Entscheidungsstichwort (Thema)
Durchführung des Risikostrukturausgleichs. Aussetzung der Vollziehung
Leitsatz (amtlich)
1. Die gesetzlichen Krankenkassen sind als Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht daran gehindert, gegen die Zahlung des Risikostrukturausgleichs die Aussetzung der Vollziehung zu beantragen.
2. Die Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes hängt davon ab, daß ernste Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zahlungsbescheide bestehen. Hierbei ist in einem Stufensystem die offensichtliche Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angegriffenen Zahlungsbescheides bzw die Erfolgsaussicht des Hauptsacheverfahrens sowie das Dringlichkeitsinteresse zu prüfen.
3. Das Interesse am unverzüglichen und regelmäßigen Eingang der Ausgleichszahlungen des Risikostrukturausgleichs ist bei grundsätzlicher Erfüllung der Ermittlungspflichten und ausreichender Datenvalidität vorrangig gegenüber den wirtschaftlichen Interessen der Krankenkassen, zumal Unrichtigkeiten bei der Datenerhebung in einem späteren Ausgleichsverfahren zu beheben sind.
Tatbestand
Streitig ist vorläufiger Rechtsschutz im Verfahren des Risikostrukturausgleichs (Kalenderjahr 1995).
Die Antragsgegnerin teilte mit den Schreiben vom 16.10. und 04.12.1996 der Antragstellerin über deren Bundesverband die für die Berechnung des Jahresausgleichs 1995 maßgeblichen Verhältniswerte, durchschnittlichen berücksichtigungsfähigen Leistungsausgaben, Korrekturfaktoren und Ausgleichsbedarfssätze für die Jahresausgleiche 1994 und 1995 in Form der 35., 38. und 39. Bekanntmachung mit. Sie forderte von der Antragstellerin mit dem individuell erstellten Bescheid vom 04.12.1996 für das Kalenderjahr 1995 den Ausgleichsbetrag mit 93.292.296, 54 DM (West), zahlbar bis spätestens 18.12.1996. Für den Bereich Ost forderte die Antragsgegnerin mit einem weiteren Bescheid vom 04.12.1996 einen Ausgleichsbetrag von 13.713.479, 67 DM, zahlbar bis spätestens 18.12.1996. Alle Bescheide wurden als sofort vollstreckbar bezeichnet und mit dem Hinweis versehen, daß eine Klage keine aufschiebende Wirkung habe.
Hiergegen hat die Antragstellerin am 17.12.1996 Klage beim Sozialgericht München (SG) erhoben und zugleich die Aussetzung der Vollziehung dieser Bescheide bzw. den Erlaß einer einstweiligen Anordnung beantragt. Sie hat geltend gemacht, es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide, da die Antragsgegnerin die Summe der Versicherungszeiten der Familienversicherung und die standardisierten Leistungsausgaben nicht zutreffend ermittelt habe. Die Vollziehung der Bescheide stelle für sie eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gerechtfertigte Härte dar. Sie müsse zur Finanzierung der Ausgleichsverpflichtungen den Beitragssatz erhöhen sowie einen Kredit aufnehmen. Betriebsmittel und Rücklagen gemäß den Bestimmungen des Sozialgesetzbuch V (SGB V) stünden ihr nicht zur Verfügung. Durch die somit erforderliche Erhöhung des Beitragssatzes erleide sie Wettbewerbsnachteile sowie nicht wiedergutzumachende Mitgliederverluste. Andere Krankenkassen hätten eine Grundbereinigung der Daten der Familienversicherten nicht vorgenommen. Die Antragsgegnerin hätte mit Ermittlungen erst nach dem Beschluß des Bayer. Landessozialgerichts vom 17.06.1996 (L 4 B 100/96. Kr-VR) begonnen, das in vergleichbaren Verfahren die Vollziehung der Zahlungsbescheide betreffend den Risikostrukturausgleich für das Jahr 1994 mit der Begründung ausgesetzt habe, die verwendeten Daten seien unzureichend erfaßt worden.
Die Antragsgegnerin hat demgegenüber eingewendet, die Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz seien unzulässig, weil - wie bereits andere Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entschieden hätten - den verpflichteten Krankenkassen schwere und unzumutbare Nachteile nicht entstünden. Sie hat die von der Antragstellerin beantragte Stundung und auch den vom SG im Erörterungstermin vom 24.02.1997 gemachten Vergleichsvorschlag, den die Antragstellerin angenommen hat, abgelehnt. Sie ist im übrigen der Auffassung, in einer geringfügigen Erhöhung des Beitragssatzes liege kein schwerer und unzumutbarer Nachteil; außerdem könnten die Verpflichtungen aus dem Risikostrukturausgleich längerfristig finanziert werden. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes für den Jahresausgleich in 1994 und 1995 würde den Risikostrukturausgleich insgesamt erheblich gefährden. Ausfälle an Zahlungen würden zu einer zusätzlichen Belastung der anderen verpflichteten Krankenkassen führen. Im übrigen habe sie im Anschluß an die Entscheidungen des Bayer. Landessozialgerichts vom 17.06.1996 ausreichende Ermittlungen aufgenommen und festgestellte Mängel behoben. Die gesetzlichen Bestimmungen und die Regelungen der Risikostrukturausgleichsverordnung (RSAV) sowie die für frühere Jahresausgleiche vereinbarten Übergangsbestimmungen sähen hinreichende Korrekturmöglichkeiten unzutreffender Daten vor. Es sei ausgeschlossen, daß sich die Zahlungsverpflichtungen der Antragstellerin nach Durchführung der Korrekturen wesentlich v...