Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren
Leitsatz (amtlich)
Teilt ein Zeuge mit, er sei derzeit mittellos und könne die Fahrtkosten zum 600 km entfernten Gerichtsort nicht aufbringen, so gilt als hinreichende Entschuldigung, wenn ihm das Gericht wegen der kurzen Zeit zwischen Zustellung der Ladung und dem Termin, keine Fahrkarte vorab zuschicken kann.
Tenor
I. Der Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 8. Mai 2008 wird aufgehoben.
II. Die Staatskasse hat dem Beschwerdeführer die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
III. Im Übrigen werden keine Kosten erhoben.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Auferlegung von Ordnungsgeld.
Im Hauptsacheverfahren macht die dortige Klägerin einen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II) geltend. Dies hängt im Wesentlichen davon ab, ob die Klägerin im streitigen Zeitraum mit dem Zeugen in B. in einer bloßen Wohn- bzw. Haushaltsgemeinschaft oder in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft gelebt hatte. Die Beklagte hatte Letzteres angenommen und Leistungen gekürzt.
Mit Verfügung vom 14.04.2008 lud das Sozialgericht Bayreuth (SG) den Beschwerdeführer als Zeugen auf den 06.05.2008 zum nicht öffentlichen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage sowie zur Beweisaufnahme. Die Ladung wurde dem in A-Stadt wohnhaften Beschwerdeführer mit Postzustellungsurkunde vom 28.04.2008 zugestellt und zwar durch Einlegung in seinen zur Wohnung gehörenden Briefkasten. Mit beim SG am 02.05.2008 um 15.44 Uhr eingegangenem Fax erklärte der Beschwerdeführer, er habe die Ladung zum 28.04.2008 erhalten, könne aber nicht kommen, weil er nicht in der Lage sei, die Fahrtkosten vorab aufzubringen; er sei arbeitslos, habe zwar einen Antrag auf Arbeitslosengeld bzw. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gestellt, hierüber sei jedoch noch nicht entschieden worden.
Das Gericht bearbeitete das am Freitag eingegangene Fax laut Aktenvermerk am Montag, den 05.5.2008. Durch Rückfrage bei der ARGE A-Stadt stellte es fest, dass dem Beschwerdeführer noch keine Leistungen bewilligt worden waren.
Im Termin zur Erörterung am 06.05.2008 war der Zeuge nicht erschienen; es wurde eine andere Zeugin einvernommen und die Verhandlung vertagt. Die Bevollmächtigte der Klägerin bestand auf der Einvernahme des Beschwerdeführers als Zeugen. Im Termin legte die Klägerin eine elektronische Nachricht aus dem Chatroom von einem als Freeman 42 bezeichneten Absender vom 28.04.2008 vor, mit dem Inhalt, die Klägerin solle ihn in Ruhe
lassen, er frage, was das mit der Vorladung sein solle. Er verweise auf seine früheren Aussagen.
Mit Beschluss vom 08.05.2008 im Bürowege legte das SG dem Beschwerdeführer Ordnungsgeld in Höhe von 150,00 EUR wegen unentschuldigten Fernbleibens auf. Die Säumnis sei nicht rechtzeitig entschuldigt, weil der Zeuge bzw. Beschwerdeführer, wenn er seinen Hinderungsgrund unverzüglich geltend gemacht hätte, noch rechtzeitig vor dem Termin eine Fahrkarte über das Gericht hätte auf dem Postwege erhalten können. Ordnungsgeld in Höhe von 150,00 EUR sei angemessen.
Zu einem weiteren Erörterungstermin am 09.07.2008 lud das SG u.a. auch den Beschwerdeführer erneut. Die Ladung hierzu ging dem Beschwerdeführer am 30.06.2008 zu und wurde in seinen zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt. Im Erörterungstermin am 09.07.2008 war der Beschwerdeführer nicht erschienen. Das Verfahren konnte nach Einvernahme eines weiteren Zeugen durch Vergleich abgeschlossen werden, nachdem durch die Aussage dieses Zeugen der strittige Punkt geklärt werden konnte.
Laut Postzustellungsurkunde wurde der Ordnungsgeldbeschluss vom 08.05.2008 dem Beschwerdeführer am 23.07.2008, wiederum durch Einlegen in den Briefkasten, in A-Stadt zugestellt.
In einem Schreiben, das das Datum vom 26.06.2008 trägt und das am 29.07.2008 vom SG bearbeitet wurde, teilte der Beschwerdeführer mit, er sei vom 28.06. bis 12.07.2008 in Urlaub gewesen und habe deshalb nicht zum Termin am 09.07.2008 erscheinen können. Dieses Schreiben fasste das SG als Beschwerde gegen den Ordnungsgeldbeschluss vom 08.05.2008 auf. Es legte die Beschwerde zur Entscheidung dem Bayer. Landessozialgericht vor.
Auf Hinweis des Senats vom 10.10.2008, dass der Ordnungsgeldbeschluss vom 08.05.2008 wegen seines Fernbleibens vom Termin am 06.05.2008 ergangen sei und deshalb seine Urlaubsabwesenheit vom 28.06. bis 12.07.2008 keine geeignete Entschuldigung sei, äußerte sich der Beschwerdeführer nicht mehr.
Der Senat geht davon aus, dass der Beschwerdeführer beantragt,
den Ordnungsgeldbeschluss des SG vom 08.05.2008 aufzuheben.
II.
Die statthafte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch begründet.
Der Senat schließt sich der Auffassung des SG an, dass das Schreiben des Beschwerdeführers vom 26.06.2008, das vermutlich erst im Juli 2008 eingegangen war, was das Bearbeitungsdatum vom 29.07.2008 und der darin als Entschuldigung angefüh...