Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherung. Physiotherapeut. Tätigkeit in einer fremden Praxis. Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit oder einer abhängigen Beschäftigung. Betriebsprüfung. Beitragspflicht. Zulassung als Heilmittelerbringer. Betriebliche Eingliederung. Vergütung. Gründungszuschuss. Bindung an die Entscheidung anderer Versicherungsträger. Anordnung der aufschiebenden Wirkung

 

Leitsatz (amtlich)

Selbstständige Tätigkeit und abhängige Beschäftigung: Physiotherapeuten, die in einer fremden, als Leistungserbringer nach dem SGB 5 zugelassenen Praxis tätig sind, stehen typischerweise in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, weil die Letztentscheidungsbefugnis nach §§ 124, 125 SGB 5 per legem dem Praxisbetreiber zugewiesen ist.

 

Normenkette

SGB IV § 7 Abs. 1, § 28p Abs. 1 S. 5; SGB V §§ 32, 124; SGG § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 86a Abs. 3 S. 2

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 18.10.2013 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten auch der Beschwerde.

III. Der Streitwert wird auf 16.000 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs gegen einen Beitragsnachforderungsbescheid aufgrund Betriebsprüfung anzuordnen.

Die Antragstellerin besteht aus S. B. und K. S., die eine Physiotherapieeinrichtung in Form einer Gesellschaft Bürgerlichen Rechts - ohne diese ausdrücklich zu bezeichnen - in A-Stadt betreiben. Die Antragstellerin ist als Leistungserbringerin von Heilmitteln nach dem SGB V zugelassen.

Nach Betriebsprüfung und Anhörung forderte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 5.8.2013 wegen der Tätigkeit des Physiotherapeuten F. W. (F.W.) und der Physiotherapeutin M. H. (M.H.) für den Prüfzeitraum 1.11.2008 bis 31.7.2011 Sozialversicherungsbeiträge iHv 46.383,50 € nach. F.W. und M.H. seien als freie Mitarbeiter geführt worden, tatsächlich aber in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen zur Antragstellerin gestanden. Über den dagegen eingelegten Widerspruch ist bislang nicht entschieden.

Am 11.9.2013 hat die Antragstellerin bei Sozialgericht München die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches beantragt. Sie hat zur Begründung im Wesentlichen in Wiederholung ihres Anhörungs- und Widerspruchsvorbringens geltend gemacht, F.W. und M.H. seien nicht abhängig beschäftigt. Nach den abgeschlossenen Kooperationsverträgen seien diese nicht in den Betriebsablauf eingebunden, hätten Therapiefreiheit bei der Patientenbehandlung, setzten Ihre Arbeitskraft mit ungewissem Erfolg ein, denn sie trügen das Risiko der Nichtzahlung eines Patienten, dürften Patienten nur selbst behandeln, wenn in der Praxis Plätze frei seien, hätten eine eigene Berufshaftpflicht abgeschlossen, betrieben Eigenwerbung mit eigenen Visitenkarten und seien für weitere Physiotherapie-Einrichtungen tätig.

Mit Beschluss vom 18.10.2013 hat das Sozialgericht den Antrag abgewiesen. Im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung sei der gegenständliche Bescheid ernsthaften Zweifeln nicht ausgesetzt.

Dagegen hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt mit dem Antrag,

den Beschluss des Sozialgerichts München vom 18.10.2013 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 05.08.2013 anzuordnen.

Unter Verweis auf ihr bisheriges Vorbringen beantragt die Antragsgegnerin demgegenüber,

die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 18.10.2013 zurückzuweisen.

Beigezogen waren die Verwaltungsakten der Beklagten. Darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Instanzen wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 SGG) aber unbegründet. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des gegenständlichen Bescheides vom 5.8.2013.

1. Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen - wie hier gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG - Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Ein entsprechender Antrag ist bereits vor Erlass eines Widerspruchsbescheides statthaft. Die Entscheidung, inwieweit die aufschiebende Wirkung gegen Beitragsbescheide ausnahmsweise durch das Gericht angeordnet werden kann, richtet sich zunächst nach einer Abwägung des Aufschubinteresses der Antragstellerin einerseits und den öffentlichen Interessen an dem Sofortvollzug des Beitragsnachforderungsbescheides andererseits. Dabei ist in vorsichtiger Anlehnung an § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG zunächst zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen (BT-Drs. 14/5943 unter Bezug auf BVerwG NJW 1974, 1294; ständige Rechtsprechung, vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.7.2011- L 8 R 287 B ER; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 13.08.2012 - L 5 R 595/12 B ER). § 86 b SGG verlagert damit das Vollzugsrisiko von Beitragsbescheiden auf den Adressaten (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-West...

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