Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Entschädigung einer Klagepartei für die Teilnahme an einem Erörterungstermin. Umfang der Entschädigung bei einem Grundsicherungsempfänger
Leitsatz (amtlich)
Der Bezug von Erwerbsersatzeinkommen oder Lohnersatzleistungen steht ab dem Inkrafttreten des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes einer Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung gem. § 21 JVEG entgegen.
Orientierungssatz
Für eine Entschädigung für Zeitversäumnis bei Anordnung des persönlichen Erscheinens einer Partei im sozialgerichtlichen Verfahren kommt es nicht darauf an, ob dem betroffenen Verfahrensbeteiligten tatsächlich geldwerte Vorteile entgehen. Eine Entschädigung kommt vielmehr nur dann ausnahmsweise nicht in Betracht, wenn sich aus den Angaben des Betroffenen selbst ergibt, dass er die eingesetzte Zeit nicht anderweitig sinnvoll verwendet hätte und damit ein Zeitversäumnis auch nicht entstanden ist.
Tenor
Die Entschädigung der Antragstellerin für die Teilnahme am Erörterungstermin am 09.02.2015 wird auf 37,25 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt eine Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) wegen der Teilnahme an einem Gerichtstermin. Insbesondere geht es um die Frage der Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung.
In dem am Bayer. Landessozialgericht (LSG) unter den Aktenzeichen L 11 AS 438/14 und L 11 AS 439/14 geführten Berufungsverfahren fand am 09.02.2015 ein Erörterungstermin statt, an dem die Antragstellerin nach Anordnung des persönlichen Erscheinens teilnahm. Der auf 14.00 Uhr geladene Termin dauerte bis um 14.55 Uhr.
Mit Entschädigungsantrag vom 15.02.2015 beantragte die Antragstellerin wegen des Erscheinens beim Erörterungstermin eine Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung, da sie einen Haushalt für zwei Personen führe, und Fahrtkosten in Höhe von 18,- €, die durch eine Fahrkarte nachgewiesen wurden. Sie sei um 11.30 Uhr von zuhause weggegangen und um 16.40 Uhr wieder zurückgekommen.
Mit Schreiben der Kostenbeamtin vom 02.06.2015 wurde der Antragstellerin eine Entschädigung für Zeitversäumnis ("Nachteilsausgleich") für 3 Stunden in Höhe von insgesamt 10,50 € und Fahrtkosten in Höhe von 18,- € gewährt. Eine Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung könne - so die Urkundsbeamtin - nur gewährt werden, wenn keine Lohnersatzleistungen bezogen würden; die Antragstellerin beziehe aber SGB II-Leistungen.
Gegen die erfolgte Abrechnung hat sich die Antragstellerin mit Schreiben vom 06.06.2015 gewandt und die gerichtliche Festsetzung der Entschädigung "bezüglich Nachteile bei der Haushaltsführung" beantragt. Sie führe - so die Antragstellerin - einen Haushalt für zwei Personen und sei nicht erwerbstätig. Im Übrigen sei die gesamte Abwesenheitszeit infolge der Gerichtsverhandlung, d.h. inklusive Weg und Rückweg vom Wohnsitz bis zum Gericht und wieder zurück, zu entschädigen. Von 11.30 Uhr bis 16.40 Uhr würden sich "aufgerundet 7 Stunden" ergeben, die abzurechnen seien, da angefangene Stunden aufzurunden seien. Sie beantrage daher über den Fahrtkostenersatz hinaus eine weitere Entschädigung in Höhe von 84,- € für Nachteile bei der Haushaltsführung.
Der Senat hat die Akten der Berufungsverfahren beim Bayer. LSG mit den Aktenzeichen L 11 AS 438/14 und L 11 AS 439/14 beigezogen.
II.
Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier die Berechtigte mit Schreiben vom 06.06.2015 die gerichtliche Festsetzung beantragt.
Die Entschädigung für die Wahrnehmung des Gerichtstermins am 09.02.2015 ist auf 37,25 € festzusetzen. Ein Anspruch auf eine höhere Entschädigung, insbesondere für Nachteile bei der Haushaltsführung, besteht nicht.
Beteiligte eines gerichtlichen Verfahrens sind gemäß § 191 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wie Zeugen zu entschädigen, sofern es sich wie hier um ein gerichtskostenfreies Verfahren im Sinn des § 183 SGG handelt. Die Entschädigung ergibt sich aus dem JVEG. Die Entschädigungstatbestände (für einen Zeugen) sind in § 19 JVEG aufgelistet.
1. Prüfungsumfang im Verfahren der gerichtlichen Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG
Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Ermittlung der Entschädigung oder Vergütung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung. Bei der Festsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die durch den Antrag auf gerichtliche Festsetzung hinfällig wird (vgl. Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.1968, Az.: RiZ (R) 4/68). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungsweg sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis gegenstandslos. Das Gericht hat daher eine vollumfassende Prüfung des Entschädigungs- oder Vergütungsanspruchs vorzunehmen, ohne auf Einwände gegen die im Verwaltungsweg erfolgte Festsetzung beschränkt zu sein. Die vom Gericht festgesetzte Entschäd...