Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Entschädigung für die Wahrnehmung eines Gerichtstermins. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der dreimonatigen Antragsfrist. Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes
Leitsatz (amtlich)
1. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG gebietet es, von einer Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrunds im Rahmen der Darlegungslast eines Antragstellers schon dann auszugehen, wenn ein Antragsteller im Rahmen seines Wiedereinsetzungsantrags plausibel einen nach der Lebenserfahrung naheliegenden Sachverhalt darstellt, der eine Wiedereinsetzung begründet, und keine durchgreifenden Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Antragstellers bestehen.
2. Die verfassungsrechtlich gebotene weite Auslegung des Begriffs der Glaubhaftmachung im Rahmen der Darlegungslast verlangt ein Korrektiv, um Missbrauch zu vermeiden. Das Gericht hat daher in einem zweiten Schritt die Frage zu prüfen, ob es möglicherweise erst nach weiterer Sachprüfung einen Wiedereinsetzungsgrund tatsächlich glaubhaft, d.h. mit überwiegender Wahrscheinlichkeit, für gegeben hält.
3. Eine schlichte Erklärung des Antragstellers wird nur im seltenen Einzelfall für eine Glaubhaftmachung genügen.
Normenkette
JVEG § 2 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 2, § 24 S. 1; 2. KostRMoG Art. 55; GG Art. 19 Abs. 4 S. 1, Art. 103 Abs. 1; SGB X § 23 Abs. 1 S. 2, § 37 Abs. 2 S. 1; SGG § 128 Abs. 1 S. 1, § 202 S. 1; ZPO § 294 Abs. 1; KOVVfG § 15 S. 1; FRG § 4 Abs. 1 S. 2
Tenor
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Geltendmachung der Entschädigung für die Wahrnehmung des Gerichtstermins am 29.04.2013 wird abgelehnt.
Gründe
I.
Streitig ist, ob der Antragstellerin für die Geltendmachung der Entschädigung für die Wahrnehmung eines Gerichtstermins Wiedereinsetzung gemäß § 2 Abs. 2 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) zu gewähren ist.
In den beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) unter den Aktenzeichen L 7 AS 589/11 u.a. geführten Berufungsverfahren fand am 29.04.2013 eine mündliche Verhandlung statt, an der die Antragstellerin nach Anordnung des persönlichen Erscheinens teilnahm.
Mit per Einschreiben am 26.09.2013 zugestelltem Schreiben vom 24.09.2013 bat die Antragstellerin das Bayer. LSG, ihren "Antrag vom 25.07.2013 zu bearbeiten". Dem Schreiben lagen Kopien eines auf den 25.07.2013 datierten Entschädigungsantrags für die mündliche Verhandlung am 24.09.2013 und zweier Fahrkarten bei.
Mit Schreiben vom 30.09.2013 teilte die Kostenbeamtin des Bayer. LSG der Antragstellerin mit, dass der Entschädigungsantrag am 26.09.2013 bei Gericht eingegangen sei und daher der Entschädigungsanspruch wegen der dreimonatigen Frist des § 2 Abs. 1 JVEG erloschen sei.
Mit Schreiben vom 13.10.2013, bei Gericht eingegangen am 16.10.2013, hat sich die Antragstellerin sinngemäß gegen die Ablehnung der Entschädigung gewandt. Sie hat vorgetragen, den Entschädigungsantrag fristgerecht mit einfachem Brief versandt zu haben. Da sie keine Antwort erhalten habe, habe sie nochmals eine Kopie des Antrags per Einschreiben geschickt.
Auf die gerichtliche Bitte vom 14.11.2013 hin, das fristgerechte Versenden des Antrags mit einfachem Brief näher zu erläutern und etwaige weitere Nachweise vorzulegen, hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 15.12.2013 mitgeteilt, dass sie den Entschädigungsantrag ausreichend frankiert in den Briefkasten geworfen habe, dafür aber leider keinen Nachweis habe.
II.
Der mit Schreiben vom 13.10.2013 gestellte Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG ist abzulehnen, da sich der Senat bei den von Amts wegen durchgeführten Ermittlungen nicht vom Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrunds überzeugen hat können.
Im vorliegenden Fall ist der Entschädigungsantrag zu spät gestellt worden. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung sind nicht erfüllt.
1. Anzuwendendes Recht
Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall auch nach Erlass des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl I S. 2586, 2681 ff.) gemäß der Übergangsvorschrift des § 24 JVEG die Regelungen des JVEG in der bis zum 31.07.2013 geltenden Fassung. Denn die Antragstellerin als Berechtigte ist vor dem gemäß Art. 55 2. KostRMoG am 01.08.2013 erfolgten Inkrafttreten des 2. KostRMoG herangezogen worden.
2. Entschädigungsantrag zu spät gestellt
Der Entschädigungsanspruch war bereits erloschen, als der Entschädigungsantrag für das Erscheinen beim Gerichtstermin am 29.04.2013 beim Bayer. LSG einging.
Der Anspruch auf Entschädigung erlischt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG, wenn er nicht binnen drei Monaten bei der Stelle geltend gemacht wird, die den Berechtigten herangezogen oder beauftragt hat. Die Frist beginnt entsprechend § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 JVEG im Falle der Teilnahme an einem Gerichtstermin mit der Beendigung dieses Termins zu laufen.
Vorliegend hat die mündliche Verhandlung, für die eine Entschädigu...