Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtliche Festsetzung der Entschädigung eines Zeugen. Nachweis von Fahrtkosten. Vortrag des Antragstellers. Glaubhaftigkeit der Angaben. Richterliche Beweiswürdigung. Nachteile bei der Haushaltsführung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Nachweis der bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel entstandenen Kosten kann nicht nur durch die Vorlage der Fahrkarte geführt werden.

2. Kann die Fahrkarte nicht mehr vorgelegt werden, wird regelmäßig die Versicherung der Richtigkeit der Angaben eines Antragstellers für die Nachweisführung ausreichen, wenn nicht Gesichtspunkte offensichtlich sind, die an der Richtigkeit der gemachten Angaben Zweifel wecken.

3. Wegen des Leitgedankens der Praktikabilität und Verwaltungsökonomie der Kostensachbearbeitung dürfen bei der Prüfung, ob Zweifel an der Richtigkeit der gemachten Angaben bestehen, die Anforderungen an die Prüfpflicht der Kostenbeamten und Kostenrichter nicht überspannt werden.

 

Normenkette

JVEG § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 21; SGG § 128 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Die Entschädigung der Antragstellerin für die Wahrnehmung des Gerichtstermins am 27.09.2012 wird auf 84,- € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt eine Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und

-entschädigungsgesetz (JVEG) wegen der Wahrnehmung eines Gerichtstermins.

In zwei am Bayerischen Landessozialgericht (LSG) geführten Rechtsstreitigkeiten fanden am 27.09.2012 unmittelbar aneinander anschließend mündliche Verhandlungen statt, an denen die Antragstellerin als geladene Zeugin teilnahm. Die erste mündliche Verhandlung war auf 10.20 Uhr terminiert; die zweite mündliche Verhandlung endete um 13.17 Uhr.

Mit am Tag der mündlichen Verhandlung eingegangenem Entschädigungsantrag beantragte die Antragstellerin die Entschädigung für das Erscheinen als Zeugin. Sie gab dabei an, von 8.30 Uhr bis 14.30 Uhr von zu Hause weg gewesen und mit der Bahn gefahren zu sein. Als entstandene Kosten gab sie "2,- + 24,- €" an. Die Fahrkarten wurden nicht vorgelegt.

Nachdem die Kostenbeamtin mit Schreiben vom 23.10.2012 um Vorlage von Belegen für die Fahrtkosten gebeten hatte, teilte die Antragstellerin am 26.10.2012 telefonisch mit, dass sie mit einem Bayernticket gefahren sei und dieses zwischenzeitlich nicht mehr habe. Sie habe am Tag des Gerichtstermins den Entschädigungsantrag an der Pforte abgegeben und angenommen, dass sich die Angelegenheit damit erledigt habe.

Mit Schreiben der Kostenbeamtin vom 06.11.2012 wurde die Entschädigung auf 72,- € festgesetzt, wobei dem ausschließlich eine Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung unter Zugrundelegung der von der Antragstellerin angegebenen Abwesenheitszeit zugrunde gelegt wurde. Eine Erstattung von Fahrkosten wurde wegen fehlender Belege nicht vorgenommen.

Dagegen hat sich die Antragstellerin mit Schreiben vom 07.11.2012 und vom 09.11.2012 gewandt; sie strebt eine Entschädigung der geltend gemachten Fahrtkosten und einer zusätzlichen Stunde Abwesenheitszeit von zu Hause an.

Sie habe - so die Antragstellerin - die günstigste Fahrmöglichkeit gewählt und daher ein Bayernticket für 24,- € gekauft. Da dieses erst ab 9.00 Uhr gelte, habe sie wegen der Abfahrt des Zuges um 8.47 Uhr eine zusätzliche Fahrkarte für 2,- € bis zur nächsten Haltestelle kaufen müssen. Weil sie zu Hause einen schwerkranken Ehemann habe, habe sie mit der Fahrkarte unabhängig sein müssen und weder jemand mitnehmen noch bei jemanden mitfahren können. Da sich der Verhandlungsbeginn um eine Stunde verzögert habe, habe sie nur den Zug um 14.07 Uhr erreicht und sei erst um ca. 15.30 Uhr wieder zu Hause gewesen. Den Entschädigungsantrag habe sie nach der Verhandlung an der Pforte abgegeben. Es sei ihr versichert worden, dass der Antrag gestempelt werde und alles in Ordnung sei. Auf die fehlenden Fahrkarten sei sie nicht hingewiesen worden. Das Schreiben der Kostenbeamtin habe sie so spät erreicht, dass die Fahrkarten bereits mit der Papiertonne entsorgt worden seien.

Der Senat hat sich über die Fahrplanauskunft der Deutschen Bahn Informationen zu Fahrtzeiten und Fahrkartenkosten beschafft.

II.

Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier die Berechtigte mit Schreiben vom 07.11.2012 die gerichtliche Festsetzung beantragt.

Die Entschädigung für die Wahrnehmung des Gerichtstermins am 27.09.2012 ist auf

84,- € festzusetzen. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht.

Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Berechnung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung. Bei der Kostenfestsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die durch den Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung hinfällig wird (vgl. Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.1968, Az.: RiZ (R) 4/68). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungsweg sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamt...

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