Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Kostenentscheidung nach Erledigung eines auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht gerichteten Verfahrens
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Erstattung außergerichtlicher Kosten bei unstreitiger Erledigung eines auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht gerichteten Verfahrens einer angestellten Rechtsanwältin aufgrund einer während des Verfahrens erfolgten rückwirkenden Befreiung nach der neu geschaffenen Vorschrift des § 231 Abs. 4b SGB VI.
Eine zumindest teilweise Erstattung außergerichtlicher Kosten in Verfahren auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht aufgrund einer Tätigkeit als Syndikusanwalt/Syndikusanwältin kommt auch dann in Betracht, wenn die Berufung nach der bis 31.12.2015 geltenden Rechtslage aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 3. April 2014 (u.a. B 5 RE 3/14 R) als unbegründet hätte zurückgewiesen werden müssen.
Tenor
Die Beklagte hat der Klägerin ein Drittel der notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten war streitig, ob die Klägerin für die ab dem 01.03.2010 als Angestellte der A. AG (A.) ausgeübte Tätigkeit von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien war.
Die Klägerin, zugelassene Rechtsanwältin und Mitglied der Rechtsanwaltskammer sowie Pflichtmitglied der bayerischen Versorgungskammer, war mit Bescheid der Beklagten vom 10.04.2003 für eine Tätigkeit als Justiziarin bei der B. AG nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit worden. Zum 01.03.2010 wechselte die Klägerin zur A. und beantragte auch für diese Tätigkeit eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht. Es handelt sich um eine gleich gelagerte Tätigkeit bei einer Konzerntochter. Aus der eingereichten Stellen- und Tätigkeitsbeschreibung ergebe sich, dass die Tätigkeit weiterhin dem rechtsanwaltlichen Berufsbild zuzuordnen sei.
Mit streitigem Bescheid vom 10.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.02.2011 lehnte die Beklagte eine Befreiung ab. Die Tätigkeit der Klägerin setze entsprechend der Stellen- und Funktionsbeschreibung objektiv nicht zwingend eine Qualifikation als Volljuristen voraus, allein die Stellenbezeichnung als "Justiziar" lasse einen entsprechenden Rückschluss nicht zu. Die Tätigkeit der Klägerin müsse vielmehr vier Kriterien (Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung sowie Rechtsvermittlung) erfüllen, um zu einer Befreiung führen zu können. Zwar sei die Klägerin als zugelassene Rechtsanwältin Pflichtmitglied der Rechtsanwaltskammer und des Versorgungswerks, aus der Stellen- und Funktionsbeschreibung lasse sich jedoch eine unabhängige Entscheidungsbefugnis wie auch eine wesentliche Teilhabe an Abstimmungs- und Entscheidungsprozessen in den vier genannten Bereichen nicht entnehmen.
Der hiergegen erhobenen Klage gab das Sozialgericht München statt. Mit Urteil vom 12.10.2012 hob es die angegriffenen Bescheide auf und verpflichtete die Beklagte, die Klägerin für ihre Tätigkeit bei der A. ab 01.03.2010 von der Rentenversicherungspflicht zu befreien. Die Klägerin sei als Rechtsanwältin zugelassen, Mitglied der Rechtsanwaltskammer und des berufsbezogenen Versorgungswerks. Die Ermittlungen, insbesondere die in der mündlichen Verhandlung durchgeführte Zeugeneinvernahme des unmittelbaren Vorgesetzten der Klägerin, hätten ergeben, dass die Tätigkeit der Klägerin die vier genannten Kriterien erfülle. Auf die nach internationalen Kriterien verfasste Stellenbeschreibung könne insofern nicht abgestellt werden.
Gegen diese Entscheidung legte die Beklagte am 06.12.2012 Berufung beim Bayer. Landessozialgericht ein. Im Hinblick auf mehrere zur streitgegenständlichen Frage anhängige Revisionen wurde das Verfahren ruhend gestellt. Nachdem der 5. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) mit Urteilen jeweils vom 03.04.2014 festgestellt hatte, dass es auf die Prüfung der genannten vier Kriterien nicht ankomme, da eine Befreiung in Fällen wie dem vorliegenden grundsätzlich ausscheide, schuf der Gesetzgeber u.a. durch Einfügung des § 231 Abs. 4b SGB VI zum 01.01.2016 die Möglichkeit der Zulassung als Syndikusanwalt und einer darauf gestützten Befreiung von der Rentenversicherungspflicht. Daraufhin wurde das Verfahren fortgesetzt. Nachdem die Klägerin ihre Zulassung als Syndikusanwältin erhalten hatte, gab die Beklagte dem von der Klägerin in der Folge nach der neuen Rechtslage gestellten Antrag statt und befreite die Klägerin mit Bescheiden vom 15.11.2017 und 08.01.2018 für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum von der Rentenversicherungspflicht. Daraufhin erklärten die Beteiligten - nach Hinweis des Gerichts, dass damit das Rechtsschutzbedürfnis für das nach der alten Rechtslage anhängige Verfahren entfallen sei - den Rechtstreit übereinstimmend für erledigt und stellten Antrag auf Kostenentscheidung nach § 193 SGG.
II.
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