Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Vorbeugende Unterlassungsklage gegen die Einholung einer Arbeitgeberauskunft
Leitsatz (amtlich)
Eine vorbeugende Unterlassungsklage gegen die Einholung von Arbeitgeberauskünften durch ein Jobcenter wegen erzielten Einkommens eines Leistungsberechtigten ist regelmäßig unzulässig.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufungen gegen die Urteile des Sozialgerichts Augsburg vom 6. August 2020 und 29. April 2021 werden zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Kläger begehren die Unterlassung von "Einmischungen in das Berufs- und Privatleben", die "Einhaltung des Sozialpaket 2" und die Unterlassung der "betrügerischen Anrechnungsfälle sowie die sonstigen Nötigungen, Betrügereien und Unterschlagungen".
Die 1981 bzw. 1983 geb. Kläger sind verheiratet und beziehen als Bedarfsgemeinschaft vom Beklagten seit Januar 2009 mit Unterbrechungen laufend Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Der Kläger zu 1 ist nach eigenen Angaben selbständig, erzielt aber hieraus seit längerem keine Einnahmen. Daneben ist der Kläger zu 1 immer wieder zeitweise abhängig beschäftigt.
Mit vorläufigem Bescheid vom 21.4.2019 wurden den Klägern für die Zeit vom 1.5.2019 bis 31.10.2019 SGB II-Leistungen von 1.264 € monatlich bewilligt. Mit vorläufigem Bescheid vom 26.8.2019 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23.11.2019 wurden den Klägern für die Zeit vom 1.11.2019 bis 30.4.2020 SGB II -Leistungen in Höhe von monatlich 1.264 €, ab 1.1.2020 1.278 € bewilligt, jeweils ohne Anrechnung von Einkommen.
Mit E-Mail vom 29.8.2019 teilte der Kläger zu 1 mit, dass er ab September 2019 eine Beschäftigung aufnehmen werde, so dass die Leistungen ab 1.11.2019 einzustellen seien. Daraufhin wurden mit Schreiben vom 3.9.2019 die Leistungen ab 1.11.2019 vorläufig eingestellt. Mit Schreiben vom 16.10.2021 wurde der Kläger zu 1 zur Vorlage u.a. von Verdienstbescheinigungen aufgefordert. Der Kläger zu 1 teilte mit, dass er die Zusammenarbeit mit der Firma S GmbH beendet habe, da diese ihrer Zahlungsverpflichtung nicht nachkomme. Ferner behauptete er, dass er keine Lohnabrechnungen und keinen Lohn erhalten habe. Er habe bereits eine andere Beschäftigung in Aussicht (s. E-Mail und Schreiben vom 26.8.2019, 27.9.2019, 30.9.2019, 14.10.2019, 23.10.2019, 22.11.2019). Mit Schreiben vom 21.10.2019 wurden die Zahlungen wiederaufgenommen. Zum Nachweis fehlender Einkünfte übersandte der Kläger zu 1 eine Umsatzübersicht von seinem Konto bei der C Bank vom 1.8.2019 bis 18.10.2019 und eine (zusammengeschnittene) Umsatzübersicht zu seinem Konto bei der I für die Zeit vom 19.7. bis 18.10.2019. Hieraus waren Einkommenszuflüsse jeweils nicht erkennbar.
Der Kläger zu 1 legte entgegen der Aufforderung des Beklagten vom 16.10.2019 keine Verdienstbescheinigungen zu seiner Beschäftigung bei S vor. Der Beklagte verlangte mit Schreiben vom 21.10.2019 Auskunft beim Arbeitgeber, nachdem er durch den automatisierten Datenabgleich mit der Rentenversicherung vom 14.10.2019 davon Kenntnis erlangte, dass der Kläger entgegen seinen Angaben bereits ab 19.8.2019 versicherungspflichtig beschäftigt war. Der Arbeitgeber übersandte mit Schreiben vom 8.11.2019 eine Verdienstbescheinigung über eine Beschäftigung vom 19.8.2019 bis 4.10.2019. Danach erzielte der Kläger zu 1 im August ein Bruttogehalt von 790,27 € und im September von 952,60 €. Gemäß Telefonvermerk vom 20.11.2019 wurden auf das Konto bei der I im August 591,77 €, im September 782,22 € und im September 15,15 € überwiesen. Mit Aufforderung zur Mitwirkung vom 20.11.2019 konfrontierte der Beklagte den Kläger zu 1 mit diesem Sachverhalt und verlangte eine Stellungnahme sowie die Übersendung der lückenlosen Kontoauszüge ohne Ausblendungen betreffend den Zeitraum von August bis Oktober 2019.
Zudem erhielt der Beklagte über den automatisierten Datenabgleich mit der Rentenversicherung erstmalig am 27.11.2019 Kenntnis davon, dass der Kläger zu 1 bei der S1 AG vom 1.7. bis 31.7.2019 versicherungspflichtig beschäftig war. Auch hierzu verlangte der Beklagte mit Mitwirkungsaufforderung vom 27.11.2019 Nachweise vom Kläger zu 1. Da der Kläger hierauf nicht reagierte, verlangte der Beklagte vom Arbeitgeber Auskunft. Laut Arbeitgeberbescheinigung vom 18.2.2020 erzielte der Kläger im Juli ein Bruttoeinkommen von 1.843,18 €, netto von 1.496,96 €, das nach Angaben des Arbeitgebers im Folgemonat ausgezahlt wurde. Auf den eingereichten Umsatzübersichten zu den Konten bei der C Bank und I war der Einkommenszufluss im August nicht ersichtlich.
Durch einen weiteren automatisierten Datenabgleich mit der Rentenversicherung erhielt der Beklagte erstmalig Kenntnis von einer Beschäftigung des Klägers zu 1 ab 20.4.2020, was ihn zu einer weiteren Mitwirkungsaufforderung vom 1.7.2020 gegenüber dem Kläger zu 1 veranlasste.
Mit Bescheiden vom 30.3.und 31.3.2020 i...