Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Sachverständigenvergütung. Gutachten. Ermittlung des objektiv erforderlichen Zeitaufwands anhand des Gutachtensumfangs. Abrechnungspraxis. durchschnittlicher Zeitbedarf pro Gutachtenseite. Umfang der konkreten gutachterlichen Ausführungen. Vermengung von objektiver und subjektiv beeinflusster Komponente. Rechtsprechung des BVerfG. Teil der Beurteilung im Gutachten. Kostenvorschuss gem § 109 SGG
Leitsatz (amtlich)
1. Die Ermittlung des objektiv erforderlichen Zeitaufwands der Beurteilung anhand des Gutachtensumfangs ist wegen der Vermengung einer subjektiv beeinflussten Komponente (Umfang der konkreten gutachterlichen Ausführungen) mit einer objektiven Komponente (durchschnittlicher Zeitbedarf pro Gutachtenseite) nicht unbedenklich. Eine bessere Alternative ist aber nicht ersichtlich.
2. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann der Umfang des im konkreten Fall vorgelegten Gutachtens als nicht sachfremdes und nicht willkürliches Kriterium bei der Ermittlung dessen, was objektiv erforderlich ist, berücksichtigt werden.
3. Für die Ermittlung dessen, was der Beurteilung zuzurechnen ist, ist die vom Sachverständigen gewählte Überschrift ein erster Anhaltspunkt. In einem zweiten Schritt ist herauszufinden, was bei einem Ineinandergreifen verschiedener Elemente eines Gutachtens und einer Überschneidung verschiedener Bestandteile der eigentlichen sozialmedizinischen Beurteilung zuzurechnen ist. Die Anforderungen an die Kostensachbearbeiter dürfen dabei nicht überspannt werden.
4. Ein Gutachtensauftrag gem § 109 SGG in Kenntnis der voraussichtlichen Kosten beinhaltet genauso wie die Mitteilung des Gerichts an den Sachverständigen, dass über einen bestimmten Höchstbetrag (ohne vorherige Mitteilung und Genehmigung durch das Gericht) nicht hinausgegangen werden dürfe, keine verbindliche Zusage einer Honorierung in oder bis zu dieser Höhe.
Tenor
I. Der Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 27. September 2010, Az.: S 10 SF 149/10 E, wird insoweit abgeändert, als die Vergütung des Beschwerdeführers für sein Gutachten vom 28.06.2010 auf 1.938,74 € festgesetzt wird.
II. Dem Beschwerdeführer sind 570,- € nachzuentrichten.
III. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf) begehrt eine höhere Vergütung eines von ihm erstatteten Gutachtens nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG).
In dem am Sozialgericht Bayreuth (SG) unter dem Aktenzeichen S 17 R 120/09 geführten rentenrechtlichen Verfahren erstellte der Bf gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) am 28.06.2010 ein orthopädisches Gutachten.
Das Gutachten umfasst insgesamt 72 Seiten. Die Diagnosen werden auf den Seiten 60 bis 62 Mitte dargestellt. Von Seite 62 Mitte bis Seite 67 oben erfolgt eine Zusammenfassung und Beurteilung und anschließend bis Seite 71 unten die Beantwortung der Beweisfragen.
Der Beschwerdeführer stellte für sein Gutachten am 02.07.2010 eine Rechnung in Höhe von insgesamt 2.363,14 €; u.a. gab er an, für die zusammenfassende Beurteilung 10,74 Stunden benötigt zu haben.
Die Kostenbeamtin des Sozialgerichts bewilligte mit Schreiben vom 19.07.2010 lediglich 1.758,74 €. Den Angaben des Bf zum Zeitaufwand wurde teilweise nicht gefolgt; u.a. wurde für die Abfassung des Gutachtens ein Zeitaufwand von 7,3 Stunden - und nicht wie vom Bf angegeben von 10,74 Stunden - zugrunde gelegt.
Gegen die Rechnungskürzung hat sich der Bf insofern gewandt, als er den von der Kostenbeamtin für die Beurteilung zugrunde gelegten Zeitaufwand von 7,3 Stunden als unrichtig bezeichnet hat. Er hat die gerichtliche Kostenfestsetzung beantragt.
Mit Beschluss vom 27.09.2010 hat das Sozialgericht Bayreuth die Vergütung für das Gutachten auf 1.368,74 € festgesetzt. Gegenüber der Ermittlung des Zeitaufwands durch die Kostenbeamtin ist unter dem Gesichtspunkt der Beurteilung eine weitere Kürzung auf 5,5 Stunden erfolgt. Im Übrigen ist der Abrechnung der Kostenbeamtin gefolgt worden.
Am 13.10.2010 hat der Bf Beschwerde erhoben. Er habe - so der Bf - zunächst gegenüber dem Sozialgericht die Gesamtkosten für die Gutachtenserstellung auf 2.400,- € geschätzt. Zudem sei vom Kläger ein weiterer Kostenvorschuss in Höhe von 400,- € eingezahlt worden, sodass er von einer Zustimmung des Gerichts habe ausgehen können. Das Gutachten habe sich im ursprünglich veranschlagten Rahmen bewegt. Er widerspreche der vom Gericht für die Abfassung des Gutachtens zugrunde gelegten Zeit für die Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen; sein Ansatz habe 10,74 Stunden betragen. Bei Berücksichtigung der im Gutachten aufgeführten Diagnosen und bei Herausrechnung von einer halben Seite für die Wiedergabe der Gutachtensfragen ergebe sich bei 11,5 Seiten sogar ein Zeitaufwand von 11,5 Stunden. Im Übrigen hat er die Kürzung mit Schreiben vom 21.10.2010 ausdrücklich akzeptiert.
Beigezogen worden sind vom Kostensenat die erstinstanzlichen Streit- und Kostenakten.
II.
Die gemäß §§ 172 Ab...