Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Entschädigung eines ärztlichen Sachverständigen. Berücksichtigung eines eigenen gesonderten Literaturstudiums nur in Ausnahmefällen
Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen der Fertigung sozialgerichtlicher Gutachten kann ein eigenes gesondertes Literaturstudium nur in (hier nicht gegebenen) Ausnahmefällen gemäß § 9 Abs 1 JVEG berücksichtigt werden.
Tenor
Die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 24.04.2009 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 30.03.2009 - S 15 SF 12/09 E - wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
In dem am Sozialgericht Regensburg anhängig gewesenen Rechtsstreit B. gegen die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft ist der Antragsteller und Beschwerdeführer auf Antrag des Klägers vom 28.10.2008 mit Beweisanordnung des Sozialgerichts Regensburg vom 05.12.2008 gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum ärztlichen Sachverständigen bestellt worden. Zu klären gewesen ist die Frage, ob der Tod des S. M. am 26.03.2007 mit Wahrscheinlichkeit durch den Unfall vom 19.03.2007 hervorgerufen oder wenigstens um ein Jahr vorverlegt worden ist.
Mit vierseitigem Gutachten vom 15.02.2008 ist der Beschwerdeführer zu dem Ergebnis gekommen, dass S. M. an einer schicksalsbedingten inneren Erkrankung zufällig am 23.03.2007 verstorben sei. Der Herztod sei zweifelsfrei durch einen großen Reinfarkt verursacht worden. Der Herzinfarkt sei ohne besondere äußere Einwirkungen erklärbar. Die möglichen direkten körperlichen Folgen des Unfalles selbst oder des persönlichen Unfallerlebens durch S. M. im Sinne einer Stress-Situation würden nur in einem eng begrenzten Zeitraum wirken und seien in wissenschaftlichen Untersuchungen nach maximal 24 Stunden nicht mehr nachweisbar. Daher könne dem Unfall vom 19.03.2007 keine wesentliche ursächliche Bedeutung für den Tod des S. M. beigemessen werden. Beigefügt gewesen sind auf dreieinhalb Seiten insgesamt 23 Literaturnachweise.
Für sein wissenschaftliches Gutachten vom 15.02.2008 hat der Antragsteller und hiesige Beschwerdeführer mit Honorarnote vom 16.02.2008 insgesamt 1.680,40 Euro geltend gemacht, die sich wie folgt aufschlüsseln:
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Aquisition |
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1 Stunde |
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85,00 Euro |
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Aktenstudium |
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4 Stunden |
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340,00 Euro |
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Literaturstudium |
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5 Stunden |
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425,00 Euro |
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Ausarbeitung |
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5 Stunden |
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425,00 Euro |
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Diktat und Korrektur |
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1 Stunde |
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85,00 Euro |
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19 % Umsatzsteuer |
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258,40 Euro. |
Die Kostenbeamtin des Sozialgerichts Regensburg hat die Honorarnote vom 16.02.2008 mit Nachricht vom 09.03.2009 auf insgesamt 910,35 Euro gekürzt. Insgesamt könnten nur neun Stunden für Aktenstudium, Abfassung des Gutachtens sowie Diktat und Durchsicht berücksichtigt werden.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer hat mit Schreiben vom 15.03.2008 die richterliche Festsetzung seiner Vergütung beantragt. Die Literaturrecherche wäre über die fachlichen Kenntnisse des Gutachters hinaus unverzichtbarer Bestandteil heutiger medizinischen Urteilsbegründung. Ohne diese wissenschaftlichen Belege könne die Beurteilung als ausschließlich persönliche Meinung des Gutachters angegriffen werden. Auch sei die Aquisition von zusätzlichen ärztlichen Unterlagen im vorliegenden Falle eine notwendige Vorarbeit gewesen. Auf sein Schreiben vom 16.12.2008 habe er leider nur die Patientenakten aus der Praxis des Dr. Z. und aus dem Stadtkrankenhaus P. erhalten, aber nicht die Unterlagen von Ärzten, die S. M. in der Zeit zwischen Unfall- und Todestag angeblich aufgesucht habe.
Das Sozialgericht Regensburg hat mit Beschluss vom 30.03.2009 - S 15 SF 12/09 E - die Vergütung des Antragstellers für sein Gutachten vom 15.02.2008 auf 1.112,65 Euro festgesetzt. Das Aktenstudium des Antragstellers habe die Urkundsbeamtin des Sozialgerichts Regensburg wie beantragt mit vier Stunden zugrunde gelegt. Die erkennende Kammer halte hinsichtlich der Ausarbeitung und Beurteilung einen Zeitaufwand von fünf Stunden statt der bisher anerkannten 3,5 Stunden für angemessen und ausreichend (dies auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die dreieinhalb Seiten Literaturnachweise bei der Berechnung allenfalls das Mittelmaß erreichen würden). Weiterhin sei für Diktat und Durchsicht eine Anhebung des Zeitaufwands von 1,33 Stunden auf zwei Stunden geboten. Nicht berücksichtigungsfähig sei jedoch der angegebene Zeitaufwand für Aquisition und Literaturstudium. Somit bestehe insgesamt ein berücksichtigungsfähiger Zeitaufwand von elf Stunden. Bei dem höchstmöglichen Stundensatz von 85,00 Euro ergebe dies unter Berücksichtigung von 19 % Umsatzsteuer einen Gesamtbetrag von 1.112,85 Euro.
Der Beschwerdeführer hat mit Beschwerdeschrift vom 24.04.2009 vorgetragen, die zu beantwortenden Fragen (Auslösemechanismen eines akuten Herzinfarktes sowie Unfall und Herzinfarkt) seien auch heute noch nicht abschließend beantwortete Fragestellungen gewesen. Eine ausführliche Evaluierung der aktuellen wissenschaftlichen Datenlage anhand einer Literaturrecherche sei notwendig gewesen. Auf der einen Seite stehe das alte, heute noch in Lehrbüchern zu finden...