Entscheidungsstichwort (Thema)
Minderung des Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes: Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache sowie wegen Abweichung von der obergerichtlichen Rechtsprechung
Leitsatz (amtlich)
Keine Zulassung der Berufung mangels Vorliegens von Zulassungsgründen.
Orientierungssatz
1. Die grundsätzliche Rechtsfrage, ob neben einer Minderung eine entsprechende Aufhebungsentscheidung bezüglich einer vorangegangenen Leistungsbewilligung erforderlich ist, ist geklärt (vgl. BSG, 29. April 2015, B 14 AS 19/14 R). Auch ist die grundsätzliche Rechtsfrage, ob eine Verböserung der Ausgangsentscheidung erfolgen kann, ebenfalls durch die Rechtsprechung des BSG entschieden (vgl. BSG, 22. August 1984, 7 RAr 46/84).
2. Bei der Frage, ob das SG von der obergerichtlichen Rechtsprechung abweicht, ist nicht zu prüfen, ob das SG das materielle Recht und somit auch die Vorschriften zur Anhörung und die Rechtsprechung zur Verböserung im Widerspruchsverfahren sowie zur Aufhebung bereits bewilligter Leistungen zutreffend angewandt hat; vielmehr ist lediglich zu prüfen, ob das SG in Abweichung der Rechtsprechung der Obergerichte einen Rechtssatz aufgestellt hat, der von deren Rechtsprechung abweicht.
3. Eine von der obergerichtlichen Rechtsprechung abweichenden Rechtssatz stellt das SG nicht dadurch auf, dass es die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Leistungsbewilligung im Rahmen des Widerspruchsbescheides nicht prüft, weil es vom Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen ausgeht.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 18.07.2017 - S 10 AS 5/17 - wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist die Minderung des Anspruches auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.11.2016 bis 31.01.2017 in Höhe von 121,20 € monatlich.
Der Kläger bezog Alg II zuletzt aufgrund des Bescheides vom 02.03.2016 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 21.04.2016, 24.08.2016, 07.09.2016 und 23.09.2016 für die Zeit vom 01.03.2016 bis 28.02.2017. Zu einer im August 2016 aufgenommenen Tätigkeit bei einer Zeitarbeitsfirma ist der Kläger ab 24.08.2016 nicht mehr erschienen; der Arbeitgeber kündigte am 26.08.2016 daher fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 31.08.2016. Nach Befragung des Arbeitgebers und Anhörung des Klägers stellte der Beklagte mit Bescheid vom 19.10.2016 den Eintritt einer Minderung um 30 vom Hundert des maßgebenden Regelbedarfes (121,20 € monatlich) für die Zeit vom 01.11.2016 bis 31.01.2017 wegen des Herbeiführens der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch Nichterscheinen fest und hob (allein) den Bescheid vom 02.03.2016 insoweit auf.
Auf den dagegen eingelegten Widerspruch hin hob der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2016 die Bewilligungsbescheide vom 02.03.2016 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 21.04.2016, 24.08.2016, 07.09.2016 und 23.09.2016 auf und wies den Widerspruch im Übrigen zurück.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Eine Kündigung habe nicht vorgelegen, der Beklagte verstoße gegen § 226 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Das SG hat die Klage mit Urteil vom 18.07.2017 abgewiesen. Der Kläger habe durch sein Nichterscheinen zur Arbeit das Arbeitsverhältnis gelöst; darauf, wer gekündigt habe, komme es nicht an. Eine mangelnde Förderung der Arbeitsaufnahme durch den Beklagten stelle ebenso wenig einen wichtigen Grund für das Lösen des Beschäftigungsverhältnisses dar, wie die Tatsache, dass es sich beim Arbeitgeber um eine Zeitarbeitsfirma gehandelt habe. Zudem sei dem Kläger vom Arbeitgeber ein Vorschuss angeboten worden und es wären nur geringe Fahrtkosten zur Arbeit entstanden. Darlehensweise Leistungen des Beklagten lehne der Kläger ab. Eine Schikane des Beklagten gemäß § 226 BGB sei nicht zu erkennen. Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Minderung bestünden nicht. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen.
Dagegen hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) erhoben. Eine Förderung des Arbeitsverhältnisses sei vom Beklagten abgelehnt worden. Gründe für eine Sanktion lägen nicht vor. Die Ausübung einer Tätigkeit ohne finanzielle Rücklagen sei unzumutbar. Ein Vorschuss hätte nur den Weg zur Arbeit abgesichert, nicht aber das Überleben. Eine Darlehensgewährung sei nicht angesprochen worden. Es bestehe die Besorgnis der Befangenheit gegenüber einem ehrenamtlichen Richter, der sich in der mündlichen Verhandlung durch ein Abzeichen als Vertreter der Arbeitgeberseite zu erkennen gegeben habe, und gegenüber dem Vorsitzenden des SG, da das Urteil schon bei Beginn der Verhandlung festgestanden habe. Ein Schriftsatz des Beklagten sei erst nach der mündlichen Verhandlung an ihn übersandt worden. Dazu hat der Kläger ein Schreiben des Beklagten vom 10.07.2017 in dem...