rechtskräftig

 

Verfahrensgang

SG München (Entscheidung vom 11.07.2002; Aktenzeichen S 3 KR 419/02 ER)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 11. Juli 2002 abgeändert und die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens längstens bis 31.12.2003 im beantragten Umfang angeordnet.

II. Der Antragsgegner hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Dem Antragsgegner (Ag.) obliegt die Aufsicht über den Antragsteller (Ast.). Der Ast. hat mit der niederländischen Versandapotheke D. am 14. März 2002 einen Vertrag zur Regelung der Versorgung der Versicherten der Betriebskrankenkassen in Bayern durch die Apotheke mit Arzneimitteln und Verbandmitteln aufgrund vertragsärztlicher oder vertragszahnärztlicher Versorgung geschlossen. Der Vertrag regelt Preisgestaltung, Zustellung und Abrechnung und fordert Qaulitätsmanagement. Er sollte am 15.03. 2002 in Kraft treten.

Der Ag. hat den Ast. mit Schreiben vom 27.03.2002 auf seine Auffassung hingewiesen, der Vertrag verstoße gegen geltendes Recht. Der Ast. wurde gebeten, die Förderung des Versandhandels umgehend zu unterlassen. Das Schreiben sollte eine Beratung im Sinn des § 78 Abs.3 SGB V i.V.m. § 89 Abs.1 SGB IV darstellen. Auf den beabsichtigten Erlass eines Verpflichtungsbescheides wurde hingewiesen. Nachdem der Ast. darauf hingewiesen hatte, dass er nach seiner Überzeugung einen nach europäischem und europarechtskonform ausgelegtem deutschen Recht möglichen Apothekenliefervertrag geschlossen habe, erließ der Ag. am 16.05.2002 eine Verpflichtungsanordnung des Inhalts, dass der zwischen dem Ast. und der niederländischen Apotheke D. geschlossene Vertrag aufzuheben sei (Ziffer 1 a des Vertrags) und jegliche Werbung für den Bezug von apothekenpflichtigen Arzneimitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu unterlassen sei (Ziffer 1 b), außerdem wurde der Ast. verpflichtet, seine Mitgliedskassen dahingehend zu unterrichten und zu beraten, dass diese keine Kosten für apothekenpflichtige Arzneimittel übernehmen, die im Wege des Versandhandels durch fernmündliche oder schriftliche Bestellung oder Bestellung im Internet bezogen werden (Ziffer 2 a) und es außerdem unterlassen sollen, ihre Versicherten auf eine solche Bezugsmöglichkeit hinzuweisen (Ziffer 2 b).

Die sofortige Vollziehung der Verpflichtungsanordnung wurde angeordnet. Die Belange des Gesundheits- und Verbraucherschutzes, ein fairer Wettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung und die Verhinderung einer präjudizierenden Wirkung des Vertrages führten in der Abwägung zu einem eindeutigen Überwiegen des Interesses an einer sofortigen Vollziehung der Verpflichtungsanordnung.

Der Ast. hat hiergegen am 31.05.2002 Klage zum Sozialgericht München erhoben (Az.: S 3 KR 420/02) und zugleich den Antrag gestellt, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Verpflichtungsanordnung vom 16.05.2002 hinsichtlich der dortigen Punkte 1 a, 2 a und 2 b anzuordnen. Er hat geltend gemacht, vom Vertrag vom 03./14.03.2002 und dessen Durchführung gingen keine Gefahren aus, die eine Anordnung des Sofortvollzuges rechtfertigten. Es sei zu berücksichtigen, dass Vertragspartner ausschließlich die niederländische Apotheke D. sei. Quantitativ wie qualitativ hochwertige Beratung werde garantiert. Voraussetzung für die Lieferung sei die Vorlage eines vertragsärztlichen oder vertragszahnärztlichen Rezeptes.

Weiter trug er vor, das Versandhandelsverbot verstoße gegen europäisches Gemeinschaftsrecht. Die Rechtsschutzwirkung des beim EuGH aufgrund der Vorlage des Landgerichts Frankfurt/Main vom 10.08.2001 (3/11 0 64/01) anhängigen Vorabentscheidungsverfahrens müsse berücksichtigt werden. Um die praktische Wirksamkeit des Vorabentscheidungsersuchens nicht im Vorhinein zu untergraben, dürfe der grenzüberschreitende Arzneimittelversand durch Apotheken andere Mitgliedsstaaten bis zur Entscheidung des EuGH nicht durch die grenzüberschreitende Warentransaktion vereitelnde Blockade auf der Kostenübernahmeebene unmöglich gemacht werden.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 11. Juli 2002 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt. Das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiege das Interesse des Antragstellers an der Nichtvollziehung. Durch den Sofortvollzug mit der Folge des grenzüberschreitenden Bezugs von Arzneimitteln würde das Versandhandelsverbot des § 43 Abs.1 AMG und das Verbringungsverbot des § 73 Abs.1 AMG außer Kraft gesetzt. Bei summarischer Prüfung sei auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht nachgewiesen, dass das Versandhandelsverbot gegen europäisches Recht verstoße. Das beim EuGH anhängige Vorabentscheidungsverfahren entfalte keine Rechtsschutzwirkung in der Gestalt, dass die Anordnung des Sofortvollzugs untersagt werde. Hierzu bedürfe es einer innerstaatlichen Regelung. Dem stünden die möglichen Interessen des Ast. an Beitragsstabilität gegenü...

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