Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Entschädigung bei Nichterscheinen in der mündlichen Verhandlung wegen eines im Gericht erlittenen Ohnmachtsanfalls
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Entschädigung nach dem JVEG setzt grundsätzlich voraus, dass der Berechtigte im gerichtlich angesetzten Termin erschienen ist.Nicht ausreichend ist ein Erscheinen nur in den Räumlichkeiten des Gerichts, ohne dass eine Teilnahme an dem gerichtlichen angesetzten Termin, z.B. der mündlichen Verhandlung, erfolgt ist.
2. Ob eine derartige Teilnahme erfolgt ist, ist bei einer mündlichen Verhandlung der Sitzungsniederschrift (Protokoll) zu entnehmen, die Beweiskraft hat.
3. Von dem genannten Grundsatz kann jedenfalls dann nicht abgewichen werden, wenn der Grund für das Nichterscheinen nicht in der Sphäre des Gerichts liegt.
Normenkette
JVEG §§ 19, 8a; SGG §§ 191, 183, 122; ZPO §§ 165, 160 Abs. 1 Nr. 4; GG Art. 3 Abs. 1
Tenor
Dem Antragsteller steht keine Entschädigung wegen der mündlichen Verhandlung am 10.11.2015 zu.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt eine Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) wegen einer mündlichen Verhandlung, zu der er unter Anordnung des persönlichen Erscheinens geladen war, in der er aber wegen eines Schwächeanfalls kurz vor Beginn des Gerichtstermins nicht erschienen ist.
In dem am Bayer. Landessozialgericht (LSG) unter dem Aktenzeichen L 5 KR 521/14 geführten Berufungsverfahren des dortigen Klägers und jetzigen Antragstellers (im Folgenden: Antragsteller) fand am 10.11.2015 eine mündliche Verhandlung statt, zu der das persönliche Erscheinen des Antragstellers angeordnet war. Die mündliche Verhandlung war für 11.00 Uhr terminiert. Bei Aufruf des Rechtsstreits um 11.20 Uhr war der Antragsteller ausweislich des Protokolls nicht im Sitzungssaal anwesend. Im Protokoll wurde festgehalten:
"Es wird festgestellt, dass der Kläger zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Wegen eines akuten medizinischen Notfalls kann er nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen."
Mit Schreiben vom 11.11.2015 beantragte der Antragsteller die Entschädigung wegen des Gerichtstermins am 10.11.2015. Er trug vor, dass er um 10.57 Uhr im LSG einen Schwächeanfall erlitten habe und ohnmächtig geworden sei. Der Rettungsdienst habe ihn ins Krankenhaus gebracht. Er habe sich von seiner Frau abholen lassen müssen (Kosten für die Fahrkarte 25,- € für die Fahrt der Ehefrau nach B-Stadt) und einen Strafzettel über 25,- € bekommen, da er kein Geld mehr in den Parkautomaten werfen habe können. Zudem beantragte er eine Entschädigung für gefahrene 285 km vom Wohnort nach B-Stadt und zurück sowie den Ersatz von Parkkosten in Höhe von 3,40 €. Für die Rückfahrt sei eine Begleitperson erforderlich gewesen.
Die Kostenbeamtin des Bayer. LSG lehnte mit Schreiben vom 25.01.2016 eine Entschädigung des Antragstellers wegen des Gerichtstermins am 10.11.2015 mit der Begründung ab, dass zwar das persönliche Erscheinen des Antragstellers angeordnet gewesen sei, dieser aber wegen seines Schwächeanfalls nicht an der Verhandlung teilnehmen habe können. Er habe daher nichts zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen können.
Dagegen haben sich die Bevollmächtigten des Antragstellers mit Schreiben vom 27.01.2016 gewandt und die gerichtliche Festsetzung der Entschädigung beantragt. Zur Begründung haben sie Folgendes vorgetragen:
Der Antragsteller sei zum Termin der mündlichen Verhandlung am 10.11.2015 persönlich geladen gewesen und auch erschienen. Er habe jedoch kurz vor Beginn der mündlichen Verhandlung in den Räumen des LSG einen Schwächeanfall erlitten und sei anschließend in ein Krankenhaus verbracht worden. Daher sei ihm die persönliche Teilnahme am Gerichtstermin nicht mehr möglich gewesen, weshalb eine Vertagung seitens des Senats in Erwägung gezogen worden sei. Da der Kläger ansprechbar gewesen sei, habe er sein Einverständnis mit der Durchführung der mündlichen Verhandlung und dem Abschluss eines Vergleichs durch seine Prozessbevollmächtigten auch ohne seine Anwesenheit erklärt. Dieser Sachverhalt sei dem Senat mitgeteilt worden. Daraufhin sei der Rechtsstreit zur mündlichen Verhandlung aufgerufen und mit einem Vergleich erledigt worden. Dem Kläger seien die Kosten für sein persönliches Erscheinen zu erstatten, da ihm diese ausschließlich aufgrund der richterlichen Anordnung, welcher er ordnungsgemäß gefolgt sei, entstanden seien. Die Tatsache, dass er aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen an der mündlichen Verhandlung letztendlich nicht mehr persönlich teilnehmen habe können, könne nicht zu seinen Lasten gehen, zumal er sich bereits in den Gerichtsräumen befunden habe.
Der Senat hat die Akten des Hauptsacheverfahrens beigezogen.
II.
Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier der Berechtigte mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 27.01.2016 die gerichtliche Festsetzung der Entschädigung beantragt.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Entschäd...