Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Eilverfahren gegen einen Eingliederungsverwaltungsakt. Ausgewogenheit der wechselseitigen Verpflichtungen. Verhandlungen. Potenzialanalyse. Hinreichende Bestimmtheit. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Im Eilverfahren sind Eingliederungsverwaltungsakte nur summarisch zu prüfen. Rechtsschutz ist dann nur zu gewähren, wenn die summarische Prüfung nicht nur Zweifel, sondern erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit ergibt.

 

Normenkette

SGG § 86b; SGB II §§ 15, 39

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 6. Dezember 2016 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Dem Antragsteller und Beschwerdeführer wird für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt B., A-Stadt, beigeordnet.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf) begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen den Eingliederungsverwaltungsakt des Antraggegners und Beschwerdegegners (Bg) vom 24.10.2016.

Der Bf bezieht vom Bg seit Jahren laufend Leistungen nach dem SGB II.

In den Akten des Bg befinden sich über Jahre hinweg angesammelte umfangreiche Unterlagen zur Person des Bf, insbesondere mit einem Profil des Bf, das die Berufserfahrung, Mobilität und Sprachkenntnisse sowie Kenntnisse und Fertigkeiten, persönliche Stärken und Interessen des Bf auflistet. Die einzelnen Kenntnisse und Fertigkeiten sind mit 1 bis 3 Sternen in den Unterlagen gewertet.

Aus den Vermerken in den Akten des Bg seit 2005 ergeben sich Änderungen am Profiling (Ergänzung der Vorstellungen des Bf über eine künftige Tätigkeit, Einschränkungen auf Grund der Gesundheit und Langzeitarbeitslosigkeit).

Auch frühere Eingliederungsverwaltungsakte, mit denen jeweils entsprechend der damaligen aktuellen Situation des Bf vom Bg Hilfen angeboten wurden, wie etwa eine Arbeitsgelegenheit beim Berufsfortbildungswerk des DGB oder die Teilnahme am ESF Bundesprogramm zur Eingliederung Langzeitarbeitslosen nach dem SGB II auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, sind aus den Akten ersichtlich.

Bei einer persönlichen Vorsprache am 21.10.2016 wurden die bisherigen erfolglosen Bewerbungen des Bf diskutiert und Gründe für die Nichtteilnahme an den angebotenen Maßnahmen besprochen. Dem Bf wurde bei diesem Gespräch eine Arbeitsgelegenheit als Bibliothekshilfe bei der Landeshauptstadt A-Stadt vorgeschlagen und anschließend eine Eingliederungsvereinbarung angeboten.

Nachdem der Bf die Eingliederungsvereinbarung nicht innerhalb der gesetzten Frist bis 24.10.2016, mittags, an den Bg zurückgegeben hatte, erließ der Bg noch am 24.10.2016 nachmittags einen Eingliederungsverwaltungsakt auf der Basis von § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II mit einer Geltungsdauer vom 24.10.2016 bis 23.04.2017. Als Ziel war in den Eingliederungsverwaltungsakt aufgenommen worden die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, übergangsweise über eine öffentlich geförderte Beschäftigung.

Als Unterstützungsleistung durch den Bg sind im Eingliederungsverwaltungsakt vorgesehen:

- das Angebot einer Arbeitsgelegenheit nach § 16d SGB II für die Dauer von 6 Monaten in der Stadtbibliothek der Landeshauptstadt A-Stadt als Bibliothekshilfe in einem Umfang von maximal 30 Wochenstunden (Aufwandsentschädigung von 1,50 EUR pro Stunde), deren Lage und Verteilung in Absprache mit dem Maßnahmeträger näher bestimmt werden sollte.

- die Unterbreitung von geeigneten Vermittlungsvorschlägen,

- die Aufnahme des Bewerberprofils in die Jobbörse,

- die Übernahme von angemessenen nachgewiesenen Kosten für schriftliche Bewerbungen nach Maßgabe des § 16 SGB II in Verbindung mit § 44 SGB II, sofern vorher beantragt,

Als Verpflichtungen des Bf waren vorgesehen:

- die Teilnahme an der angebotenen Arbeitsgelegenheit in der Stadtbibliothek der Landeshauptstadt A-Stadt.

- monatlich fünf Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, die durch Vorlage einer Liste der Eigenbemühung und des Schriftverkehrs mit dem Arbeitgeber zu belegen seien,

- zeitnahe Bewerbung auf Vermittlungsvorschläge des Bg,

Am 02.11.2016 legte der Bf Widerspruch gegen den Eingliederungsverwaltungsakt ein. Gleichzeitig stellte er beim Sozialgericht München Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen den Eingliederungsverwaltungsakt.

Den Widerspruch wies der Bg mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2016 zurück. Hiergegen erhob der Bf am 29.11.2016 Klage (anhängig beim Sozialgericht München unter S 40 AS 2812/16).

Mit Beschluss vom 6. Dezember 2016 lehnte das Sozialgericht München den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der inzwischen erhobenen Klage ab. Der zulässige Antrag sei unbegründet.

Nur ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides würden den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigen. Die summarische Prüfung ergebe keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Eingliederungsverwaltungsaktes vom 24.10.2016.

Der Abschluss einer Einglie...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?