Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Berufungseinlegung. Einhaltung der Berufungsfrist. Nachweis des Zugangs eines Urteils durch Empfangsbestätigung
Orientierungssatz
Hat ein Rechtsanwalt in einer Empfangsbestätigung den Empfang einer Urteilsausfertigung bestätigt, ist von der Zustellung des Urteils zu dem in der Empfangsbestätigung mitgeteilten Zeitpunkt auszugehen. Die Beweiswirkung der Empfangsbestätigung kann dabei nur beseitigt werden, wenn durch Beweis die Annahme der Richtigkeit der Empfangsbestätigung ausgeschlossen ist.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 01.06.2016 wird verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der Kläger ist Student und bezog in der Vergangenheit zeitweise Alg II vom Beklagten. Auf einen Fortzahlungsantrag bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 25.07.2013 zunächst vorläufige Leistungen von August 2013 bis Januar 2014, lehnte dann aber mit Bescheid vom 05.08.2013 die Gewährung von Alg II ab September 2013 endgültig ab und nahm den Bescheid vom 25.07.2013 insoweit wieder zurück. Einen Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid vom 25.07.2013 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.08.2013 und einen weiteren Widerspruch gegen den Bescheid vom 05.08.2013 mit Widerspruchsbescheid vom 26.08.2013 zurück.
Die vom Kläger dagegen beim Sozialgericht Bayreuth (SG) erhobenen Klagen (S 9 AS 900/13 und S 9 AS 932/13) hat das SG unter dem Az S 9 AS 900/13 verbunden. Nach einem Teilanerkenntnis des Beklagten im Hinblick auf die Zahlung von Unterkunftskosten iHv 280 € für August 2013 hat das SG die Klage mit Urteil vom 01.06.2016 abgewiesen. Nach den Akten des SG wurde das Urteil einschließlich der Sitzungsniederschrift am 12.07.2016 an den seinerzeitigen Bevollmächtigten des Klägers versandt. Nach einem von dem Bevollmächtigten unterzeichnetem Empfangsbekenntnis sind die Dokumente am 13.07.2016 dort eingegangen. Mit Schreiben vom 28.10.2016 hat der seinerzeitige Bevollmächtigte dem SG dann mitgeteilt, das Urteil vom 01.06.2016 liege ihm noch nicht vor. Mit Schreiben vom 15.11.2016 hat er ergänzend ausgeführt, die tatsächliche Nichtübersendung am 13.07.2016 sei wegen der Vielzahl der Unterlagen übersehen worden.
Gegen das Urteil des SG vom 01.06.2016 hat der Kläger am 01.12.2016 Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Das Urteil sei dem vormaligen Bevollmächtigten nicht ordnungsgemäß zugestellt worden. Dieser habe eine Abschrift erst am 08.11.2016 erhalten. Hierzu hat der Kläger auch eine anwaltliche Versicherung seines vormaligen Bevollmächtigten vorgelegt. Das seinerzeit auf das Verfahren S 9 AS 900/13 bezogene und von ihm unterzeichnete Empfangsbekenntnis sei nur insoweit richtig, als es sich auf die Niederschrift vom 01.06.2016 beziehe. Hinsichtlich der dort ebenfalls erwähnten Urteilsanschriften sei es unrichtig und beruhe auf einem Versehen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts vom 01.06.2016 aufzuheben und gemäß dem erstinstanzlich zuletzt gestellten Antrag zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen.
Die Berufung sei nicht fristgemäß erhoben worden.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg. Sie ist nicht zulässig und daher zu verwerfen. Der Senat konnte durch Beschluss entscheiden, weil die Berufung nicht in der gesetzlichen Frist eingelegt worden ist (§ 158 Sätze 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Das Gericht hat den Kläger auch darauf hingewiesen, dass eine derartige Entscheidung durch Beschluss möglich ist. Einwendungen hiergegen hat er nicht vorgebracht.
Gemäß § 151 Abs 1 SGG ist die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Das Urteil des SG ist dem seinerzeitigen Bevollmächtigten des Klägers - eine ordnungsgemäße Vollmacht hat vorgelegen - am 13.07.2016 - mit zutreffender Rechtsmittelbelehrung (§ 66 SGG) - mit Empfangsbekenntnis (§ 63 Abs 2 Satz 1 SGG iVm §§ 174 Abs 1 Zivilprozessordnung -ZPO-) wirksam zugestellt (§ 135 SGG) worden. Zum Nachweis der Zustellung genügt das mit Datum und Unterschrift des Adressaten versehene Empfangsbekenntnis, das an das Gericht zurückzusenden ist (§ 174 Abs 4 Satz 1 ZPO). Dieses liegt in den Akten des SG vor und trägt das Datum 13.07.2016 sowie die Unterschrift des seinerzeitigen Bevollmächtigten. Danach wurde nicht nur die Sitzungsniederschrift sondern auch das Urteil vom 01.06.2016 zugestellt. Das Empfangsbekenntnis ist eine öffentliche Urkunde iSv § 418 ZPO (vgl auch BayLSG, Beschluss vom 17.02.2017 - L 16 AS 859/16 B ER). Eine solche erbringt den vollen Beweis für die Entgegennahme des darin bezeichneten ...