Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung: Verfassungsmäßigkeit einer Anspruchseinschränkung bei Gewährung internationalen Schutzes durch einen anderen EU-Mitgliedstaat. Bestimmtheit einer Anspruchseinschränkung. Auslegung eines Bescheides
Leitsatz (amtlich)
I. An der Verfassungsmäßigkeit des § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG bestehen keine grundsätzlichen Bedenken.
II. Zum Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit einer Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG
III. Zur Auslegung eines Bescheides, der auf Grundlage des AsylbLG ergeht.
Orientierungssatz
1. Maßgeblich für die Beurteilung des Regelungsgehalts eines Verwaltungsaktes ist der objektive Sinngehalt der Erklärung der Behörde, d.h. wie der Bescheid aus Sicht des Adressaten zu verstehen ist. Es ist vom Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten auszugehen, wobei alle Zusammenhänge zu berücksichtigen sind, die die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat. Es kommt darauf an, wie der Adressat den Verwaltungsakt nach Treu und Glauben verstehen musste bzw. durfte (BSG, 3. April 2014, B 2 U 25/12 R).
1. Zur Erforderlichkeit der hinreichenden Bestimmtheit gehört bei einer Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG auch, dass der Lebenssachverhalt, der der Anspruchseinschränkung zugrunde liegt, im Verwaltungsakt hinreichend bestimmt bezeichnet ist.
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 27.02.2019 wird bezüglich der Abweisung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz (Punkt I. des Tenors) zurückgewiesen. Es wird klarstellend festgestellt, dass der Widerspruch der Antragsteller gegen den Bescheid vom 18.02.2019 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29.05.2019 keine aufschiebende Wirkung entfaltet.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Antrag der Antragsteller auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt B., B-Stadt, wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Antragsteller (Ast) begehren im Wege der einstweiligen Anordnung die Gewährung höherer Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für den Zeitraum 01.02.2019 bis 30.06.2019.
Der Ast zu 1. und die Ast. zu 2. sind verheiratet und Eltern eines am 26.11.2017 geborenen Kindes, das Leistungen nach § 3 AsylbLG bezieht. Die Ast sind syrische Staatsangehörige und am 24.06.2018 nach Deutschland eingereist. Zuvor hielten sie sich in Griechenland auf. Dort stellten sie am 11.05.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz (im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Asylgesetz - AsylG), der ihnen am 19.01.2018 gewährt wurde. Am 01.08.2018 haben sie in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Sie besitzen eine Aufenthaltsgestattung nach dem AsylG. Mit Bescheiden vom 27.08.2018 wurden die Asylanträge der Ast vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aufgrund des bereits in Griechenland gewährten internationalen Schutzes als unzulässig abgelehnt. Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Hiergegen stellten die Ast beim Verwaltungsgericht A-Stadt (VG) Eilanträge nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und erhoben Klagen. Über diese ist bislang nicht entschieden.
Mit Bescheiden der Regierung von Unterfranken vom 17.12.2018 wurde den Ast und ihrem Kind ab 10.01.2019 die Gemeinschaftsunterkunft in der A-Straße in A-Stadt als Wohnsitz zugewiesen. Bis 17.01.2019 bezogen die Ast vom Landkreis R. Leistungen nach dem AsylbLG. Am 10.01.2019 wurden den Ast für den Zeitraum 10.01.2019 bis 31.01.2019 nach dem AsylbLG Sachleistungen in Form von Wertgutscheinen in einem Gesamtbetrag von 118,36 € sowie eine Barzahlung in Höhe von 265,99 € erbracht. Am 25.01.2019 wurden den Ast für den Zeitraum 01.02.2019 bis 28.02.2019 Sachleistungen in Form von Wertgutscheinen in einem Gesamtbetrag von 120,48 € erbracht. Daneben erhielt die Ast zu 2. Wertgutscheine für Schwangerschaftsbekleidung und Babyerstausstattung in Höhe von insgesamt 50 €.
Mit Schreiben vom 11.02.2019 hörte der Antragsgegner die Ast dazu an, dass er beabsichtige, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gemäß § 1a Abs. 4 S. 2 AsylbLG einzuschränken, da den Ast bereits von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union internationaler Schutz gewährt worden sei. Mit E-Mail vom 13.02.2019 äußerten sich die Ast über ihren Anwalt zu dem Schreiben.
Am 18.02.2019 erließ der Antragsgegner einen Bescheid, mit dem er die Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes einschränkte. Er lehnte die Gewährung von Leistungen nach § 3 AsylbLG ab; hingegen bewilligte er Sachleistungen in Form von Warengutscheinen für den Zeitraum 10.01.2019 bis 31.01.2019 i.H.v. insgesamt 198,36 € (Ernährung 188,78 €, Gesundheitspflege 9,58 €) und ab Februar 2019 bis Juni 2019 i.H.v. monatlich 270,48 € (Ernährung 257,42 €, Gesundheitspflege 13,06 €). Zudem wurden die Kosten bei akuten Erkrankungen und bei Schwangerschaft übernommen. Der Antragsgegner wies darauf hin, dass Unterkunft und Heizung sowie Ge- und Verbrauchsgüter des Haushalts den Ast als Sachleistungen unmittelbar von ...