Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewährung von Ermessensleistungen im Verfahren des einsteiligen Rechtsschutzes. Anordnungsgrund für Zeiträume vor einer gerichtlichen Entscheidung
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Gewährung von Ermessensleistungen in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist eine Ermessensreduzierung auf “Null„ zu fordern, dh dass jede andere Entscheidung als eine Bewilligung der konkret beantragten Leistung rechtlich fehlerhaft erscheinen muss.
2. Ein Anordnungsgrund für Zeiträume vor einer gerichtlichen Entscheidung ist nur ausnahmsweise anzunehmen, wenn ein noch gegenwärtig schwerer, irreparabler und unzumutbarer Nachteil glaubhaft gemacht wird, und sich ein besonderer Nachholbedarf durch die Verweigerung der Leistungen in der Vergangenheit auch in der Zukunft noch fortwirkt.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 03.11.2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragstellerin (ASt) begehrt die Bewilligung von Einstiegsgeld.
Die ASt bezog durch die ARGE N. seit 01.07.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), zuletzt mit Bescheid vom 03.01.2008 für die Zeit bis 30.06.2008.
Am 22.08.2007 beantragte die ASt bei der ARGE N. - mündlich im Rahmen einer Eingliederungsvereinbarung - die Bewilligung von Einstiegsgeld zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit (Call-Center).
Nach Eingang des schriftlichen Antrages am 14.02.2008 bewilligte die ARGE N. der ASt mit Bescheid vom 14.02.2008 für den Zeitraum vom 15.02.2008 bis 14.08.2008 Einstiegsgeld nach § 29 SGB II in Höhe von 173,50 EUR monatlich. Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die ASt geltend, dass die Zahlung des Einstiegsgeldes bereits seit dem Zeitpunkt der Antragstellung im Juli 2007 zu erfolgen habe. Darüber hinaus sei der Bewilligungszeitraum auf zwölf Monate auszudehnen.
Gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 28.04.2008 hat die ASt am 27.05.2008 Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben (S 19 AS 604/08). Bereits am 08.05.2008 (in der Gestalt des Bescheides vom 11.08.2008) hatte die ARGE N. ihren Bewilligungsbescheid vom 14.02.2008 in vollem Umfang zurückgenommen, weil die ASt ihren Wohnsitz bereits ab dem 01.12.2007 nach A-Stadt verlegt habe und die Anspruchsvoraussetzungen für die Bewilligung des Einstiegsgeldes von Anfang an nicht vorgelegen hätten. Über diese Klage hat das SG - soweit nach Lage der Akten ersichtlich - noch nicht entschieden.
Am 14.05.2008 sprach die ASt erstmals bei der Ag vor und begehrte dort die Bewilligung von Einstiegsgeld für die Zeit ab 14.08.2007 für die Dauer von einem Jahr.
Am 29.09.2008 hat die ASt beim Sozialgericht Nürnberg beantragt, die Ag (ARGE Stadt A-Stadt) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zur Zahlung von Einstiegsgeld zu verpflichten. Anfang 2008 habe sie ihre selbständige Tätigkeit wieder in Angriff genommen. Ohne den Zuschuss könne sie diese Tätigkeit nicht fortführen, insbesondere weil noch Inventar angeschafft werden müsse.
Die ARGE N. und die Ag haben in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass die Zuständigkeit mit dem Umzug der ASt nach A-Stadt auf die Ag übergegangen sei. Es sei seitens der Ag beabsichtigt, den am 30.09.2008 dort gestellten Antrag auf Bewilligung des Einstiegsgeldes - im Hinblick auf das zwischenzeitlich vorgelegte, tragfähige Konzept - positiv zu verbescheiden.
Das SG hat mit Beschluss vom 03.11.2008 den Antrag auf einstweiligen Rechtschutz abgelehnt, weil ein Anordnungsgrund nicht gegeben sei. Die ASt habe erstmals am 30.09.2008 tragfähige Unterlagen für die beabsichtigte Existenzgründung vorgelegt, die noch der Ergänzung bedurften. Die Verzögerungen im Entscheidungsprozess der Ag habe allein die ASt zu vertreten, weil sie ursprünglich den Antrag beim örtlich unzuständigen Grundsicherungsträger gestellt habe. Darüber hinaus sei ein Anordnungsanspruch nicht ersichtlich, denn die Leistungen nach § 29 SGB II seien als Ermessensleistungen im Rahmen eines Eilverfahrens nur zuzusprechen, wenn die Voraussetzungen für eine Ermessensreduzierung auf "Null" vorliegen würden.
Gegen diesen Beschluss hat die ASt am 08.12.2008 Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Den Umzug habe sie nicht angegeben, weil man ihr versichert habe, dass die ARGE N. und die Ag zusammengehören würden. Man habe ihr auch zugesagt, dass das Einstiegsgeld für die Zeit ab der Antragstellung rückwirkend gezahlt werde.
Die Ag hat hierzu mitgeteilt, dass sie der ASt bereits mit Bescheid vom 04.11.2008 für den Zeitraum vom 01.10.2008 bis 31.03.2009 Einstiegsgeld nach § 29 SGB II in Höhe von monatlich 173,50 EUR bewilligt habe.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten der ARGE N. und der Ag sowie die gerichtlichen Akten erster und zweiter Instanz verwiesen.
II.
Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig, §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Das Rechtsmittel e...