Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Voraussetzungen der Zulässigkeit einer Anhörungsrüge bei einem Berufungsverfahren. Zuständigkeit bei einem unzulässigen Befangenheitsantrag
Leitsatz (amtlich)
Anhörungsrüge und Gegenvorstellung sind bei Unstatthaftigkeit zu verwerfen.
Orientierungssatz
1. Ist gegen eine Berufung die Nichtzulassungsbeschwerde zur Durchsetzung einer Revision möglich, kommt eine Anhörungsrüge als Mittel zur Weiterführung des Rechtsstreits nicht in Betracht.
2. Geht ein Sozialgericht von der Unzulässigkeit eines Ablehnungsgesuches aus, kann über den Antrag der Richter entscheiden, gegen den das Ablehnungsgesuch gerichtet ist.
Tenor
I. Die Anhörungsrüge, der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Gegenvorstellung in dem Verfahren L 18 AS 670/16 werden verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist die Übernahme von Mietschulden.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 21.12.2016 zurückgewiesen. Die gegen alle Mitglieder des zur Entscheidung berufenen Senats gestellten Befangenheitsanträge seien unzulässig. Die Berufung selbst sei unbegründet. Die Revision hat das LSG nicht zugelassen.
Dagegen hat der Kläger Anhörungsrüge erhoben und Fortsetzung des Verfahrens unter Berücksichtigung der vergessenen bzw. ignorierten Fakten, Tatbestände und Vorträge beantragt sowie hilfsweise die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt. Zudem hat er "Gegendarstellung" wegen der Ablehnung seines Antrages wegen der Besorgnis der Befangenheit im Rahmen der Urteilsgründe eingelegt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Gerichtsakten des 18. Senats Bezug genommen.
II.
Die Anhörungsrüge samt Fortsetzung des Verfahrens vor dem LSG unter Berücksichtigung aller von ihm vorgetragenen Fakten, der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die als Gegenvorstellung auszulegende "Gegendarstellung" sind durch den nunmehr für diese Entscheidung zuständigen Senat zu verwerfen.
Gemäß § 178 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist das Verfahren auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten fortzuführen, wenn (1) ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und (2) das Gericht den Anspruch des Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Vorliegend ist gegen die Entscheidung des LSG jedoch ein Rechtsmittel gegeben. Der Kläger hätte Nichtzulassungsbeschwerde, die ein solches Rechtsmittel ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 178 a Rn. 4), zum BSG einlegen können, worauf er in der erteilten Rechtsmittelbelehrung hingewiesen worden ist. Damit scheidet auch die vom Kläger begehrte Fortführung des Verfahrens vor dem LSG (§ 178a Abs. 5 SGG) aus. Die Anhörungsrüge ist daher gemäß § 178 a Abs. 4 Satz 1 SGG zu verwerfen.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 SGG) ist ebenfalls zu verwerfen, denn der Kläger hat keine gesetzliche Frist versäumt. Das Verfahren vor dem LSG ist abgeschlossen.
Die Gegenvorstellung - als solche ist die "Gegendarstellung" des Klägers auszulegen - ist ebenfalls zu verwerfen. Sie richtet sich gegen die Ablehnung des Antrags wegen der Besorgnis der Befangenheit im Rahmen der Urteilsbegründung.
Die Statthaftigkeit einer Gegenvorstellung setzt voraus, dass dem Betroffenen grobes prozessuales Unrecht zugefügt worden ist, das im Wege der richterlichen Selbstkontrolle beseitigt werden muss (vgl. Leitherer aaO Rn. 12, Beschluss des Senats vom 10.06.2013 - L 11 AS 186/13 B PKH -).
Dies ist vorliegend nicht gegeben. Das LSG ist von einer Unzulässigkeit des Ablehnungsgesuches ausgegangen. Dann aber darf der abgelehnte Richter hierüber mit entscheiden (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer aaO § 60 Rn. 10 d), wobei regelmäßig keine gesonderte Entscheidung über das Befangenheitsgesuch erforderlich ist. Die Gründe, warum eine solche Fallgestaltung gegeben ist, sind in der Entscheidung über die Sache, die mit dem abgelehnten Richter ergeht, darzulegen (vgl. Keller aaO Rn. 10 e). Dies hat das LSG getan und im Urteil entsprechende Ausführungen gemacht. Damit ist ein grobes prozessuales Unrecht nicht zu erkennen.
Über die "Rüge der Niederschrift/Tatbestandsrüge" hat der damals zuständige 18. Senat des LSG zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Fundstellen
Dokument-Index HI10876680 |