Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Angabe einer zu langen Strecke durch den Antragsteller ist der Entschädigung die mit einem Routenplaner ermittelte schnellste Strecke zugrunde zu legen.
2. Bei der Prüfung von Verdienstausfall sind die Erwerbsverhältnisse nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Lebensverhältnisse und der regelmäßigen Erwerbstätigkeit des Berechtigten zu beurteilen. Sind die Angaben über die Erwerbstätigkeit und die Höhe des Entgelts unwahrscheinlich, hat das Gericht zumindest eine Glaubhaftmachung oder sogar einen Nachweis zu verlangen.
Tenor
Die Entschädigung des Antragstellers für die Wahrnehmung des Termins vor dem Bayer. Landessozialgericht am 28.10.2011 wird auf 96,75 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) wegen der Wahrnehmung eines Gerichtstermins, zu dem sein persönliches Erscheinen angeordnet worden ist. Insbesondere macht er einen Verdienstausfall als Selbständiger geltend.
In dem am Bayerischen Landessozialgericht (Bayer. LSG) anhängig gewesenen Rechtsstreit des Antragstellers gegen das Jobcenter Passau fand am 28.10.2011 ein Erörterungstermin vor dem Bayer. LSG statt; das persönliche Erscheinen des Antragstellers war angeordnet. Die mündliche Verhandlung dauerte von 11.30 Uhr bis 12.45 Uhr. Bereits vor dem Termin hatte der Antragsteller mit Hinweis auf das gegen ihn anhängige Insolvenzverfahren vom Gericht die Vorauskasse für die erforderliche Fahrkarte erbeten; anderenfalls - so der Antragsteller im Schreiben vom 06.10.2011 - könne er nicht bei Gericht erscheinen. Mit Schreiben vom 18.10.2011 teilte er ergänzend mit, dass er sich die Geld für die Anreise ausleihen würde, und erbat eine Barauszahlung der Fahrtkosten am Terminstag.
Mit persönlich am 28.10.2011 abgegebenen Entschädigungsantrag (Unterschrift "27.10.2011") beantragte der Antragsteller die Entschädigung für das Erscheinen bei der mündlichen Verhandlung am selben Tag. Er sei selbständiger Baumeister. Ihm sei für die Zeit von 8.00 Uhr bis 14.00 Uhr ein Verdienstausfall von insgesamt 492,- € (Stundensatz 82,- €) entstanden. Weiter machte er Fahrtkosten für die Anreise mit dem PKW bei einer Fahrtstrecke von 360 km und Zehrkosten in Höhe von 12,- € geltend. Von zu Hause sei er um 8.30 Uhr weggefahren.
Bereits am 28.10.2011 erfolgte unter Zugrundelegung der km-Angabe des Antragstellers eine Barauszahlung in Höhe von 90,- € für Fahrtkosten.
Nachdem er trotz konkreter Nachfrage der Kostenbeamtin zum Verdienstausfall außer einer Gewerbeanmeldung vom Jahr 2007 keinerlei Unterlagen zur Glaubhaftmachung seiner Angaben vorgelegt, sondern sich vielmehr über das Zustandekommen seiner Insolvenz ausgelassen hatte, lehnte die Kostenbeamtin des Bayer. LSG mit Schreiben vom 19.12.2011 eine Entschädigung von Verdienstausfall ab. Der Antragsteller habe - so die Kostenbeamtin - einen Verdienstausfall nicht nachweisen können.
Dagegen hat sich der Antragsteller mit Schreiben vom 22.12.2011 gewandt. Im Winter 2011/2012 habe - so der Antragsteller - kein regelmäßiges Einkommen bestanden, da er wegen der Korruption (im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren) alles wieder neu habe aufbauen müssen. Sein Stundensatz betrage 82,- €. Mit Schreiben vom 02.03.2012 hat der Antragsteller mitgeteilt, wieder ein Einkommen von 6.000,- € im Monat zu erwirtschaften und nicht mehr von Hartz IV abhängig zu sein. Auf die Aufforderung des Gerichts vom 15.03.2012, geeignete Nachweise für den geltend gemachten Verdienstausfall vorzulegen (z.B.Steuererklärung 2011, Rechnungen in entsprechender Anzahl samt Nachweis der Zahlungseingänge), hat der Antragsteller lediglich zwei Rechnungen vom 04.12.2011 über jeweils 595,- € (ohne Zahlungsnachweis) vorgelegt.
II.
Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier der Berechtigte mit Schreiben vom 28.10.2011 die gerichtliche Festsetzung beantragt.
Die Entschädigung für die Wahrnehmung des Termins vom 28.10.2011 ist auf 96,75 € festzusetzen. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht.
Beteiligte eines gerichtlichen Verfahrens sind gemäß § 191 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wie Zeugen zu entschädigen, sofern es sich um ein gerichtskostenfreies Verfahren im Sinne des § 183 SGG handelt. Die Entschädigung ergibt sich aus dem JVEG. Die Entschädigungstatbestände (für einen Zeugen) sind in § 19 JVEG aufgelistet.
1. Fahrtkosten
Für Fahrtkosten gemäß § 5 JVEG ist eine Entschädigung in Höhe von 78,75 € zu leisten.
Die Festsetzung von Fahrtkosten ist der gerichtlichen Entscheidung nicht dadurch entzogen, dass der Antragsteller dafür bereits eine Barauszahlung erhalten hat. Dabei handelt es sich wie bei der später erfolgten schriftlichen Kostenfestsetzung durch die Kostenbeamtin um eine lediglich vorläufige Regelung, die durch den Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung hinfällig wird (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.11.1968, Az.: RiZ (R) 4/68).
Zu entschädigen sind die objektiv erforderlichen ...