Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsgeld. Anordnung des persönlichen Erscheinens. Aufklärung des Sachverhalts. Vertreter. Höchstpersönliche Kenntnis. Klagerücknahme
Leitsatz (amtlich)
Die Ermächtigung des sachkundigen Vertreters muss auch z.B. die Abgabe einer Erledigterklärung oder einer Klagerücknahme umfassen.
Normenkette
SGG §§ 111, 202; ZPO § 141 Abs. 1, 3, §§ 380-381; EGStGB Art. 6 Abs. 1
Tenor
I. Auf die Beschwerden werden die Beschlüsse des Sozialgerichts Bayreuth vom 7. Februar 2011 abgeändert und die Höhe des Ordnungsgeldes auf jeweils 40,00 EUR festgesetzt.
II. Im Übrigen werden die Beschwerden gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Bayreuth vom 7. Februar 2011 zurückgewiesen.
III. Dem Beschwerdeführer sind jeweils zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beschwerden richten sich gegen die Verhängung von Ordnungsgeld.
In den Verfahren vor dem Sozialgericht Bayreuth (Az.: S 14 AS 627/09; S 14 AS 934/10; S 14 AS 1035/10; S 14 AS 1036/10; S 14 AS 1179/10 ER) hat das Sozialgericht bereits am 21. Oktober 2010 einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage abgehalten und mit Beschluss das angeordnete persönliche Erscheinen des Bf. aufgehoben, nachdem nur der Prozessbevollmächtigte des Bf. - mit Vollmacht nach § 141 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) vom 20. Oktober 2010 - erschienen war. Für den 7. Februar 2011 hat das Sozialgericht jeweils zu einem weiteren Erörterungstermin geladen und wiederum das persönliche Erscheinen des Bf. angeordnet. Die Ladungen wurden dem Bf. am 14. Januar 2011 zugestellt. Sie war mit dem Hinweis versehen, dass gegen den Bf. ein Ordnungsgeld bis zu 1.000.- EUR festgesetzt werden kann, falls er ohne genügende Entschuldigung nicht erscheint.
Zur Sitzung am 7. Februar 2011 ist zwar der Prozessbevollmächtigte des Bf., nicht jedoch der Bf. selbst erschienen. Der Prozessbevollmächtigte hat Gründe für das Ausbleiben des Bf. nicht vortragen können. Er sei jedoch zum Abschluss von Vergleichen befugt, so lange diese weder zum finanziellen noch zum rechtlichen Nachteil in der Person des Klägers führen würden. Auch dürfe er nicht dahingehend handeln, dass die gestellten Anträge an den Beklagten oder an das Sozialgericht gegenstandslos werden würden.
Der Kammervorsitzende hat mit Beschlüssen vom 7. Februar 2011 ein Ordnungsgeld in Höhe von 200.- EUR verhängt. Der Bf. sei zum Termin nicht erschienen und habe sich deswegen nicht unter Angaben von Gründen entschuldigt.
Zur Begründung der hiergegen eingelegten Beschwerden, die der Senat mit Beschluss vom 23. März 2011 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat, hat der Prozessbevollmächtigte des Bf. auf die Regelung des § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO verwiesen. Die ihm erteilte Vollmacht sei umfassend und habe ihn ermächtigt, sämtliche Prozesshandlungen zu erklären. Der in der Sitzungsniederschrift formulierte Zusatz sei rein deklaratorisch und bestätige lediglich die ohnedies bestehende Verpflichtung des anwaltlichen Vertreters, nicht zu dessen Nachteil zu handeln. Der Bf. sei deshalb ordnungsgemäß vertreten gewesen.
II.
Die Beschwerden sind zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG), jedoch nur im Hinblick auf die Höhe des Ordnungsgeldes begründet.
Nach §§ 111, 202 SGG in Verbindung mit § 141 ZPO kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zur mündlichen Verhandlung angeordnet werden und derjenige, der der Anordnung nicht Folge leistet, mit Ordnungsgeld wie ein im Vernehmungstermin nicht erschienener Zeuge belegt werden. Ob der Vorsitzende eine Anordnung nach § 111 SGG treffen will, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Hält er zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vor der gesamten Kammer eine Erörterung der Sach- und Rechtslage für notwendig, so kann er hierzu das persönliche Erscheinen eines Beteiligten anordnen. Nach § 141 Abs. 1 S. 1 ZPO ist die Anordnung des persönlichen Erscheinens eines Beteiligten dann ermessensfehlerfrei, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint.
Der Bf. war jeweils ordnungsgemäß geladen und ohne Angabe eines Entschuldigungsgrundes zu dem Sitzungstermin nicht erschienen. Ein Entschuldigungsgrund nach § 381 ZPO wurde weder rechtzeitig vor der Sitzung, zur Sitzung noch nach der Sitzung vorgebracht.
Einer Verhängung von Ordnungsgeld nach §§ 141 Abs. 3 S. 1, 380, 381 ZPO steht auch nicht § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO entgegen, der gemäß § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren seine Gültigkeit hat. Danach kann die Partei auch bei Anordnung des persönlichen Erscheinens einen voll informierten, zur Abgabe aller nötigen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, bevollmächtigten Vertreter entsenden, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage ist. Es ist anerkannt, dass als Vertreter ausnahmsweise auch der Prozessbevollmächtigte auftreten kann. Dieser muss jedoch über ausreichende Kenntnisse über die den Gegenstand des Rechtsstreits bildenden Verhältnisse verfügen (so auch Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss v...