Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Berichtigung einer gerichtlichen Entscheidung. Einfluss auf Rechtmittelfrist. Ausnahmefall. höchstrichterliche Rechtsprechung. Einzelfallentscheidung des BSG
Leitsatz (amtlich)
1. Ein späterer Berichtigungsbeschluss hindert den Lauf der Rechtsmittelfrist bzgl der ursprünglichen Entscheidung nicht. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die ursprüngliche Entscheidung insgesamt nicht klar genug gewesen wäre, um Grundlage für die Entschließungen und das weitere Handeln des Rechtsmittelführers zu sein.
2. Eine weitere Ausnahme unabhängig von der Frage der Klarheit der zu berichtigenden Entscheidung auch für den Fall, dass das Gericht die Beteiligten innerhalb der laufenden Rechtmittelfrist auffordert, die übersandten Ausfertigungen zum Zwecke der Berichtigung zurückzusenden (so BSG vom 28.1.2004 - B 6 KA 95/03 B = SozR 4-1500 § 151 Nr 1), verbietet sich.
Orientierungssatz
1. Aus dem Umstand, dass das BSG vor seiner Entscheidung vom 28.1.2004 - B 6 KA 95/03 B aaO nicht den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes angerufen hat, kann nur der Rückschluss gezogen werden, dass es keine abweichende Rechtsprechung zu der anderslautenden Rechtsprechung anderer oberster Gerichte begründen wollte, sondern lediglich eine reine Einzelfallentscheidung ohne Bezugsfallwirkung getroffen hat.
2. Sofern sich das BSG in seinem Beschluss vom 28.1.2004 - B 6 KA 95/03 B aaO auf den Beschluss des BVerwG vom 22.3.1991 - 7 B 30.91 = Buchholz 310 § 132 VwGO Nr 296, stützt, ändert dies an der aufgezeigten Auffassung des Senats nichts. Denn der Beschluss des BVerwG stellt aus den gleichen Gründen wie der Beschluss des BSG eine reine Einzelfallentscheidung dar, aus der keine weitergehenden Rückschlüsse auf die Entwicklung einer Rechtsprechung des BVerwG zu ziehen sind.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.12.2018 wird als unzulässig verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig sind die weitere Zahlung von Krankengeld sowie die Höhe der für eine Haushaltshilfe zu erstattenden Kosten.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht (SG) Nürnberg vom 20.12.2018, zu der die Klägerin nach Aufhebung der Anordnung ihres persönlichen Erscheinens nicht erschienen war, ist die gegen den Bescheid vom 21.10.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2017 betreffend Krankengeld und den Bescheid vom 01.02.2017 in Form des Bescheides vom 09.02.2017, diese wiederum in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2018 betreffend Haushaltshilfe gerichtete Klage abgewiesen worden.
Das schriftlich abgefasste Urteil, in dessen Rubrum als Datum "am 20.01.2019" aufgeführt ist, ist der Klägerin samt dem Protokoll, in dem das zutreffende Datum "20.12.2018" genannt ist, am 29.01.2019 zugestellt worden.
Mit Schreiben des SG vom 12.02.2019 sind die Beteiligten um Rücksendung der beglaubigten Abschrift des Urteils vom - in Anführungszeichen gesetzt - "20.01.2019" gebeten worden. Mit Berichtigungsbeschluss gemäß § 138 Satz 1, 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ebenfalls vom 12.02.2019 hat das SG beschlossen: "Das Rubrum des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg wird insoweit berichtigt, als die mündliche Verhandlung am 20.12.2018 stattgefunden hat." Nach nochmaliger Erinnerung mit gerichtlichem Schreiben vom 21.02.2019 hat die Klägerin die ihr zugestellte Abschrift des Urteils an das SG übermittelt.
Mit Zugang am 27.02.2019 ist der Klägerin die beglaubigte Abschrift des Urteils samt Berichtigungsbeschluss zugestellt worden.
Mit Eingang am 11.03.2019 hat die Klägerin gegen das Urteil des SG Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt, die sie mit Schreiben vom 12.07.2019 begründet hat.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 05.09.2019 ist der Klägerin erläutert worden, dass die Berufung wegen Verfristung unzulässig sei und der Senat daher beabsichtige, über die Berufung durch Beschluss zu entscheiden.
Die Klägerin hat bislang keinen konkreten Antrag gestellt; es ist daher davon auszugehen, dass sie beantragt,
das Urteil des SG Nürnberg vom 20.12.2018 aufzuheben und
1. den Bescheid der Beklagten vom 21.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 01.09.2016 bis 03.10.2016 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
2. den Bescheid vom 01.02.2017 in Form des Bescheides vom 09.02.2017, diese wiederum in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.01.2018 abzuändern und der Klägerin für in Anspruch genommene Haushaltshilfe weitere 430,- € zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen (Schriftsatz vom 30.04.2019), bzw. als unzulässig zu verwerfen (Schriftsatz vom 27.09.2019).
Vorgelegen haben neben den Akten des Bayer. LSG, auch zu den Aktenzeichen L 20 KR 332/17 B ER und L 20 KR 333/17 B ER, die Akten des SG zu den Aktenzeichen S 7 KR 166/17, S 7 KR 249/17 ER und S 7 KR 250/17 ER sowie die Beklagt...