Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung von Leistungen zwischen Sozialleistungsträgern: Antragstellung des Leistungsempfängers als Voraussetzung eines Erstattungsanspruchs

 

Leitsatz (amtlich)

Erstattungsanspruch gemäß § 104 SGB X erfordert eine rechtzeitige Antragstellung des Leistungsempfängers nur, wenn dessen Dispositionsfreiheit und Selbstbestimmungsrecht durch das Antragserfordernis geschützt wird.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 14. Februar 2017 - S 17 AL 417/15 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 558,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Streitig ist der Anspruch auf Erstattung der von der nachrangig verpflichteten Klägerin an die Leistungsempfängerin (B.) erbrachten Leistungen durch die Beklagte.

Die Klägerin gewährte B. Jugendhilfe gemäß dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) vom 18.08.2011 bis 10.02.2015. Ab 01.09.2014 absolvierte B. eine Berufsausbildung. Am 25.11.2014 beantragte die Klägerin für B. Berufsausbildungsbeihilfe bei der Beklagten. Mit Bescheid vom 23.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2015 bewilligte die Beklagte Berufsausbildungsbeihilfe ab 01.11.2014 (für November 2014 in Höhe von 279,00 EUR). Für September und Oktober sei keine Berufsausbildungsbeihilfe mangels rechtzeitiger Antragstellung zu bewilligen. Der nach § 324 Abs. 2 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) erforderliche Antrag sei erst im November eingegangen.

Mit der zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobenen allgemeinen Leistungsklage hat die Klägerin die Erstattung erbrachter Leistungen für September und Oktober 2014 begehrt. Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 14.02.2017 die Beklagte verpflichtet, der Klägerin die an B. gewährten Leistungen für die Zeit vom 01.09.2014 bis 31.10.2014 in Höhe von 558,00 zu erstatten. Der Erstattungsanspruch bestehe gemäß § 104 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gegen die Beklagte. Er scheitere auch nicht an der mangelnden Antragstellung für diese Monate. Insofern werde Bezug u. a. auf einen Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) vom 04.04.2016 - L 10 AL 47/16 NZB - veröffentlicht in juris, genommen. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen.

Dagegen hat die Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde zum LSG erhoben.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet. Es gibt keinen Grund, die gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Der Beschwerdewert wird nicht erreicht. Auch sind nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 11.Aufl, § 144 Rdnr. 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die sich nach der Gesetzeslage und dem Stand der Rechtsprechung und Literatur nicht ohne Weiteres beantworten lässt. Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort auf sie so gut wie unbestritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr. 17) oder praktisch von vornherein außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 4).

Die vorliegende Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, denn sie ist nach dem Stand der Rechtsprechung bereits geklärt (vgl. hierzu Beschluss des Senates vom 04.04.2016 - L 10 AL 47/16 NZB -). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG Urteil vom 23.01.2014 - 5 C 8/13 - veröffentlicht in juris) hängt das Bestehen eines Erstattungsanspruchs nicht davon ab, dass der Leistungsempfänger rechtzeitig einen Antrag an die Erstattungsverpflichteten gestellt hat, zumindest wenn - wie vorliegend - die Dispositionsfreiheit und das Selbstbestimmungsrecht des Leistungsempfängers nicht durch das Antragserfordernis geschützt werden soll (vgl. hierzu die Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 22.04.1998 - B 9 VG 6/96 R - und diese Rechtsprechung weiterentwickelnd im Urteil vom 28.04.19...

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