Leitsatz (amtlich)

Wegen einstweiliger Anordnung

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 9. Mai 2011 aufgehoben.

II. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, längstens bis zum Abschluss eines

Hauptsacheverfahrens am Sozialgericht Würzburg, der Antragstellerin im Wege der Sachleistung 20 weitere ambulante Hyperthermiebehandlungen, zu gewähren.

III. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antrags- und des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Übernahme von Kosten für ambulant durchzuführende Hyperthermiebehandlungen bei dem Vertragsarzt Dr. med. Z..

Bei der 1965 geborenen Antragstellerin (Ast) wurde im Januar 2010 ein weitläufig metas-tasierendes bösartiges Darmkarzinom diagnostiziert (mucinöses Appendixkarzinom mit Peritonealkarzinose). Operativ erfolgte am 25.01.2010 eine komplette Entfernung des Dickdarms mit Herstellung einer Verbindung zwischen Dünndarm und Enddarm. Gleichzeitig wurde die Gebärmutter, die Eierstöcke und das gesamte Bauchfell entfernt. Bereits intraoperativ wurde eine Hyperthermie als intraperitoneale Chemotherapie (HIPEC) durchgeführt. Es folgten weitere stationäre Aufenthalte im Krankenhaus L., C-Stadt, sowie in der Univ. Klinik W.. Letztere empfahl der Ast im Anschluss eine additive Therapie mit FOLFOX, d.h. eine spezielle Chemotherapie mit Oxadiplatin, Folinsäure, Fluoruracil. Wegen persistierender Diarrhoe verzichtete die Ast in der Folge auf eine additive Chemotherapie, auch eine geplante Rehabilitationsmaßnahme fand nicht statt. Die Ast entschied sich vielmehr für eine Misteltherapie in Kombination mit ambulanter Hyperthermie, die seit Januar 2011 beim Vertragsarzt Dr. Z. in H. in Form von regionaler Tiefenhyperthermie und Ganzkörperhyperthermie mit Procainbasen-Infusionen durchgeführt wird. Dr. Z. rechnet hierfür jeweils 150,- € nach GOÄ ab.

Am 03.01.2011 beantrage die Ast schriftlich unter Beifügung eines Attestes des Dr. Z. die Übernahme der Kosten. Die Ag befasste hierauf den MDK, der am 18.01.2011 mitteilte, dass die vertraglichen Behandlungsmöglichkeiten noch nicht ausgeschöpft seien, da eine Chemotherapie z.B. nach FOLFOX-Schema möglich wäre. Evtl. Gegenindikationen bzw. Unverträglichkeiten lägen nicht vor. Auch sei durch die Anwendung der beantragten Maßnahme nicht mit einer auf Indizien gestützten nicht ganz entfernt liegenden Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf zu rechnen. Die Ag lehnte hierauf am 24.01.2011 die Kostenübernahme für die Hyperthermiebehandlung ab. Im Widerspruchsverfahren trug der Bevollmächtigte der Ast vor, dass der ambulant behandelnde Onkologe Dr. von H. der Ast mitgeteilt habe, dass eine Chemotherapie nur noch allein aus palliativen Aspekten erfolgen könne und aus seiner Sicht allenfalls zu einer moderaten (und auch nur möglicherweise zu erreichenden) Lebensverlängerung führen könne. Im Einvernehmen mit Dr. von H. habe sie sich daher gegen die Durchführung der Chemotherapie entschieden. Nach Beginn der hyperthermischen Therapie seien bei einer CT-Untersuchung am 15.02.2011 keine erkennbaren Metastasen mehr festgestellt worden. Es bestünde daher eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)vom 06.12.2005. Darüber hinaus lägen Studien vor, mit denen der therapeutische Nutzen belegt werden könne. Dies sei auch von einer Reihe von Sozialgerichten so anerkannt worden. Hierauf gab der MDK in einer weiteren Stellungnahme nach Aktenlage und ohne Einbeziehung des Herrn Dr. von H. an, dass trotz lediglich palliativen Therapieansatzes neben supportiver Therapie in Übereinstimmung mit Onkologen eine weiterführende onkologische Behandlung zu diskutieren sei. Hierfür stünden anerkannte Behandlungsstandards, u.a. mit zugelassenen Arzneimitteln zur Verfügung. Anhand der vorliegenden Unterlagen sei nicht belegt, dass diese Optionen unzumutbar oder ggf. unter stationären Bedingungen ausgeschöpft seien. Ausreichende Standards für die Hyperthermie (Studienprotokoll, Votum der Ethikkommission) seien nicht vorhanden.

Am 15.04.2011 beantragte die Ast durch ihren Bevollmächtigten den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Würzburg (SG), die entsprechend den Ausführungen im Widerspruchsverfahren und unter Beifügung weiterer ärztlicher Stellungnahmen und Befunde begründet wurde. Hiergegen trug die Ag vor, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (GemBA) die Hyperthermie sogar ausdrücklich von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen habe. Auch unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BVerfG komme eine Kostenübernahme nicht in Betracht, da nach Prüfung des MDK eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende vertragliche Behandlung zur Verfügung stehe. Die Behandlung von palliativen Krebspatienten mit Behandlungskonzepten wie der H...

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