Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässige und begründete Anhörungsrüge gem. § 178 a SGG

 

Leitsatz (amtlich)

Nach einer zulässigen und begründeten Anhörungsrüge wird das gerügte Verfahren fortgeführt und - unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Rügeverfahrens - neu entschieden. Wenn und soweit die gerügte Entscheidung falsch war, ist sie gemäß § 178a Abs. 5 Satz 4 SGG i.V.m. § 343 Satz 2 ZPO aufzuheben und richtig zu entscheiden.

 

Tenor

I. Auf die Anhörungsrüge wird das Beschwerdeverfahren L 7 AS 722/11 B PKH fortgeführt.

II. Der Beschluss vom 22. Dezember 2011, L 7 AS 722/11 B PKH, und der Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 27. Juli 2011 werden aufgehoben und der Antragstellerin für das erstinstanzliche Eilverfahren, S 6 AS 689/11 ER, Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwältin B. beigeordnet.

III. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren L 7 AS 722/11 B PKH wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe für ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin wandte sich gegen einen Verwaltungsakt, mit dem eine Eingliederungsvereinbarung ersetzt wurde (Eingliederungsverwaltungsakt) und gegen eine dreimonatige Absenkung ihrer Regelleistung.

Die Antragstellerin wurde durch Eingliederungsverwaltungsakt vom 09.03.2011 verpflichtet, ab 29.03.2011 an der Maßnahme Aktivierungshilfen teilzunehmen. Mit zwei Bescheiden vom 11.04.2011 wurde das Arbeitslosengeld II der Antragstellerin für die Monate Mai, Juni und Juli 2011 um 60 vom Hundert der Regelleistung abgesenkt, weil die Antragstellerin an der Maßnahme nicht teilnahm. Die Widersprüche wurden durch einen Widerspruchsbescheid zurückgewiesen. Dagegen wurde Klage erhoben, die durch Urteil vom 31.09.2011, S 6 AS 623/11, abgewiesen wurde. Dagegen ist unter dem Aktenzeichen L 7 AS 899/11 eine Berufung anhängig.

Bereits am 25.05.2011 stellte die bevollmächtigte Rechtsanwältin der Antragstellerin beim Sozialgericht Augsburg einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz und beantragte zugleich die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Die Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen werde umgehend nachgereicht. Eine weitere Äußerung der Antragstellerin erfolgte im Eilverfahren nicht. Mit Beschluss vom 25.07.2011 lehnte das Sozialgericht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab. Im selben Beschluss wurde die Gewährung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht abgelehnt. Der Beschluss wurde der Antragstellerin am 01.08.2011 zugestellt.

Am 31.08.2011 hat die Antragstellerin Beschwerde gegen den Beschluss vom 27.07.2011 eingelegt und beantragt, der Antragstellerin für das erstinstanzliche Eilverfahren und für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren. Mit Beschluss vom 22.12.2011, L 7 AS 722/11 B PKH, wies das Landessozialgericht die Beschwerde gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe zurück. Es könne dahin gestellt bleiben, ob im erstinstanzlichen Verfahren eine hinreichende Erfolgsaussicht bestanden habe, weil das Sozialgericht Prozesskostenhilfe schon deswegen ablehnen konnte, weil die anwaltlich vertretene Antragstellerin bis zur Beendigung des erstinstanzlichen Eilverfahrens keine Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen (PKH-Erklärung) vorgelegt habe. Der Beschluss wurde der Bevollmächtigten der Antragstellerin laut Empfangsbekenntnis am 02.01.2012 zugestellt.

Am 16.01.2012 hat die Antragstellerin gegen den Beschluss vom 22.12.2011 Anhörungsrüge erhoben. Die PKH-Erklärung sei dem Sozialgericht mit Schreiben vom 01.06.2011 vorgelegt worden. Das Beschwerdegericht hat die Klageakte S 6 AS 623/11 samt PKH-Teilakte beigezogen. In diesem Klageverfahren hatte die Antragstellerin die PKH-Erklärung mit Schreiben vom 01.06.2011 vorgelegt. Danach verfügte sie über kein einsetzbares Vermögen und bezog laufend Arbeitslosengeld II.

II.

Die Anhörungsrüge ist zulässig und begründet. Das Beschwerdeverfahren L 7 AS 722/11 B PKH ist fortzuführen.

Die Anhörungsrüge ist gemäß § 178a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, weil gegen den Beschluss vom 22.12.2011 wegen § 177 SGG kein anderer Rechtsbehelf gegeben ist. Sie wurde gemäß § 178a Abs. 2 SGG schriftlich und innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Beschlusses vom 22.12.2011 erhoben. Die angegriffene Entscheidung wurde bezeichnet und das Vorliegen der in § 178a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG genannten Voraussetzungen dargelegt.

Die Anhörungsrüge ist auch begründet, weil das Gericht den Anspruch der Antragstellerin auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Für die Entscheidungserheblichkeit genügt, dass die Möglichkeit bestanden hat, dass die gerügte Entscheidung für den betroffenen Beteiligten günstiger ausgefallen wäre.

Die Antragstellerin hatte zwar in dem erstinstanzlichen Eilverfahren keine PKH-Erklärung vorgelegt, jedoch in dem parallelen Klageverfahren. Die PKH-Teilakte des Kla...

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