Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe für Deutsche im Ausland. Rückkehrhindernisse iS des § 24 Abs 1 S 2 SGB 12. Schwere der Pflegebedürftigkeit. Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs einer "außergewöhnlichen Notlage" iS des § 24 Abs 1 S 2 SGB 12

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Rückkehrhindernisse des § 24 Abs 1 S 2 SGB 12 sind sämtlich als objektive Hinderungsgründe zu verstehen, die einer Rückkehr entgegenstehen.

2. Zur Frage des Rückkehrhindernisses der Schwere der Pflegebedürftigkeit ist nicht auf die im SGB 11 festgelegten Pflegestufen abzustellen, sondern darauf, ob der Aufwand der erforderlichen Pflege eine Rückkehr nicht zulässt.

 

Orientierungssatz

Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs einer "außergewöhnlichen Notlage" iS des § 24 Abs 1 S 2 SGB 12 ist zu beachten, dass nur das Vorliegen einer besonderen Notlage nicht ausreicht, um die Leistungsgewährung zu rechtfertigen. Es ist ein strenger Maßstab anzulegen. Erforderlich ist, dass bei Leistungsversagung die Gefahr einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung existenzieller Rechtsgüter des Hilfesuchenden droht. Insoweit kann eine außergewöhnliche Notlage angenommen werden, wenn der mittellose Betroffene gesundheitsbedingt außerstande ist, im Ausland für seinen Lebensunterhalt aufzukommen oder die ernsthafte Gefahr des Abgleitens in das Milieu der Nichtsesshaften besteht.

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 19.06.2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Gewährung von Sozialhilfe für Deutsche im Ausland.

Der 1949 geborene Antragsteller (ASt) ist deutscher Staatsangehöriger, der nach einem langjährigen Aufenthalt in den USA im April 2007 seinen gewöhnlichen Aufenthalt auf den Philippinen genommen hat. Er beantragte unter dem 20.06.2007 und 17.07.2007 (Eingang bei der Auslandsvertretung am 25.07.2007 und bei dem Antragsgegner -Ag- am 13.09.2007) Hilfe zum Lebensunterhalt für Deutsche im Ausland. Einer Arbeit könne er aus gesundheitlichen Gründen nicht nachgehen. Seine Lebensgefährtin habe ihren Arbeitsplatz verloren. Sie seien obdachlos. Ein Bekannter habe sie vorübergehend in seinem Haus aufgenommen. Sie hätten kein Geld, um Lebensmittel zu kaufen.

Nach der Stellungnahme der Auslandsvertretung vom 24.08.2007 sei eine Rückkehr des ASt nach Deutschland möglich. Der ASt befände sich auch nicht in einer außergewöhnlichen Notlage. Er erhalte Geld und Unterstützung von Freunden bzw. der Freundin.

Mit Bescheid vom 17.09.2007 lehnte der Ag den Antrag ab. Es sei wohl von einer persönlichen Notlage für den ASt auszugehen. Allerdings stünden einer Ausreise nach Deutschland keine Hinderungsgründe entgegen.

Hiergegen hat der ASt Klage zum Verwaltungsgericht Bayreuth erhoben. Er hat ausgeführt, sein Gesundheitszustand habe sich extrem verschlechtert. Er sei auf ständige Hilfe und Begleitung angewiesen. Nur mit einer Gehhilfe könne er kurze Wege zurücklegen. Mit Beschluss vom 11.12.2007 hat das Verwaltungsgericht den Rechtsstreit an das Sozialgericht (SG) Bayreuth verwiesen. Das SG hat das Verfahren zur Durchführung des Widerspruchsverfahrens ausgesetzt (Beschluss vom 19.12.2007; wieder aufgenommen am 12.06.2009).

Im Widerspruchsverfahren hat der Ag eine ärztliche Untersuchung des ASt veranlasst. Die Ärztin Dr. P. hat nach Untersuchung des ASt am 23.09.2008 darauf hingewiesen, dass der ASt momentan nicht flugtauglich sei (Bericht vom 25.09.2008/14.10.2008). Es sei eine Luftretention in der Lunge (air trapping) festgestellt worden. Es wäre ratsam, die Ursachen für die Bronchospasmen festzustellen, aufgrund derer der ASt unaufhörlich und wiederkehrend huste. Der ASt sei vor etwa 29 Jahren an den Knien operiert worden. Er könne sich zwar bewegen, benötige aber ab und zu Hilfestellung.

Den Widerspruch hat die Regierung von Oberfranken mit Widerspruchsbescheid vom 07.04.2009 zurückgewiesen. Unabhängig von der Frage des Bestehens einer außergewöhnlichen Notlage sei nicht nachgewiesen, dass eine Rückkehr des ASt nach Deutschland nicht möglich ist. Als Hinderungsgrund komme allenfalls eine Pflegebedürftigkeit in Betracht. Der ärztliche Bericht vom 25.09.2008/14.10.2008 zeige zwar, dass eine Ausreise aufgrund derzeit bestehender Fluguntauglichkeit nicht möglich sei. Hieraus ergebe sich aber nicht, dass eine Rückkehr- wie vom Gesetz gefordert - aufgrund schwerer Pflegebedürftigkeit unmöglich sei.

Am 26.05.2005 hat der ASt beim SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Zustehende Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) seien vorläufig zu gewähren. Der ärztliche Bericht weise nach, dass ihm eine Rückkehr nach Deutschland nicht möglich sei. Der Bericht beweise auch seine Pflegebedürftigkeit. Er leide an einer chronisch obstruktiven Lungenkrankheit (COPD). Er verfüge über keine finanziellen Mittel und sei dringend auf ärztliche Behandlung angewiesen. Sein Bekannter, ...

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