Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Ordnungsgeld. Fristversäumnis eines Sachverständigen. Justizgewährungsanspruch der Beteiligten. Höhe des zu verhängenden Ordnungsgeldes

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Höhe eines dem säumigen Sachverständigen aufzuerlegenden Ordnungsgeldes.

 

Orientierungssatz

Die Gerichte sind gehalten, den Beteiligten in angemessener Zeit Rechtsschutz zu gewähren, dies folgt letztlich aus Art 6 Abs 1 EMRK (juris: MRK). Der Justizgewährleistungsanspruch des Einzelnen verpflichtet die Gerichte, alle gesetzlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Rechtsschutz zu gewähren.

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 04.11.2008 dahin abgeändert, dass das gegen den Beschwerdeführer verhängte Ordnungsgeld auf 500,- EUR herabgesetzt wird.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

III. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zur Hälfte zu tragen.

IV. Die Staatskasse hat dem Beschwerdeführer die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zur Hälfte zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Auferlegung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 1.000,- EUR.

Er war im Rechtsstreit vor dem Sozialgericht München (S 10 SB 563/06), in dem der dortige Kläger die Feststellung weiterer Gesundheitsstörungen und eines Grades der Behinderung von 50 begehrt, gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom Kläger benannt und am 07.01.2008 beauftragt worden, ein Gutachten nach Untersuchung des Klägers zu erstatten. Den Erhalt des Gutachtensauftrags und der dazugehörigen Akten bestätigte der Beschwerdeführer mit Empfangsbekenntnis vom 14.01.2008.

Am 01.08.2008 mahnte das Sozialgericht die Übersendung des Gutachtens mit Frist bis 29.08.2008 und mit weiterem Schreiben vom 10.09.2008 mit Frist bis 02.10.2008 an. Am 02.10.2008 setzte es dem Beschwerdeführer eine Nachfrist bis 24.10.2008 und wies darauf hin, dass nach ergebnislosem Ablauf der Nachfrist Ordnungsgeld verhängt werde. Die vorgenannten drei Schreiben waren an den Kläger an die Anschrift des Zentralinstituts für medizinische Begutachtung und Arbeitsmedizin in A-Stadt gerichtet, in dem auch PD Dr. R. A. tätig ist.

Mit Beschluss vom 04.11.2008 verhängte das Sozialgericht, nachdem auch bis zum Ablauf der Nachfrist das Gutachten nicht eingegangen war, Ordnungsgeld in Höhe von 1.000,- EUR gegen den Beschwerdeführer. Es führte aus, die Voraussetzungen zur Auferlegung von Ordnungsgeld seien erfüllt, auch die Höhe sei gerechtfertig in Anbetracht des sozialen Status und der hiermit verbundenen Möglichkeit zur Erzielung von Einkünften. Der Ordnungsgeldbeschluss wurde mit Postzustellungsurkunde vom 12.11.2008 an der bisherigen Adresse des Beschwerdeführers zugestellt und dem Mitpraxisinhaber PD Dr. R. A. übergeben. Am 01.12.2008 ging beim Sozialgericht das vom Beschwerdeführer erbetene Gutachten ein. Es trug das Datum vom 30.09.2008 und eine geänderte Anschrift des Beschwerdeführers.

Mit Schreiben vom 27.11.2008, eingegangen am 01.12.2008, legte der Beschwerdeführer Beschwerde ein. Er trug vor, die Verzögerung beruhe darauf, dass der Kläger im Ausgangsverfahren ein Magnetresonanztomogramm der Halswirbelsäule bis Ende August nicht vorgelegt hatte. Das Gutachten sei bereits am 30.09.2008 fertig gestellt gewesen. Aufgrund innerbetrieblicher Umstellungen und des Umzugs in andere Geschäftsräume sei das Gutachten nicht abgesandt worden. Im Übrigen hätten ihn die im Beschluss erwähnten postalischen Erinnerungen des Sozialgerichts nicht erreicht.

Der Senat bat den Beschwerdeführer, das Datum seines Umzugs nachzuweisen und zu erklären, aus welchen Gründen der Ordnungsgeldbeschluss an seiner alten Adresse noch am 12.11.2008 habe zugestellt werden können, jedoch die vorangegangenen Mahnschreiben nicht bei ihm angekommen seien. Eine Antwort blieb der Beschwerdeführer hierauf schuldig.

Der Beschwerdeführer beantragt,

den Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts München vom 04.11.2008 aufzuheben, hilfsweise die Höhe des Ordnungsgeldes abzuändern.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 172 Abs. 1, 173 SGG), aber nur zum Teil begründet.

Nach § 118 SGG i.V.m. § 411 Abs. 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO) kann gegen den Sachverständigen nach Fristsetzung und fruchtlosem Ablauf einer Nachfrist ein zuvor angedrohtes Ordnungsgeld verhängt werden, wenn der Sachverständige seiner Verpflichtung zur Erstattung des Gutachtens bis dahin nicht nachgekommen ist. Ein solcher Fall liegt hier vor.

Dem Sachverständigen war erstmals im Schreiben vom 01.08.2008 Frist zur Abgabe des am 07.01.2008 in Auftrag gegebenen Gutachtens gesetzt worden, ein zweites Mal mit Schreiben vom 10.09.2008 mit Frist bis 02.10.2008. Nachfrist bis 24.10.2008 war dem Beschwerdeführer am 02.10.2008 gesetzt worden. In diesem Schreiben wurde er auch auf die Möglichkeit hingewiesen, dass im Falle des fruchtlosen Ablaufes der Frist Ordnungsgeld gegen ihn verhä...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge