Entscheidungsstichwort (Thema)
einstweilige Anordnung. Feststellung der Nichtigkeit von Sanktionsbescheiden. Grundsicherung für Arbeitsuchende: Sanktion wegen eines Meldeversäumnisses
Leitsatz (amtlich)
Keine Nichtigkeit von Sanktionsbescheiden.
Orientierungssatz
1. Ein Sanktionsbescheid wegen eines Meldeversäumnisses ist nicht wegen Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 40 Abs. 2 Nr. 5 SGB X) nichtig. Vielmehr entspricht die Feststellung des Eintritts der Sanktion der Rechtsfolge, die der Gesetzgeber an ein unentschuldigtes Versäumen eines Vorsprachetermins knüpft (§ 32 Abs. 1 und 2 SGB II iVm § 31b SGB II).
2. Das Fehlen der nach § 33 Abs. 3 SGB X notwendigen Unterschrift kann die Nichtigkeit eines Sanktionsbescheids nicht begründen, wenn diese nach § 33 Abs. 5 Satz 1 SGB X im Hinblick auf den Erlass mittels automatischer Einrichtungen entbehrlich war bzw. jedenfalls kein Zweifel daran bestand, dass die Entscheidung ohne Unterschrift als endgültige gewollt gewesen wäre.
Normenkette
SGB X § 40 Abs. 5, 2, § 33 Abs. 3, 5 S. 1; SGB II § 32 Abs. 1-2, §§ 31b, 39; SGG § 86a Abs. 2 Nr. 4, § 86b Abs. 1, 2 S. 2, § 77
Tenor
I. Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 19.09.2013 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Rücknahme der Sanktionsbescheide vom 21.06.2013, vom 07.08.2013 und vom 04.09.2013 sowie die Auszahlung der insofern einbehaltenen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die ASt beziehen Alg II vom Antragsgegner (Ag). Jeweils mit Schreiben vom 25.03.2013 forderte der Ag sie - unter Belehrung über etwaige Rechtsfolgen einer unentschuldigten Nichtvorsprache - auf, sich am 10.04.2013 bei ihm zu melden, um über die aktuelle berufliche Situation zu sprechen. Nachdem die ASt zum Vorsprachetermin nicht erschienen waren, minderte der Ag mit Bescheiden vom 21.06.2013 die jeweilige Regelleistung der ASt um 10% des Regelbedarfs (jeweils monatlich 34,50 €) für die Zeit vom 01.07.2013 bis 30.09.2013. Dies wurde bei der Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01.07.2013 bis 31.12.2013 im Bescheid vom 21.06.2013 entsprechend berücksichtigt.
Trotz entsprechender Einladungen des Ag haben die ASt jeweils auch die Termine zur Besprechung ihrer aktuellen beruflichen Situation am 01.07.2013, 10.07.2013 und 22.07.2013 nicht wahrgenommen. Der Ag minderte deshalb mit sechs Bescheiden vom 07.08.2013 jeweils die Regelleistung der ASt um 10% des Regelbedarfs (monatlich 34,50 €) für die Zeit vom 01.09.2013 bis 30.11.2013. In Bezug auf nicht wahrgenommene Vorsprachetermine am 29.07.2013 und 12.08.2013 minderte der Ag erneut mit vier Bescheiden vom 04.09.2013 jeweils die Regelleistung der ASt um 10% des Regelbedarfs (monatlich 34,50 €) für die Zeit vom 01.10.2013 bis 31.12.2013. Mit einem an die ASt zu 1. adressierten Änderungsbescheid vom 23.10.2013 hob der Ag u.a. in Bezug auf die genannten Sanktionsbescheide die Leistungsbewilligung vom 21.06.2013 gegenüber der Bedarfsgemeinschaft der ASt teilweise für September 2013 iHv 276 €, jeweils für Oktober und November 2013 iHv 345 € sowie für Dezember 2013 iHv 276 € auf.
Die ASt legten gegen die Bescheide nach Aktenlage und nach telefonischer Auskunft des Ag keinen Widerspruch ein. Einen Antrag vom 19.07.2013 auf Feststellung der Nichtigkeit bezüglich der Einladungsschreiben vom 25.06.2013, 01.07.2013 sowie 11.07.2013 und der Sanktionsbescheide vom 21.06.2013 lehnte der Ag mit Bescheid vom 31.07.2013 ab. Mit der dagegen beim Sozialgericht Bayreuth (SG) erhobenen Klage (S 13 AS 825/13) haben die ASt die Feststellung der Nichtigkeit der Meldeaufforderungen vom 25.03.2013, 25.06.2013, 01.07.2013 und 11.07.2013, der Sanktionsbescheide vom 21.06.2013 und des Bescheides vom 31.07.2013 beantragt. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11.10.2013 abgewiesen. Über die dagegen beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) von den ASt eingelegte Berufung (L 11 AS 734/13) ist bislang nicht entschieden.
Einen weiteren Antrag der ASt vom 22.08.2013 auf Feststellung der Nichtigkeit der Bescheide vom 21.06.2013 und 07.08.2013 lehnte der Ag mit Bescheid vom 03.09.2013 ab. Mit der dagegen beim SG erhobenen Klage (S 13 AS 881/13) haben die ASt die Feststellung der Nichtigkeit der Meldeaufforderungen vom 22.07.2013, 29.07.2013, 12.08.2013 und 27.08.2013, der Sanktionsbescheide vom 07.08.2013 und 04.09.2013 sowie des Bescheides vom 03.09.2013 beantragt. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 11.10.2013 abgewiesen. Über die dagegen beim LSG von den ASt eingelegte Berufung (L 11 AS 735/13) ist bislang nicht entschieden.
Bereits am 09.09.2013 haben die ASt beim SG im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Anweisung des Ag zur Rücknahme sämtlicher Sanktionsbescheide und die Auszahlung der insofern einbehaltenen Leistungen beantragt. Unverschuldet stünden ihnen zur Bestreitung des Lebe...