Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. technische Arbeitshilfen für ein Fernstudium. Gewährung der Leistungen durch den zweitangegangenen Rehabilitationsträger ohne Eigenbeteiligung des Leistungsempfängers. Erstattungsanspruch des leistenden Trägers nach § 14 Abs 4 S 1 SGB 9 gegenüber dem Träger der Eingliederungshilfe. keine Möglichkeit der Berufung auf die Einkommens- und Vermögensberücksichtigung im Sozialhilferecht. Pflicht zur vollständigen Erstattung

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen und zum Umfang des Erstattungsanspruchs nach § 14 Abs 4 S 1 SGB IX.

 

Orientierungssatz

1. Der Träger der Eingliederungshilfe kann einem Erstattungsanspruch des zweitangegangenen Rehabilitationsträgers, der die Rehabilitationsleistung ohne Eigenbeteiligung des Leistungsempfängers gewährt hat, nicht entgegenhalten, dass er im Falle einer Selbstentscheidung als zuständiger Rehabilitationsträger die Leistung wegen der im Sozialhilferecht vorgeschriebenen Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen des Leistungsempfängers weder erbracht hätte noch hätte erbringen dürfen.

2. Dies gilt auch dann, wenn der Träger der Eingliederungshilfe nicht der erstangegangene Rehabilitationsträger war, der den Antrag weitergeleitet hat (hier: gesetzliche Rentenversicherung).

3. Die Beantwortung der Rechtsfrage, welche Voraussetzungen § 14 Abs 4 S 1 SGB 9 an den Erstattungsanspruch eines zweitangegangenen Rehabilitationsträgers gegenüber dem eigentlich zuständigen Rehabilitationsträger stellt und in welchem Umfang beim Vorliegen der Voraussetzungen ein Erstattungsanspruch besteht, ergibt sich insoweit aus dem Gesetz und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl BSG vom 20.4.2010 - B 1/3 KR 6/09 R = SozR 4-3250 § 14 Nr 12 und vom 26.6.2007 - B 1 KR 34/06 R = BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4).

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.12.2016, S 5 SO 15/16, wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 8.511,33 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

In der Hauptsache streiten die Beteiligten über einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung von erbrachten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Höhe von 8.511,33 €. Vorliegend geht es um eine Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Nürnberg (SG) vom 05.12.2016.

Die 1990 geborene A.M. (im Folgenden: M) beantragte am 25.07.2012 bei der Deutschen Rentenversicherung für ihr Studium an der Fernuniversität in H. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form technischer Arbeitshilfen. M leidet an einer spastischen Tetraparese, Sehschwäche mit Nystagmus und Außenschielen. Ihr sind ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen "G", "aG" und "H" zuerkannt. Mit Schreiben vom 27.07.2012 leitete die Deutsche Rentenversicherung den Antrag an die Klägerin gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) weiter, wo er am 01.08.2012 einging.

Mit Schreiben vom 29.08.2012 wies die Klägerin den Beklagten darauf hin, dass sie als zweitangegangener Träger über den Rehabilitationsbedarf der M zu entscheiden habe. Allerdings sei der Beklagte der eigentlich zuständige Kosten- und Leistungsträger für den studiumsbedingten Aufwand der M. Es werde für die voraussichtlich entstehenden Kosten ein Erstattungsanspruch geltend gemacht.

Mit Schreiben vom 09.10.2012 teilte der Beklagte mit, dass er zwar grundsätzlich für die Gewährung von Hochschulhilfen zuständig sei. Allerdings sei nach den rechtlichen Vorschriften das Vermögen zu beachten, und man hätte Kenntnis darüber, dass im Fall von M Vermögen vorhanden sei. Eine endgültige Erstattungszusage sei daher nicht möglich.

Nach Einholung einer sozialmedizinischen Stellungnahme sowie einer fachtechnischen Stellungnahme bewilligte die Klägerin M mit Bescheid vom 12.10.2012 technische Arbeitshilfen in Höhe von 8511,33 € (Lesesystem) als Zuschuss.

Die Klägerin teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 07.11.2012 mit, dass die Leistungen nach § 33 SGB IX (hier: technische Arbeitshilfen) von ihr im notwendigen Umfang in voller Höhe zu übernehmen seien. Eine Eigenbeteiligung sei rechtlich nicht vorgesehen. Es verbleibe daher bei dem Erstattungsanspruch dem Grunde nach und auch in der voraussichtlichen Höhe von 8511,33 €.

Mit Schreiben vom 14.11.2012 lehnte der Beklagte den Erstattungsanspruch ab. Dem widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 31.07.2015 und bat erneut um Erstattung der Kosten. Der Beklagte verblieb bei seiner Ablehnung (Schreiben vom 12.08.2015).

Daraufhin hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Mit Urteil vom 05.12.2016 hat das SG den Beklagten verurteilt, der Klägerin 8511,33 € zu erstatten. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der Erstattungsanspruch der Klägerin aus § 14 Abs. 4 S. 1 SGB IX ergebe. Die Klägerin habe M die technischen Arbeitshilfen als zweitangegangener Re...

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