 war aufzuheben.

Die Beschwerde ist fristgerecht eingelegt worden gemäß § 173 SGG. Dies gilt allein schon deswegen, weil der Ordnungsgeldbeschluss dem säumigen Beteiligten zuzustellen ist und hier nur an den Prozessbevollmächtigten zugestellt wurde. Dies setzt die Beschwerdefrist nicht in Lauf (LAG Nürnberg Beschluss vom 10.07.2008 2 Ta 115/08).

Die Beschwerde ist auch begründet. Der Beschluss vom 16.03.2009 leidet an verschiedenen Mängeln. Der Senat geht davon aus, dass der Beschwerdeführer die Ladung erhalten hat, obwohl dies der Akte nicht zu entnehmen ist. Die Verhängung von Ordnungsgeld kann in Ausnahmefällen auch - wie hier - im Bürowege, d. h. außerhalb der mündlichen Verhandlung erfolgen. Eine solche Verfahrensweise kann z. B. dann geboten sein, we...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?